Einer der dauerhaftesten Gemeinplätze über den Nahen Osten lautet, dass das Königreich Jordanien immer schon ein Hort der Stabilität in einer unruhigen Region war und dies immer noch ist, ein unverrückbarer Fels inmitten der Brandung. Ein genauerer Blick auf die Geschichte des vor hundert Jahren als Emirat Transjordanien von den Briten gegründeten Staats, dessen erster Herrscher, bereits als König, 1951 ermordet wurde, relativiert diese Behauptung zwar etwas. Aber im Vergleich mit Nachbarn wie dem Irak und Syrien, wo Umstürze, Kriege, externe Militärinterventionen aufeinander folgen, ist die Kontinuität und Verlässlichkeit Jordaniens, das als zweiter arabischer Staat überhaupt 1994 mit Israel Frieden geschlossen hat, ohne Zweifel ein ganz eigener Wert.

König Abdullah kann auf den Effekt hoffen, dass sich in Zeiten der Krise alle hinter der Fahne scharen.
Foto: imago images/Christian Spicker

Umso überraschender kamen die Nachrichten am Wochenende: Von häufigen Demonstrationen gegen die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse hatte man gehört, auch von den unzufriedenen Stämmen, die mit dem Königshaus ein paar Rechnungen offen hatten. Aber eine Verschwörung, in die auch Mitglieder der Königsfamilie, sogar ein ehemaliger Kronprinz, in dessen Haus der Generalstabschef aufmarschiert, verwickelt sein sollen? Nicht in Jordanien.

Loyalitätserklärung

Dem Skandal am Wochenende – Prinz Hamza in Hausarrest wettert in einem Video gegen den König, seine Mutter, die allseits beliebte Königin Noor, eilt ihm auf Twitter zu Hilfe – folgte am Montagabend der Versuch von oben, die Dynamik zu stoppen: Der Onkel, Prinz Hassan, wird vorgeschickt, der unbotmäßige Prinz unterzeichnet eine Loyalitätserklärung. Der Schaden ist dennoch groß, die Anklagen des Prinzen, der von Korruption und Inkompetenz der Führung sprach, dürfen nun zwar nicht mehr in Jordanien verbreitet werden, sie sind aber in der Welt.

König Abdullah kann auf den Effekt hoffen, dass sich in Zeiten der Krise alle hinter der Fahne scharen. Er kann darauf zählen, dass seine externen politischen Partner, die ihn nicht immer pfleglich behandeln – wie Israel, das ihn angesichts seiner neuen Freunde in der Region links liegen ließ –, die jordanische Stabilität nicht mehr als gottgegeben ansehen. Aber das Image ist beschädigt.

Es gibt viele offene Fragen, die die Spekulationen anheizen werden. Worin bestand die "Verschwörung" – hatte sie auch einen militärischen Muskel? Hatte Prinz Hamza tatsächlich den Schritt von der Kritik zur Aktion gegen den König gemacht – oder nützte dieser eine günstige Gelegenheit, ihn aus dem Verkehr zu ziehen? Viele Jordanier mögen nicht glauben, dass der beliebte Prinz gemeinsame Sache mit dem als korrupt geltenden Bassem Awadallah, neben Hamza der prominenteste Verhaftete, machte. Und dann wird auch noch der saudische Außenminister nach Amman geschickt, um, wie es heißt, Awadallah freizubekommen. So schnell wird keine Ruhe einziehen, auch wenn man sie verordnet. Das bringt die Gefahr mit sich, dass sich Jordanien noch mehr als jetzt schon von einem Reform- zu einem Sicherheitsstaat entwickelt. (Gudrun Harrer, 6.4.2021)