Die 1948 gegründete Weltgesundheitsorganisation (WHO) legte 1954 den 7. April als Weltgesundheitstag fest. Genau an diesem Tag fordern Ärzte wie Heinz Fuchsig, vom Referat für Umweltschutz der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK) oder Hanns Moshammer von der Med. Uni Wien, gemeinsam mit Parants for Future das Ende des Dieselprivilegs. "Dieselruß ist immer noch einer der Hauptursachen für Luftverschmutzung, insbesondere auch in Österreich. Er fördert Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems bei Erwachsenen, Lungenkrankheiten bei Kindern und er ist nachweislich krebserregend", begründen sie ihr Anliegen.

Gefährlicher Dieselruß

"Ultrafeine Partikel aus dem Dieselruß wandern bei Schwangeren über die Plazenta in den Embryo und erhöhen nachweislich die Anzahl an Fehlgeburten", erklärt Heinz Fuchsig. Eine aktuelle Studie des Schweizer Paul-Scherrer-Instituts (PSI) zeige zudem, dass in Feinstaubpartikeln weit mehr lungenschädigende Radikale gebildet werden als bisher angenommen. Dies könnte nach Ansicht von Heinz Fuchsig "eine weitere wichtige Erklärung dafür liefern, warum so viele Menschen scheinbar ohne konkreten Anlass chronische Atemwegserkrankungen oder Lungenkrebs bekommen."

Mehr Lkw-Verkehr, mehr Dieselruß, Schäden für Gesundheit und Umwelt sind Folgen des Dieselprivilegs.
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Das Dieselprivileg ist nur ein wenig älter als der Weltgesundheitstag und stammt aus einer Zeit, in der es noch hieß: "Wo es viel raucht, da geht es den Leuten gut." Damals waren qualende Schlote ein Zeichen dafür, dass die Fabriken ausgelastet waren, die Menschen Arbeit hatten und das Wirtschaftswunder Anlauf nahm. Vor dem Hintergrund ist schnell klar, warum man damals Diesel lieber geringer besteuerte als das Benzin. Das Dieselprivileg war quasi erfunden.

Heinz Fuchsig sieht im Dieselruß einen Krankmacher.
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Der Diesel hatte eine entscheidende Rolle für das Wirtschaftswunder. Er war der Treibstoff der Arbeitsmaschinen. Bauern betrieben damit ihre Traktoren, Lastkraftwagen fuhren damit und Baumaschinen liefen damit. Auf der anderen Seite, also auf der es galt, das Wirtschaftswunder auszukosten, stand das Benzin, das erst Motorräder und Mopeds, bald aber auch immer häufiger Personenkraftwagen antrieb.

Obwohl, der erste Diesel-Pkw kam schon 1936 auf den Markt. Doch bis zum Diesel-Boom bei den Pkw sollte es noch dauern, bis moderne Turbo-Diesel das Feld eroberten.

Die Kombination aus viel Drehmoment, ausreichend Leistung, geringerem Verbrauch als bei ein vergleichbaren Benziner und der günstigere Treibstoff ließen die Kunden umdenken. Für den Erfolg der Dieselautos spielte also auch das Dieselprivileg eine wichtige Rolle – und führte sich so selbst ad absurdum, wie Autogegner meinen.

Der erste Diesel-Pkw kam schon 1936 auf den Markt. Doch bis zum Diesel-Boom bei den Pkw sollte es noch dauern.
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Seit dem Aufkommen des Dieselskandals mehren sich die Stimmen gegen den Diesel und dessen steuerliche Begünstigung. Die Verkäufe an Diesel-Pkw gehen inzwischen stärker zurück als der Gesamtmarkt. Das Image ist angekratzt.

Doch mit mehr als 2,7 Millionen Stück liegt der Anteil der Diesel-Pkw in Österreich immer noch bei über 54 Prozent – der Bestand ging von 2019 auf 2020 um 0,4 Prozent zurück. Zum Vergleich: Der Anteil an reinen E-Autos lag Ende 2020 bei noch knapp unter einem Prozent.

Zulassungsrückgänge

Deutlicher sind die Veränderungen bei den Neuzulassungen. 2020 wurden in Österreich 90.909 Diesel-Pkw neu zugelassen. Das waren um 28 Prozent weniger als 2019 – der Anteil der Benziner ging um fast 40 Prozent zurück – während der Gesamtmarkt wegen der Coronakrise um 24,5 Prozent nachgab. Zuwächse gab es bei E-Autos und Hybriden.

Hans Moshammer fordert: "Dieselprivileg abschaffen."
Foto: Wilke

Das geht den Diesel-Kritikern aber nicht schnell genug und sie fürchten sogar negative Folgen: "Da in der Corona-Krise Autokäufe zurückgingen, muss bei einer Entspannung der Krise mit zahlreichen Autoneukäufen gerechnet werden", gibt Marion Jaros von Parents for Future zu bedenken. "Eine vorherige Beseitigung des ungerechtfertigten Steuernachlasses bei Diesel gegenüber Benzin wäre zugleich ein wichtiges Preissignal, um den nötigen Umstieg auf Elektroautos schneller voranzutreiben."

Seit Jahren wettert der Verkehrsclub Österreich gegen das Dieselprivileg. Erfolglos. Noch im Jänner erklärte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), dass sie zwar "tabulos" über das Dieselprivileg diskutieren wolle, sich an der steuerlichen Begünstigung aber nichts ändern werde. Sie wolle lieber an einem höheren Anteil von beigemischten, alternativen Treibstoffen arbeiten. Eine Lösung ist das für die Kritiker keine. Ganz im Gegenteil. Statt Lebensmittel zu Treibstoffen zu verarbeiten, will man wo anders ansetzen.

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"Laut einer aktuellen Angabe des Umweltbundesamtes sind immer noch rund 40 Prozent der Schwerfahrzeuge auf Österreichs Straßen ohne wirksame Partikelfilter unterwegs", sagt Heinz Fuchsig. Sein Plan – und der seiner Mitstreiter – lautet daher, dass ein Teil der staatlichen Mehreinnahmen, die durch die Abschaffung des Dieselprivilegs anfallen, für die konsequentere Ausrüstung von Lastkraftwagen und Baumaschinen mit Partikelfiltern eingesetzt werden müsse.

Von wie viel Geld da am Ende die Rede ist, lässt sich schwer abschätzen. Würde das Dieselprivileg in Österreich fallen, würde der Preis pro Liter um 8,5 Cent steigen. 2020 hätte das in Summe fast 600 Millionen Euro ausgemacht, rechnete der VCÖ aus. Doch würde der Diesel in Österreich teurer werden, würde der Tanktourismus zurückgehen – dessen Einnahmen ebenfalls bei 400 bis 600 Millionen Euro geschätzt werden. Kommt hinzu: Im Tanktourismus sehen Kritiker auch einen Grund für erhöhten Lkw-Verkehr in Österreich – geschätzt sind das 300.000 Lkw im Jahr am Brenner.

Die staatlichen Mehreinnahmen, die durch die Abschaffung des Dieselprivilegs anfallen würden, könnte man zur konsequenteren Ausrüstung von Lastkraftwagen und Baumaschinen mit Partikelfiltern nutzen, lautet ein Vorschlag.
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"Die Lebenserwartung heutiger Kleinkinder reicht bis 2100. Unsere Kinder leiden bereits unter der Corona-Krise. Wenn wir die Klimakrise entgleisen lassen, sind ihre Zukunftsaussichten desaströs", sagt Hanns Moshammer. "Bereits 2019 forderte ein hochkarätiges Wissenschaftsgremium im Referenzplan für die Nationale Energie- und Klimapolitik die Politik dazu auf, klimaschädliche Subventionen rasch abzuschaffen. Das Ende des Dieselprivilegs wäre ein wichtiger, erster Schritt mit gesundheitlichem Mehrwert."

Außerdem könne so rasch zum Klimaschutz beigetragen werden, sind sich die Aktivisten sicher, denn "der CO2-Ausstoß von Diesel pro Liter ist um 13 Prozent höher als jener von Benzin. Die Treibhauswirkung von Ruß in der Atmosphäre ist gleich nach CO2 und Methan die nächstrelevante."

NoVA-Blockade

Und während sich die einen um die Abschaffung des Dieselprivilegs abmühen, freuen sich die anderen, weil im Bundesrat die für 1. Juli angedachte NoVA-Erhöhung und NoVA-Einführung für Klein-Lkw durch eine Blockade um zumindest acht Wochen verschoben wurde. So wie Burkhard Ernst, Obmann des Wiener Fahrzeughandels. "Durch die Erhöhung der NovA wäre die Hälfte aller neuen Pkw teurer geworden." Das hätte die Automobilwirtschaft und Wirtschaftstreibende betroffen, zu weniger Neuwagenkäufen und zu teureren Transporten geführt. Letzteres fürchten auch Dieselprivileg-Befürworter. Doch solange wir Waren und Tiere um die halbe Welt transportieren, nur weil Arbeitsschritte wo anders günstiger sind, fehlt diesem Argument am Ende doch der Zahn. (Guido Gluschitsch, 7.4.2021)