Impfstoffhersteller Astra Zeneca lieferte zuletzt weniger als geplant.

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Wien – Die frohe Botschaft von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Ostern lenkte vom aktuell geringen Impftempo und den bekannten Lieferverzögerungen ab. Laut Kurz können in den nächsten 100 Tagen – gerechnet ab Ostern also bis 12. Juli – alle interessierten Österreicherinnen und Österreicher mit einer Coronavirus-Schutzimpfung rechnen.

Die wesentliche Einschränkung beim Versprechen des Kanzlers: "Zumindest die erste Impfung" werde allen, die sich impfen lassen möchten, angeboten werden können. Bei allen Vakzinen der drei Hersteller, die derzeit Impfdosen nach Österreich liefern, sind nämlich zwei Stiche für eine Vollimmunisierung notwendig.

Rein rechnerisch möglich

Diese Rechnung sollte sich relativ leicht ausgehen, auch wenn sie von einigen Unbekannten abhängt – etwa der Impfbereitschaft, die noch offen ist. Kurz rechnet damit, dass sich rund zwei Drittel der impfbaren Bevölkerung ab 16 Jahren (das sind insgesamt etwas mehr als 7,5 Millionen Menschen) für eine Impfung anmelden werden. Das wären etwa fünf Millionen Impfwillige. Dass man die bis zum Sommer durchimpfen wolle, sagte er schon Mitte März.

Davon abzuziehen sind jedenfalls jene 1,3 Millionen Menschen, die bereits einen Erststich erhalten haben. Bleiben also knapp 100 Tage Zeit, um 3,7 Millionen weitere Personen erstmals gegen Covid-19 zu impfen.

Läuft alles nach Plan, werden in Österreich im zweiten Quartal zu den zwei Millionen Impfdosen, die schon geliefert wurden, laut Dashboard des Gesundheitsministeriums sieben Millionen Impfdosen dazukommen. Davon entfallen 6,6 Millionen auf die vier bisher von der EMA zugelassenen Impfstoffe und sind – abgesehen von Lieferschwierigkeiten – relativ sicher. 400.000 könnten von jenen Impfstoffen dazukommen, die noch vor der Zulassung stehen. Zumindest grob steht schon fest, wie die Beschaffung im zweiten Quartal aufgeteilt werden soll: Zwei Drittel sollen von Biontech/Pfizer und Moderna kommen, ein Drittel von Astra Zeneca und Johnson & Johnson.

Sputnik bräuchte es dazu nicht

Da alle bisher gelieferten Impfstoffe zwei Stiche benötigen, müssen jene Personen von der Rechnung abgezogen werden, die ihren ersten Stich bereits erhalten haben und den nächsten in spätestens sechs (im Fall von Biontech/Pfizer) bis zwölf Wochen (Astra Zeneca) bekommen werden. Das betrifft von heute an bis zu 800.000 Menschen. Damit würden – sofern alle Zulassungen kommen – immer noch 6,6 Millionen Dosen bleiben, um die restlichen 3,7 Millionen Menschen zu impfen.

Das geht sich locker aus, wenn die Hersteller die versprochenen Mengen an die EU liefern. Und dafür braucht es noch nicht einmal die zusätzliche Bestellung von einer Million Dosen des Impfstoffs Sputnik V, die Kanzler Kurz diese Woche unter Dach und Fach bringen will.

Doch warum bemüht er sich so sehr um diese Extrabestellung? Das hängt vermutlich damit zusammen, dass Österreich bis Juli im EU-Vergleich bei den Impfstofflieferungen wegen einiger hausgemachter Bestellfehler ziemlich schlecht ausschauen wird.

Wenig auf Biontech gesetzt

Österreich hat erstens stark auf Astra Zeneca gesetzt und verhältnismäßig wenig Impfstoff von Biontech/Pfizer namens Comirnaty bestellt, nämlich nur 91,9 Prozent der möglichen Impfstoffmenge. Die jüngsten Korrekturen ändern daran wenig, dass wir in absoluten und relativen Zahlen im EU-Vergleich wenig von Comirnaty erhalten werden – also jenem Vakzin, von dem am verlässlichsten und am meisten an die EU ausgeliefert wird.

Der andere Fehler betrifft die österreichische Bestellung des Vakzins von Johnson & Johnson, das nach nur einer Impfung zur Immunisierung führt. Österreich hat davon nur 63 Prozent der möglichen Menge bestellt, das sind 2,5 Millionen statt knapp vier Millionen Dosen. Im zweiten Quartal werden wir davon voraussichtlich nur 670.000 Dosen erhalten (statt der möglichen 1,06 Millionen). Sprich: Wir haben uns 336.000 mögliche Vollimmunisierungen bis Anfang Juli entgehen lassen.

Österreich im unteren Mittelfeld

Laut EU-Berechnungen, die zuletzt im Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Staaten zirkulierten, können wir mit der bestellten und voraussichtlich gelieferten Impfstoffmenge (8,38 Millionen) in Österreich immerhin 50,92 Prozent der Bevölkerung vollimmunisieren. Klingt gut, ist aber im Vergleich mit den anderen 27 EU-Staaten wenig: Dänemark etwa hat sehr viel klüger bestellt und schafft bis Ende Juni fast 80 Prozent; Deutschland, die Niederlande oder Schweden können immer noch über 60 Prozent vollimmunisieren.

Von den 27 EU-Ländern landen wir mit unseren knapp 51 Prozent auf Platz 22 – und reihen uns damit auch bei der Impfstoffmenge unter den "frugalsten" Ländern ein, knapp vor Bulgarien, Estland, Kroatien, der Slowakei und Tschechien. Aber vielleicht reißt uns ja Sputnik V heraus.

Offen, wie viel von Johnson & Johnson kommt

Die Kurz-Kalkulation, dass jeder Interessierte in Österreich bis Mitte Juli zumindest den Erststich erhält, dürfte sich demnach also gut ausgehen: Denn nicht alle notwendigen Zweitstiche müssen auch bis Mitte Juli erfolgen – sofern die maximale Frist zwischen den beiden Impfungen nach diesem Zeitpunkt liegt. Dazu kommt, dass der neu zugelassene Impfstoff von Johnson & Johnson nur eine Impfung zur Immunisierung benötigt.

Nur: Bisher ist von den insgesamt von Österreich bestellten 2,5 Millionen Dosen von Johnson & Johnson, die bis Jahresende kommen sollen, natürlich noch keine Spur. Im Gegenteil: Bis Ende April werden davon laut Dashboard des Gesundheitsministeriums nur 16.800 Dosen geliefert. In der Vergangenheit blieben die Hersteller nicht immer bei dem, was sie zugesagt hatten.

Bisherige Zuverlässigkeit mit Lieferungen

Die bisherige Impfkampagne hat gezeigt, dass Voraussagen der türkis-grünen Regierung teilweise ordentlich danebenlagen. Hauptverantwortlich dafür waren nicht eingehaltene Liefertermine von Astra Zeneca, auf dessen Impfstoff die Regierung besonders gesetzt hatte.

Rückblick: Am 21. Dezember 2020 erhielt Comirnaty von Biontech/Pfizer als erster Impfstoff eine bedingte Genehmigung von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). An diesem Tag veröffentlichte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) eine erste Liefervorschau: Bis zum Ende des ersten Quartals, also Ende März 2021, sollten demnach

  • 1 Million Dosen von Biontech/Pfizer,
  • 200.000 Dosen von Moderna und
  • 1,2 Millionen Dosen von Astra Zeneca

nach Österreich geliefert werden. Insgesamt sollten also per Ende März rund 2,4 Millionen Impfdosen verfügbar sein. Zu diesem Zeitpunkt gab es in der EU weder für Astra Zeneca noch für Moderna eine Marktzulassung – und noch keine Informationen zu möglichen Lieferverzögerungen bei Astra Zeneca.

Nur zwei statt 2,4 Millionen Impfdosen im ersten Quartal

Die Realität wich dann gehörig von Anschobers Rechnung ab. Statt 1,2 Millionen Dosen lieferte Astra Zeneca bis Ende des ersten Quartals nur die Hälfte nach Österreich. Konkret waren es bis zum Ende der Kalenderwoche 14 (4. April) 607.200 Impfdosen. Moderna lieferte verlässlich die angepeilte Menge: Es waren in der Abrechnung für Q1 genau 196.800 Impfdosen. Und Biontech/Pfizer übererfüllte sogar Anschobers Prognose vom 21. Dezember: Der Konzern lieferte bis dato 1.229.085 Impfdosen nach Österreich.

Statt der von Anschober prognostizierten 2,4 Millionen Impfdosen im ersten Quartal waren es laut Dashboard des Gesundheitsministeriums wegen der Astra-Zeneca-Misere dennoch nur rund zwei Millionen. Dazu kommen aber auch hausgemachte Probleme durch den Bund: Österreich hat nicht alle Biontech/Pfizer-Kontingente genommen, die dem Land via EU-Verteilmechanismus angeboten wurden. (David Krutzler, Gabriele Scherndl, Klaus Taschwer, 7.4.2021)