Die fünf Ringe.

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Peking/Washington – Das Machtwort kam am Mittwoch von höchster Stelle – aus dem Weißen Haus. Die USA werden die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking nicht boykottieren. "Wir haben nicht und werden auch nicht irgendeinen Boykott mit Verbündeten und Partnern diskutieren", teilte Jen Psaki, die Pressesprecherin von US-Präsident Joe Biden, mit. Ein Thema wurde beendet, das offenbar gar keines war.

Hin und Her

Für den Auslöser der Wirrungen hatte am Dienstag Ned Price gesorgt. Der Sprecher des US-Außenministeriums bestätigte, aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in China gemeinsam mit anderen Nationen über ein Fernbleiben von den Spielen (4. bis 20. Februar) nachdenken zu wollen. Es dauerte keine 24 Stunden bis zur Antwort aus Peking.

Das chinesische Außenministerium ließ am Mittwoch mitteilen, "dass es gegen die Olympische Charta geht, den Sport zu politisieren." Gleichzeitig sagte Sprecher Zhao Lijian, die Amerikaner hätten ihre Aussagen später erläutert und klargemacht, dass sie keinen Boykott anstreben. Ähnlich formulierte es das US-Außenministerium in einem Statement an den TV-Sender CNBC. Für endgültige Klarheit sorgte dann Jen Psaki.

Die Einlassung von Ned Price zeigte auf, wie fragil die politische und sportpolitische Gemengelage ist. Emotionen kochten hoch. Der Olympia-Gastgeber China reagierte stinksauer und vermutete politische Motive.

Vorwürfe

Besonders die Verfolgung der Uiguren, einer muslimischen Minderheit, in der Region Xinjiang war immer wieder Anlass für Boykott-Forderungen. Die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong durch China ist der freien Welt ebenfalls ein Dorn im Auge.

Price sprach im Fall Xinjiang von "Genozid". Er betonte aber auch, dass ein gemeinsames Vorgehen mit Verbündeten "mehr Einfluss auf Peking" habe als ein Alleingang der USA. Zhao bezeichnete den Vorwurf des Völkermords als "die Lüge des Jahrhunderts – von vorne bis hinten".

IOC dagegen, ÖOC ohne Kommentar

Gegen einen Boykott hatte sich am Mittwoch auch das Nationale und Paralympische Komitee der USA USOPC ausgesprochen. "Wir vom USOPC lehnen Athleten-Boykotte ab, weil es gezeigt hat, dass sie sich negativ auf die Sportler auswirken, ohne globale Probleme effektiv anzugehen", sagte USOPC-Präsidentin Susanne Lyons anlässlich eines Medientermins des US-Olympiateams.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte im März deutlich gemacht, was es von einem Boykott hält, als Präsident Thomas Bach einen solchen in den ARD-Tagesthemen als "falsche Antwort auf solche Fragen" bezeichnete. Das Österreichische Olympische Comité äußerte sich bislang nicht zur politischen Lage in China.

Boykotts der Vergangenheit

Olympia-Boykotts kamen in der Vergangenheit bereits vor. Die Sommerspiele 1980 in Moskau wurden von den USA wegen des Afghanistan-Einmarschs der Sowjetunion boykottiert. Vier Jahre später war der Ostblock den Spielen in Los Angeles ferngeblieben.

Bereits vor den Sommerspielen vor 13 Jahren in Peking hatte der Konflikt um Tibet für Aufregung gesorgt, zu Sanktionen oder gar einem Boykott hatte sich die internationale Gemeinschaft jedoch nicht durchringen können. Im Dezember schrieb die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem offenen Brief an Bach: "Die Spiele 2022 werden unter Menschenrechtsbedingungen stattfinden, die signifikant schlechter sind als bei den Spielen in Peking 2008." (sid, red, 7.4.2021)