Es ist, als ob das Land die wintermüden Glieder streckte: Die Landwirte bringen die Gülle vieler Monate verlässlich auf Hain und Flur aus.

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Zu Ostern fährt nicht nur den hauptamtlichen Hasen, sondern auch uns Menschen ein belebendes Gefühl der Unrast in die Glieder. Der warme Wind ferner Tundren ergießt sich dann wie ein Segen über die Ausläufer des Wienerwaldes.

Der mindestens vierte Lockdown der Saison hat aus uns Ösis wiederum ein einig‘ Volk von Wanderern gemacht. Wenn nicht gerade General Winter, ergrimmt über so viel unschuldiges Grün, nochmals das Haupt erhebt, herrscht zwischen Breitenfurt und Neulengbach Hochbetrieb.

Es ist, als ob das Land die Glieder streckte: Auf den Straßen führen die Bauern in Blechtanks ihre gehaltvolle Gülle aus. Die Winterlosung der Milchkühe wird, schön verdickt, gleichmäßig über Hain und Flur verteilt. Fortan riecht alles nach würzigem Stoffwechsel: die Fahrradhosen aus Silikon. Die Leintücher auf der Leine. Der struppige Hund. Sogar im Partykeller, in dem Papa mit Plastiksoldaten die Schlacht von Borodino nachgestellt hat, hängen Miasmen von Düngerduft.

Als kleiner, molliger Babyboomer durfte ich Frühlingswanderungen an der Hand morscher Ruftanten absolvieren. Diese unerschrockenen Damen waren in der Regel verwitwet. Ihre Beine, blickdicht verpackt, ließen deutliche Abnützungserscheinungen erkennen.

Lockruf des Strudels

Ausflüge mit einer Ruftante führten unweigerlich in den Lainzer Tiergarten. Dabei ging es den Beteiligten nicht so sehr um das Zurücklegen bedeutender Wegstrecken; im Mittelpunkt stand das frühzeitige Erreichen der Jausenstation. Das Zauberwort in den genäschigen Tagen der Ära Kreisky lautete: "Mülli-Rahmstrudel"! Um seinetwillen bewegten sich die Tanten widerwillig, wie rostige Tanks, durch die Gegend: Kettenfahrzeuge aus dem WW I.

Mein Vater lehnte Wanderausflüge kategorisch ab. Seine Begründung lautete: Er habe als Wehrmachtssoldat ganz Europa auf Schusters Rappen durchquert. Sein Besinnungsort blieb fortan der Schreibtisch. Viel später verstand ich, dass er sich seiner jugendlichen Gewaltmärsche schämte. (Ronald Pohl, 7.4.2021)