Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka hält den Umgangston von Kanzler Kurz gegenüber den Kirchen für problematisch.

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Wien – Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka sorgt sich über den Umgangston der Politik mit den Religionsgemeinschaften. Anlass für seine Kritik ist das in der Causa ÖBAG aufgetauchte Chatprotokoll, wonach Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Finanzministerium angewiesen hatte, "Vollgas" gegen Privilegien der katholischen Kirche zu geben. Chalupka erinnert das an die Karfreitagsdebatte, die noch immer eine Wunde sei, "die nicht vergessen wird".

Ob die Ansage des Kanzlers an den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid als Revanche auf Kirchenkritik an der Asylpolitik zu verstehen sei, will Chalupka nicht mutmaßen, aber: "Was an diesen Chat-Protokollen deutlich geworden ist, und das macht mich besorgt, ist eine mangelnde Achtung des Gegenübers und eine klammheimliche Freude an der Demütigung." Dies beschädige nicht nur die Würde des Gegenübers, "sondern es beschädigt auch die Würde des politischen Amtes und damit unserer Demokratie".

Kein Pakt gegen die Einsamkeit

Chalupka erinnert der Chat an den Umgang mit der evangelischen Kirche bei den Karfreitagsverhandlungen, "wo auch wir eine mangelnde Achtung vor unserer Tradition, aber auch unseren Repräsentanten verspürt haben". Für den Bischof ist diese Diskussion nicht abgeschlossen, erinnere der Karfreitag doch auch an die leidvolle Geschichte der Protestanten in Österreich. "Es muss auch eine Diskussion geben, unabhängig vom Karfreitag, über ein Gedenken an die Coronapandemie und über die Opfer", erhofft sich der Bischof.

Dialog gebe es mit der Regierung bezüglich des Urteils des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zum assistierten Suizid. In den kommenden Wochen soll es "ausführliche Gespräche" mit dem Justizministerium geben, bei denen geklärt werden soll, wie man mit der Aufhebung des Verbots künftig umgeht, berichtet der Bischof. Es dürfe vor allem keine Verpflichtung etwa für Ärzte zur Beihilfe zum assistierten Suizid geben, betont er.

Gar nichts getan hat sich hingegen nach dem groß angelegten Auftaktgespräch der Regierung für einen "Pakt gegen die Einsamkeit" im August des vergangenen Jahres. "Dabei ist es geblieben, alle eingeladenen Organisationen haben ihre Konzepte geschrieben und dann nichts mehr gehört", berichtet der Bischof.

Mehr Lockerungen für die Senioren

Gerade beim Kontakt mit älteren Menschen wünscht sich Chalupka auch während der Pandemie nun mehr Möglichkeiten, da die Durchimpfungsrate in den Pflegeheimen sehr hoch sei. "Die Menschen haben sich erwartet, dass sie hier mehr Besuch bekommen können", findet er. "Ich denke, da sollte noch mehr möglich sein. Auch miteinander zu feiern sollte das Ergebnis dieser Impfung sein." Dies alles sollte natürlich unter einem strengen und regelmäßigen Testregime geschehen, merkt der evangelisch-lutherische Bischof an.

Wenig Verständnis hat Chalupka dafür, dass bei Demonstrationen von Gegnern der Coronamaßnahmen Regeln zum Schutz aller missachtet werden. "Und wofür ich gar kein Verständnis habe ist, dass das auch noch religiös verbrämt wird." Der angedachte "Grüne Pass" der Regierung sei wiederum "grundsätzlich eine Möglichkeit, weil es ja nicht darum geht Menschen Privilegien zu schaffen, sondern eingeschränkte Freiheiten den Menschen wieder zurückzugeben". Diese Diskussion ergebe aber erst dann Sinn, wenn jeder und jede zumindest die Möglichkeit zur Impfung haben.

Homosexuelle Paare können gesegnet werden

"Keine dramatischen Auswirkungen" der Pandemie kann der evangelisch-lutherische Bischof derzeit auf seine eigene Kirche feststellen. Es gebe ein hohes Maß an Zusammenhalt in den Pfarrgemeinden. Gläubige nutzten auch die alternativen Möglichkeiten zur Teilnahme an den Gottesdiensten stark. Dass der Lockdown für Kirchenbesucher in diesem Jahr anders verläuft als 2020 freut ihn. "Uns ist wichtig, dass die evangelische Kirche für Menschen, die die Osterbotschaft suchen, analog und digital zugänglich ist."

Eine große Debatte über den Umgang mit homosexuellen Paaren – wie sie derzeit wieder in der römisch-katholischen Kirche geführt wird – haben Österreichs Protestanten nicht. Man habe ja vor zwei Jahren in einem Synodenbeschluss den einzelnen Gemeinden die Entscheidung selbst überlassen. Eine Segnung anlässlich der staatlichen Eheschließung sei also in Gemeinden möglich, die sich dafür entschieden haben, erläuterte Chalupka. (APA, 3.4.2021)