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Aus den Chats, die Öbag-Chef Thomas Schmid mit diversen Vertrauten und befreundeten türkisen Politikern geführt hat, erschließt sich unter anderem auch, wie sehr der einstige Kabinettschef und Generalsekretär im Finanzministerium (Öbag-Chef wurde er Ende März 2019) in seinen Jobs aufgegangen ist. Die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben dürften fließend gewesen sein.

Privatführung durch Dichands Kunstsammlung

So besuchten am 18. Jänner 2018 ein paar Leute aus dem Finanzministerium den Philharmonikerball – auch Schmid dürfte dabei gewesen sein. Jedenfalls davor: bei einem "kleinen Minicocktail", zu dem "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand und ihr Mann, "Krone"-Chef und -Miteigner Christoph Dichand, gebeten hatten. Auch schöne Gemälde waren da zu sehen, wie sich aus der Einladung erschließt, denn eine "kleine Führung durch die Kunstsammlung" war laut Eva Dichands Nachricht inbegriffen. Schmid bat seine Assistentin hinsichtlich des Termins: "Bitte eintragen."

Die Dichands kannte Schmid natürlich schon länger, dem Vernehmen nach war man einander in Wohlwollen zugetan. Eva Dichand war ja auch in jene Gruppe von Unternehmern eingebunden, die sich um von der türkis-blauen Regierung unter Sebastian Kurz geplante (dann aber nicht umgesetzte) Änderungen im Privatstiftungsrecht bemühte.

Opernbesuch mit Wolfgang Schüssel

Natürlich sprach auch das Finanzministerium dann und wann Einladungen aus, etwa für den 24. März 2018. Da ließ Schmid eine Mitarbeiterin die Loge des Finanzministeriums in der Wiener Staatsoper reservieren, auf dem Spielplan stand die Premiere der von Josef Ernst Köpplinger gestalteten Neuinszenierung von Gottfried von Einems Revolutionsoper "Dantons Tod" – die finnische Stardirigentin Susanna Mälkki gab ihr Staatsoperndebüt.

Eingeladen wurde Exbundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), die anderen Gäste, darunter offenbar zumindest ein Aufsichtsratsmitglied aus der Verstaatlichtenholding, mussten "ihre Opernkarten aber alle selber zahlen", wie Schmid anordnete. Bei der Presse stieß die Aufführung auf viel Anklang – wie es Schmid gefallen hat, lässt sich aus den Chats nicht eruieren.

"Kurz pennt nie"

Arbeiten rund um die Uhr, das war in der Zeit der türkis-blauen Regierung gang und gäbe, jedenfalls aufseiten der Kanzlerpartei ÖVP. Als im März 2018 das Rauchverbot für Restaurants und andere Lokale ausverhandelt wurde, schien selbst Vielarbeiter Schmid darunter zu leiden: "Seit 2 Uhr morgens bombardiert mich Kurz wegen der Raucher", schrieb er an eine Mitarbeiterin und konstatierte knapp: "Der pennt nie."

Dem Rauchverbot war ja ein erbitterter Streit der Türkisen mit der FPÖ vorausgegangen. Diverse Streitigkeiten nahmen dann bis zum Bekanntwerden des Ibiza-Videos überhaupt zu, wie aus einem Gruppenchat zwischen Kanzler Sebastian Kurz, Kanzleramtsminister Gernot Blümel (beide ÖVP) und auf FPÖ-Seite Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer abzulesen ist, Strache und Kurz warfen einander Wortbrüchigkeit und unehrliches Spiel vor.

Rote Stuhlproben

Manchmal blitzte aber sogar ein wenig sarkastische Bewunderung hervor, etwa wenn es um den Informationsstand der Freiheitlichen zu SPÖ-Interna ging. "Aha … Was du immer an Infos auftreibst :)", schrieb Kurz im Februar 2019 an Strache, nachdem dieser der Gruppe von einem "vertraulichen Meinungsaustausch in kleiner besorgter Runde" unter Leitung von Altkanzler Franz Vranitzky berichtet hatte und sogar wusste, dass die "Rendis" (Pamela Rendi-Wagner und ihr Mann) um eine halbe Stunde nach Beginn zum "hochkarätigen Essen" dazugestoßen waren. Blümel hatte dazu folgende Frage an den Vizekanzler: "Hast du auch Stuhlproben?" Straches belustigte Antwort: "Besorge ich :)"

Hohes Gehalt für 19-jährigen Blauen

Auch Geld spielt in den Chats von Thomas Schmid, die die WKStA ausgewertet und dem parlamentarischen U-Ausschuss zum Thema Ibiza übermittelt hat, immer wieder eine Rolle. Da ging es vor allem um Gagen – und zwar solche, die dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium zu hoch erschienen, jedenfalls wenn es um Mitarbeiter auf blauer Regierungsseite ging.

So sollte ein damals 19-Jähriger im Bereich des blauen Staatssekretariats im Finanzministerium unter Hubert Fuchs als Vertragsbediensteter einer bestimmten Dienstgruppe mit "maximalem Entgelt" – und zwar einem Akademikergehalt von "knapp 6000 Euro brutto" – angestellt werden, wie Schmids Mitarbeiterin ihrem Chef mitteilte. Schmid, ohne dessen Okay das nicht ging, kommentierte das zunächst mit einem "Sicher nicht", später meinte er, er wolle sich das noch ansehen.

Der Anwalt von Hubert Fuchs sagt dazu: "Die Einstufung der Mitarbeiter erfolgt nach dem Vertragsbedienstetengesetz 1948 – VBG und wird / wurde von der zuständigen Abteilung des BMF jeweils geprüft. Es existieren Sonderregelungen für Kabinettsmitarbeiter, wobei Referenten üblicherweise ab v1/3 entlohnt werden. Einen akademischen Abschluss sieht das Gesetz als Voraussetzung für die Einstufung in v1/3 bzw. für eine Referententätigkeit in einem Kabinett nicht vor, ganz im Gegenteil sind immer wieder Personen auch ohne akademischen Abschluss als Referenten in Kabinetten tätig." Zu den Chats: "Die Wendung "Akademiker-Stelle" sowie das kolportiere Gehalt dürften in fachlicher Unkenntnis um die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen Eingang in den Chatverkehr gefunden haben."

"So eine Kacke! Echt!"

Um Geld ging es natürlich auch, als Schmid dann zum Öbag-Alleinvorstand bestellt wurde. Kurz vor seinem Amtsantritt in der Verstaatlichtenholding Ende März 2019 thematisierte er mit einem Mitarbeiter, der mit ihm in die Öbag übersiedelte, dessen künftiges Einkommen. Man verglich es mit Schmids Einkommen 2005, rechnete und alberte herum ("Überbezahlt", meinte der Mitarbeiter, "Oida" sein Chef). Letztlich bedankte sich der Mitarbeiter aber bei Schmid "für alles", der sich im Gegenzug mit einem "Mag dich ja. Bist so richtig ehrlich" revanchierte.

Und das, obwohl dem Mitarbeiter gleich am 1. April 2019 – es ging um potenzielle Kandidaten für Posten in OMV-Organen – fast ein Fehler unterlaufen wäre, wenn Schmid nicht so gut aufgepasst hätte. Ein Headhunter hatte Schmid offenbar Infos zu einem Manager vorgestellt, der Mitarbeiter sollte nun "schnell" eine "tabellarische SMS" schicken, wer das sei und was der könne, denn er, Schmid, müsse OMV-Chef Rainer Seele informieren.

Der Mitarbeiter lieferte das Gewünschte (es ging um einen Nichtösterreicher) und klärte Schmid auf dessen Nachfrage "Was ist der Vorname und was der Nachname" auch darüber auf. "Das ist wohl ein Witz", reagierte der, denn der Mann sei "ja 100". Nach längerem Hin und Her ("Du schreibst den Shit", so Schmid; "Es steht so auf Wikipedia", so der Mitarbeiter) stellte sich heraus, dass es um den Sohn des Mannes ging, der doch wesentlich jünger war. Schmid, der frischgekürte Öbag-Chef, reagierte verärgert: "Was soll das. So geht das gar nicht, im Ernst (…) So eine Kacke. Echt! Bin sauer!"

Hilfe bei Leiner/Kika-Deal mit Benko: "Ich bin tot"

Als Schmid noch im Finanzministerium tätig war, hat er offenbar das eine oder andere Mal auch Staatsbürgern geholfen. Nicht immer dürfte es ihn aber gefreut haben, dass das bekannt wurde – so geschehen im Juni 2018. Da berichtete "Trend" Genaueres zur Übernahme des vor der Insolvenz stehenden Möbelhändlers Leiner/Kika durch die Signa Holding von Immobilieninvestor René Benko, die im Dezember 2017 in letzter Minute gelungen war.

Damals war schon bekannt geworden, dass Kanzler Sebastian Kurz sehr an dieser (Arbeitsplatz-)Rettung gelegen war, auch Beraterin Gabriele Spiegelfeld war informiert. "Trend" brachte nun Details wie jenes, dass Schmid (er wanderte im Dezember 2017 gerade auf dem Berg Athos) ebendort eine Messe verlassen habe, weil Kanzler Kurz ihn wegen der Kika/Leiner-Sache anrief. Schmid habe sich in die Sache rund um insolvenzrechtliche Fristen eingebracht, so "Trend". Laut STANDARD-Informationen wartete das zuständige Insolvenzgericht in Wien-Landstraße am damaligen Freitag bis 16 Uhr ab, ob es noch tätig werden müsse.

Ein Mitarbeiter schickte seinem Chef den "Trend"-Artikel weiter, Schmids Kommentar fiel explizit aus: "Scheisse. Das ist nicht gut. (…) Ich bin tot", meinte er – vielleicht in Hinblick auf den von ihm angepeilten Chefposten in der Verstaaatlichtenholding. Die WKStA interpretiert seine Reaktion laut dem U-Ausschuss vorgelegten Unterlagen so: Schmid "zeigt sich wohl besorgt ob seiner politischen Zukunft aufgrund der öffentlich gewordenen Einflussnahme".

Die Leiner-Übernahme durch Signa war auch im U-Ausschuss Thema, dort sagte Benko auf die Frage von Stephanie Krisper (Neos), ob Benko mit Thomas Schmid – man kannte einander ganz gut – im Vorfeld über den Kauf gesprochen habe, so: "Hätte ich jetzt auch keine Erinnerung dazu."

Manchmal jedenfalls half das Finanzministerium unter Schmid auch mit Kleinigkeiten aus. Im März 2018 etwa, nach einer Reise Schmids nach Kairo, wo sich offenbar Engpässe bei den Kaffeevorräten aufgetan hatten. Schmids Büro half – und schickte Nespresso-Kapseln. Sollte erledigt sein, beruhigte Schmids Mitarbeiterin ihren Chef, dem das ziemlich wichtig gewesen sein dürfte: "Wehe nicht! Dann reißen wir ihnen den Kopf ab!" (Renate Graber, Fabian Schmid, 6.4.2021)