Ist denn echt schon wieder Freitag, steht das Wochenende bevor? Hat sich doch irgendwie kurz angefühlt, die Kalenderwoche 14, oder? Vielleicht erinnern Sie sich noch – auch wenn in dieser Pandemie das Zeitgefühl immer mal wieder zu verschwimmen scheint –, aber der Montag war tatsächlich ein Feiertag und diese Woche damit für viele Menschen eine natürliche Vier-Tage-Arbeitswoche. Vier Tage arbeiten, drei Tage frei – es ist eine Forderung, die unter der arbeitenden Bevölkerung, aber auch bei Arbeitgeberinnen, Selbstständigen und politischen Parteien Fahrt aufnimmt. Viele halten die Zeit für das neue Arbeitszeitmodell gekommen; eine großflächige Umsetzung steht aber noch aus. Die Argumente der Verfechter: bessere Gesundheit, gesteigerte Produktivität, mehr Zeit zum Leben und generell mehr Flexibilität bei der Aufteilung der Arbeitswoche.

Ein erstreiktes Recht

Wann genau die Idee der Vier-Tage-Arbeitswoche aufkam, ist weniger genau zu datieren als die Geburtsstunde ihrer Vorfahrin, die Fünftagewoche. Pionierarbeit dafür leistete damals eine Mühle in den USA. Jüdische Mitarbeiter wollten den samstäglichen Sabbat ebenso genießen wie die christlichen Arbeiter die Sonntagsruhe. 1908 folgte die Umstellung.

Ist das die Zukunft der Arbeitswoche?
Illustration: Fatih Aydogdu

Bundesweite Resonanz erhielt die von Gewerkschaften immer wieder aufgebrachte Forderung, als der legendäre Autobauer Henry Ford 1926 seinen Arbeitern einen zweiten Wochenendtag zusprach. Fords Hauptargument war, dass die Fabriksmitarbeiter dadurch mehr Zeit hätten, sich am Wochenende ein neues Auto zu kaufen. Der langsamen Etablierung der Idee in den folgenden Jahrzehnten vorausgeeilt war 1919 bereits ein 44-tägiger Generalstreik in Katalonien.

Genau dieser gewerkschaftliche Druck könnte nun wieder vermehrt spürbar werden. Nicht nur weil Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen für die Produktivitätszuwächse der vergangenen Jahrzehnte nicht adäquat kompensiert wurden – wie Unionsvertreter argumentieren –, sondern auch weil Fachkräfte in zahlreichen Berufen Mangelware sind oder werden. Ihr Hebel wächst also mit der schwindenden Personaldecke in manchen Branchen.

Nicht zu Tode arbeiten

Weil die Forderung nach einer Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit – einer 32-Stunden-Woche – aber nicht mit der Bereitschaft, auf Lohn zu verzichten, einhergeht, treibt der Vorschlag manchen Arbeitgebern Sorgenfalten auf die Stirn. Diese entspannen sich bei den Verantwortlichen aber meist, sobald die Theorie in die Praxis umgewandelt wird. So belegen etwa Studien der Universität Reading eine Produktivitätssteigerung in zwei Dritteln aller Betriebe, die auf eine Viertagewoche umgestellt haben.

Montag bis Donnerstag? Dienstag bis Freitag? Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag? Wie würde Ihre Viertagewoche aussehen?
Illustration: Armin Karner

Das kleine Berliner Start-up hat erste Tests dabei ebenso schon gewagt wie der milliardenschwere Großkonzern. Microsoft etwa hat ausgerechnet in Japan, das für seine ausbeuterische 996-Arbeitskultur (9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends, sechsmal pro Woche) bekannt ist und mit "karoshi" sogar ein eigenes Wort für "Tod durch Überarbeitung" besitzt, die Viertagewoche getestet. Das Ergebnis: Der 40-prozentige Produktivitätsboost habe die 20-prozentigen Arbeitskrafteinbußen locker wettgemacht, so der Konzern nach einer einmonatigen Testphase im August 2019. Die 92-prozentige Zustimmung der Belegschaft zum neuen Modell ließ zudem Sorgen über erhöhte Stresslevel während der kurzen Woche platzen. Zur Zufriedenheit trugen in Tests aber nicht nur die Stundenreduktionen, sondern auch ein strenges 30-Minuten-Limit für Besprechungen bei. Der Spruch "This could have been an email" wurde damit zu deutlich mehr als einem Lippenbekenntnis. Ebenso braucht es Vertrauen. Dort, wo Arbeitende vermehrt überwacht wurden, waren deutlich schlechtere Ergebnisse zu beobachten.

Gesundheit und Umwelt zuliebe

Auch der Lebensmittelriese Unilever beobachtet aktuell, wie sich Fehltage, Produktivität und Zufriedenheit entwickeln, und probiert die Viertagewoche in Neuseeland aus. Dort stoßen die Bestrebungen ohnehin auf großen Widerhall, bewirbt die sozialdemokratische Regierungschefin Jacinda Ardern doch immer wieder die Viertagewoche als geeignetes Mittel, um den Inselstaat nach überstandener Corona-Pandemie arbeitsmarkttechnisch wieder aufzubauen. Würde Unilever seine 150.000 Angestellten weltweit auf die 4/3-Woche umstellen, wäre es aber wohl vergleichbar mit dem Boost von Fords Entscheidung zur Fünftagewoche. Und bei uns? Eine entsprechende Anfrage des STANDARD zu seiner Position zur Vier-Tage-Arbeitswoche beantwortete das Büro von Arbeitsminister Martin Kocher nicht.

Illustration: Fatih Aydogdu

Klar ist: Nicht in jedem Beruf kann die Produktivität einfach so gesteigert und die Wochenarbeit schon bis Donnerstagabend oder ab Dienstagmorgen erledigt werden. Zahlreiche Berufe benötigen die physische Präsenz der Arbeitskraft an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit.

Die Corona-Pandemie hat aber nicht zuletzt auch gezeigt, wie belastend viele Jobs für die arbeitende Bevölkerung sind – speziell dann, wenn das Leben tatsächlich nur mehr aus dem Beruf besteht. Auch hier zeigte sich in den globalen Feldversuchen aber, dass nicht nur die Zufriedenheit der Belegschaft anwuchs, sondern auch die Fehltage und Burnouts über die Stundenreduktion hinaus deutlich zurückgingen.

Spanische Vorreiter

Alles Gründe, warum Spanien jetzt noch einen größeren Schritt wagen will und die Viertagewoche im Herbst 2021 mit hunderten teilnehmenden Unternehmen im ganzen Land testen möchte. Etwaige anfängliche Mehrkosten will die Regierung nach einem Vorschlag der linken Partei Más País mit einem 50-Millionen-Euro-Paket abfedern und so auch zögerlichen Arbeitgebern den nötigen Mut geben. Hätte Spanien 2017 flächendeckend eine fünfstündige Wochenstundenreduktion eingeführt, wären jedenfalls 560.000 Jobs geschaffen und Gehälter um 3,7 Prozent und das BIP um 1,4 Prozent gesteigert worden, fand eine Cambridge-Studie kürzlich heraus.

Während zahlreiche konservative und rechte Parteien zögern (oder lautstark protestieren), kommt Unterstützung für die Bestrebungen der Viertagewoche von Umweltschützerseite. Sie rechnen weniger damit, dass sich Menschen am dritten freien Tag der Woche weitere Autos zulegen, wie Ford es einst erträumte, sondern dass sich der verminderte Pendlerverkehr positiv aufs Klima auswirkt.

Ist die Zeit für die Viertagewoche also reif? Wenn es nach einem der ökonomischen Großmeister des vergangenen Jahrhunderts – John Maynard Keynes – geht, müssten wir eigentlich schon weiter sein. Er prophezeite bereits 1930, dass 100 Jahre später eine 15-Stunden-Woche wohl ausreichen werde. (Fabian Sommavilla, 9.4.2021)