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Abdullah II., seit 1999 König von Jordanien.

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Die jordanischen Medien meldeten am Sonntag, dass der frühere jordanische Kronprinz, Hamza bin Hussein, entgegenlautenden Berichten "nicht" verhaftet worden sei: Ein Video, das der 41-jährige Sohn des 1999 verstorbenen König Hussein in seinem Hausarrest aufnahm und das nun auf internationalen Medien verbreitet wird, bestätigt jedoch die Eskalation des lange schwelenden Konflikts im Königshaus.

Prinz Hamza bin Hussein berichtet, nach einem Besuch von Generalstabschef Yussef Huneity mit seiner Familie in seinem Haus festgehalten und isoliert zu werden. Alle seine Kommunikationsmittel seien ihm weggenommen worden – auch die ihm im Moment verbliebene Satellitenverbindung würde abgeschaltet. Die Begründung der Sicherheitskräfte sei seine Nähe zu regierungs- und königskritischen Kreisen, auch wenn er sich selbst nie geäußert habe.

Aber dann kommt es heftig. Er sei nicht Schuld, sagt Hamza im Video, wenn Jordanien seit mindestens 15 Jahren in Korruption, Inkompetenz und einem Zusammenbruch der Regierungsfähigkeit versinke, die immer schlimmer würden, und wenn die Menschen das Vertrauen in die Institutionen verloren hätten: "Sie sind verantwortlich" – wobei er König Abdullah II., seinen Halbbruder, ausdrücklich nicht aus diesem "sie" ausnimmt. Es sei in Jordanien inzwischen unmöglich geworden, auch "kleine Politikaspekte" zu kritisieren, das führe zu Verfolgung und Verhaftung. In einem Land, das früher in der Region an der Spitze gestanden sei, dominierten jetzt persönliche finanzielle Interessen und Nepotismus, sagte Hamza, der abstritt, Teil einer Gruppe zu sein, die vom Ausland unterstützt wurde.

Genau das wirft ihm jedoch die Regierung vor, in den Worten des Vizepremiers Ayman Zafadi habe sich Hamza mit ausländischen Kräften abgesprochen, um Jordanien zu destabilisieren.

Exminister Awadallah verhaftet

Sitzt der bei den Menschen überaus beliebte Prinz Hamza also im Hausarrest, so wurde gar die Verhaftung eines anderen Familienmitglieds, Sherif Hassan bin Zaid, offiziell bestätigt. Auch der frühere Shootingstar der Administration, Bassam Ibrahim Awadallah, früher Chef des königliches Hofs und auch Planungs- und Finanzminister und später Verbindungsmann zu Saudi-Arabien, ist in Haft.

Laut "Washington Post", die am Samstag zum ersten Mal über die Vorgänge berichtete, wurden etwa 20 Personen verhaftet, darunter offenbar auch Hamzas Büroleiter, Yasser al-Majali, der einem jordanischen Stamm angehört, aus dem Kritik am König kam. Auch die Mutter Hamzas und letzte Frau König Husseins, Königin Noor (69), soll demnach festgehalten werden. König Abdullah stammt aus einer anderen Ehe seines Vaters. Noor meldete sich per Twitter zu Wort, die "bösartigen Verleumdungen" würden sich hoffentlich aufklären.

Hinter König Abdullah und seiner Herrschaft versammelten sich noch in der Nacht zum Sonntag internationale Unterstützer, darunter Saudi-Arabien und andere arabische Staaten, aber auch die USA. In Israel, wo die Stabilität des haschemitischen Königsreich als besonders wichtig angesehen wird, sprachen Analysten von einer "ernsten Situation". Das israelisch-jordanische Verhältnis war zuletzt schlecht. Jordanien ist Hüter der islamischen heiligen Stätten in Jerusalem und hat eine palästinensisch-stämmige Bevölkerungsmehrheit. Zwischen Jordanien und Israel gibt es seit 1994 einen Friedensvertrag.

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Hamza bin Hussein kritisiert die Korruption und den Nepotismus Jordaniens.
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Unmut der Ostjordanier

Gegen "die Palästinenser", die die jordanische Wirtschaft dominieren, hatte sich in den letzten Jahren vor allem unter ostjordanischen Stämmen – die sich als die "echten Jordanier" sehen – immer wieder Unmut gerichtet. Ostjordanische Kräfte – die Bewegung wird "Hirak" genannt – gehören auch zur Gruppe, die jetzt im Visier der Behörden steht.

Die Unzufriedenheit der Ostjordanier fokussiert sich häufig auf eine bestimmte Person im Königshaus, nämlich die palästinensisch-stämmige Königin Rania, Gattin von Abdullah und Mutter von Kronprinz Hussein bin Abdullah (26). Wenn von "Nepotismus" gesprochen wird, sind oft die Vergünstigungen, die die Königin ihrer Familie angedeihen lässt, gemeint.

Lassen sich moralische Ziele in der Außenpolitik durchsetzen? Wie ist der neue, scharfe Ton zwischen US-Präsident Biden und Russlands Staatschef Putin zu bewerten? Um diese Fragen ging es diesmal beim Videotalk "STANDARD mitreden". Mit dabei waren unter anderem Ex-Präsident Heinz Fischer und Außenminister Alexander Schallenberg.
DER STANDARD

Prinz Hamza, der sehr beliebt ist, hat aber auch eine sehr persönliche Geschichte mit König Abdullah. Der sterbende König Hussein hatte 1999 nur wenige Wochen vor seinem Tod die Thronfolge zu Abdullahs Gunsten geändert, der langjährige jordanische Kronprinz, Husseins Bruder Hassan, wurde abgesetzt. Als "Sidedeal" war angenommen worden, dass König Abdullah den Sohn des verstorbenen Königs, eben Hamza bin Hussein, dafür zum Kronprinzen macht. Der Deal – wenn es denn einen gegeben hat – hielt aber nur bis 2004, da löste König Abdullah Prinz Hamza als Kronprinz ab und setzte später seinen eigenen Sohn, Hussein, ein.

Große soziale Probleme

Palastintrigen spielen jedoch bei den jetzigen Vorgängen in Jordanien bestimmt nur eine untergeordnete Rolle. Das ressourcenarme Land liegt im Herz der Region und wird von jeder regionalen Krise – sei sie politisch oder wirtschaftlich – in Mitleidenschaft gezogen. Es kommt auch immer wieder zu sozialen Protesten. Der Staat geht vermehrt gegen Versuche der Menschen, sich zu organisieren, vor – so kam es bereits im Jänner zu Lehrer-Protesten, nachdem deren Gewerkschaft aufgelöst worden war.

Erst Ende März gingen aus Anlass des zehnjährigen Gedenkens an die "Arabische Frühling"-Demonstrationen von 2011 wieder Demonstranten auf die Straße, es gab Verhaftungen. Zwischendurch wurde zuletzt auch gegen die mangelnde Versorgung während der Covid-19-Krise demonstriert. Weil die Stabilität Jordaniens regional als wichtig betrachtet wird und weil Proteste oft pauschal mit islamischen Parteien in Zusammenhang gebracht werden, können die unzufriedenen Jordanier und Jordanierinnen mit nur wenig Sympathie und Aufmerksamkeit von außen rechnen. Bei Demonstrationen wurde auch schon die Abdankung von König Abdallah zugunsten von Prinz Hamza gefordert. (Gudrun Harrer, 4.4.2021)