Der Vorfall ereignete sich auf einer Parkbank in Wien.

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Der "Darmwind" eines Wieners machte vergangenen Juni internationale Schlagzeilen. Sogar die britische BBC berichtete. Die Wiener Polizei hatte den Mann zu einer Geldstrafe von 500 Euro verdonnert, weil er durch das "laute Entweichenlassen eines Darmwindes" den öffentlichen Anstand verletzt habe. Das Landesverwaltungsgericht Wien kürzte die Strafe nun auf 100 Euro, bestätigte die Entscheidung der Polizei aber im Wesentlichen. (LVwG Wien, 11.2.2021, VGW-031/049/13908/2020)

Der Mann hatte gegen die Strafverfügung Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass ihm zwar der Darmwind entfahren sei, dies jedoch nur einen "biologischen Vorgang" darstellte. Außerdem wäre der Darmwind selbst bei einer vorsätzlichen Begehung als zulässige Kritik von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen.

Auch begleitende Umstände relevant

Das Landesverwaltungsgericht führt in seinem Erkenntnis aus, dass sich der Vorfall während einer Identitätsfeststellung in einem Park abspielte. Dabei habe sich der Mann auf einer Parkbank befunden, wobei er das Gesäß anhob und den Darmwind entweichen ließ. Das sei für alle anwesenden Personen gut wahrnehmbar gewesen. Die Freunde des Mannes hätten gelacht und den Vorfall mit Witzen kommentiert.

Laut Verwaltungsgericht komme es bei der Beurteilung, ob eine Anstandsverletzung vorliegt, nicht allein auf den Wortlaut einer Äußerung an, sondern immer auch auf die begleitenden Umstände. Das Grundrecht auf Kommunikationsfreiheit sei zwar nicht auf eine bestimmte Form der Kommunikation begrenzt, jedoch muss einer Aussage auch ein gewisser "kommunikativer Gehalt" innewohnen. Bei "reinen Körperregungen" sei dies aber nicht der Fall, erklärte das Gericht.

Handlung untergrub "staatliche Ordnung"

Selbst wenn man einen Akt der Kommunikation annehmen würde, so wäre der Darmwind dennoch eine "die Grenzen des Anstandes überschreitende Form der Meinungsäußerung". Das Grundrecht der Meinungsfreiheit sei im gegenständlichen Fall als überschritten anzusehen, da die "Handlungsform geeignet erscheint, jedwede staatliche Ordnung völlig zu untergraben und der Lächerlichkeit preiszugeben".

Laut Paul Eberstaller, Universitätsassistent am Juridicum, zeige das Erkenntnis wieder einmal, wie problematisch der Tatbestand der Anstandsverletzung sei. Er diene de facto nur dem Schutz der Polizei, weil in ihrer Gegenwart mehr "Sittlichkeit" gefordert werde. "Wäre in diesem Fall ein Privater 'Opfer' gewesen, würde der öffentliche Anstand nicht verletzt sein. Außerdem würde die Behörde Anzeigen von Privaten wahrscheinlich nicht weiterverfolgen. Gleichzeitig fehlt bei tatsächlichen Problemen oft der Rechtsschutz", sagt Eberstaller.

Die Strafe wurde vom Verwaltungsgericht deshalb von 500 Euro auf 100 Euro gekürzt, weil der Mann keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen hatte und das Verschulden "durchschnittlich" gewesen sei. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Gericht für unzulässig. (Jakob Pflügl, 7.4.2021)