Um in der Arktis zu überleben, braucht es jede Menge Kalorien. Das gilt ganz besonders für eines der größen Raubtiere der Erde, den Eisbären. Ihre fettreiche Beute, hauptsächlich Robben, erlegten die Bären bisher meist auf dem Packeis. Doch nachdem ihnen dieses allmählich unter den Tatzen wegschmilzt, sind die Spitzenprädatoren immer häufiger gezwungen, auf andere Nahrungsquellen auszuweichen. Dazu zählen auch Vogelkolonien und ihre Gelege. Ausgesprochen effiziente Eierdiebe sind die Eisbären allerdings nicht, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Dass Vogeleier überhaupt auf dem Speiseplan von Eisbären stehen, ist bereits seit Jahrzehnten bekannt, allerdings wurde nur anekdotisch davon berichtet. Seit einiger Zeit häufen sich derartige Beobachtungen aber. So beschrieb etwa ein Team um den Freiburger Biologen Benoit Sittler schon 2015, dass die Raubtiere etwa in bestimmten Regionen Grönlands oder auf Spitzbergen zunehmend Nester von Gänsen und Enten plündern.

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Ein wagemutiger Eisbär auf der russischen Insel Nowaja Semlja hat es auf Seevögeleier abgesehen.
Foto: AP/Jenny E. Ross

Verkürzte Jagdsaison

Eigentlich verbringen diese den Frühling damit, Robben zu jagen, um sich Speck für den Sommer anzufressen. Das rasche Schmelzen der Packeisflächen, von denen die Eisbären ihre Jagden starten, verkürzt diese Saison merklich, so dass sie gezwungen sind, an Land andere Nahrungsquellen aufzutun.

Eine solche Erweiterung der Speiseplans ist für die spezialisierten Räuber aber kein leichtes Unterfangen, wie ein Team um Patrick Jagielski von der kanadischen University of Windsor im Fachjournal "Royal Society Open Science" berichtet. Mit Drohnen beobachtete es, wie Eisbären in der Hudson Bay nach Eiern von Eiderenten suchten. Die Bilder zeigten, dass die Tiere mit Fortschreiten der Brutsaison immer weniger Nester aufsuchten und sich zunehmend für Nester entschieden, die bereits leer waren. Die Forscher vermuten, dass Eisbären nicht in der Lage sind, frühzeitig volle von geplünderten Nestern zu unterscheiden.

Unerfahrene Eierdiebe

Auch nutzten die Bären es nicht aus, wenn sich viele Nester in einem Gebiet befanden – eigentlich hätten die Räuber die Eiersuche dann intensivieren müssen, was sie aber nicht taten. Ein Grund könne die Unerfahrenheit der Eisbären mit dieser Art der Nahrungssuche sein.

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Eisbären ineffiziente Räuber von Seevogel-Eiern sind", fassten die Autoren zusammen. Für die Eiderenten bedeutet dies jedoch nur kurzfristige Entwarnung. Denn die Forscher glauben, dass die Bären dazu lernen und immer erfolgreicher beim Nestplündern werden könnten. "Sollte die Zahl der Bären, die in Eiderentenkolonien auf Nahrungssuche gehen, zunehmen, könnte dies verheerende Folgen für die Eiderentenpopulationen haben und diese Ressource langfristig zunichte machen" , so die Wissenschafter. (red, APA, 11.4.2021)