Und wenn es im Schneesturm ist: Im Saarland kann der Kaffee wieder draußen eingenommen werden. Das deutsche Bundesland erlaubt den Besuch von Lokalen mit negativem Test.

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Weit ist Saarbrücken von Berlin entfernt, zwischen den beiden Städten liegen 725 Kilometer. Doch was – aus Berliner Sicht – da unten im kleinsten deutschen Flächenland, an der Grenze zu Frankreich und Luxemburg, gerade passiert, wird auch in der deutschen Hauptstadt sehr aufmerksam verfolgt.

Denn während das restliche Deutschland noch über "Brücken-Lockdown", Verschärfungen und Ausgangsbeschränkungen diskutiert, hat man von all dem im Saarland die Nase voll und macht nun das Gegenteil von Lockdown. Theater, Restaurants, Kinos und Fitnessstudios dürfen wieder öffnen, natürlich unter Auflagen, aber dennoch. Und damit ist das Saarland auf einem neuen Weg.

"Kontaktbeschränkungen alleine können nicht der Königsweg sein. Es muss uns nach einem Jahr Corona-Pandemie mehr einfallen als nur zu schließen und zu beschränken", begründet Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) das Modellprojekt, das nach Ostern angelaufen ist und für einige Verwunderung gesorgt hat.

Denn der 43-jährige Ministerpräsident zählte bisher zur Fraktion der Gestrengen in der Corona-Politik. Das Saarland mit seinen 986.000 Einwohnern regiert er seit 2018, seit seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Generalsekretärin nach Berlin wechselte.

400 Testzentren im Land

Als "Wende-Hans" wird er nun von einigen kritisiert, doch der Regierungschef will trotz der steigenden Zahl von Neuinfektionen an seinem Projekt festhalten: "Hinter diesem Systemwechsel steckt das Ziel, die Pandemie mit weniger Grundrechtseinschränkungen ebenso wirkungsvoll einzudämmen, ohne das Risiko einer gefährlichen Covid-19-Infektion einzugehen."

Grundlage für die neuen Freiheiten ist ein negativer Corona-Schnelltest, den man an einem der 400 Teststationen im ganzen Land machen kann. Wer die Bestätigung in der Hand hat, kann damit dann 24 Stunden lang ins Kino, Theater, Konzerthaus, ins Fitnessstudio oder eine andere Sporteinrichtung.

In Cafés und Restaurants dürfen im Garten oder auf der Terrasse bis zu fünf Menschen aus zwei Haushalten beisammensitzen, wenn sie ihre Daten angeben. Ein negativer Test ist nicht nötig. Treffen sich mehr Gäste, müssen diese allerdings einen negativen Corona-Test vorlegen.

Regeln für Öffnung

Die Lockerungen sollen gelten, solange die Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 liegt. Derzeit beträgt der Wert 74,4, vor zwei Wochen waren es 67,6. Laut Hotel- und Gaststättenverband wollen 60 Prozent der Mitglieder mit Öffnungen zuwarten, weil sich diese wirtschaftlich nicht lohnen oder aus organisatorischen Gründen nicht zu schaffen seien.

Nicht glücklich mit der Strategie ihres Parteifreundes Hans ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie bezeichnet diese als "sehr gewagt". Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisiert: "Wir brauchen nicht wie bei ‚Jugend forscht‘ auszuprobieren, was ich mit ein paar Tests hinbekomme und wie weit ich gehen kann, bevor mir das alles kollabiert".

Tübinger Tagesticket

Ein Kritikpunkt ist, dass mit dem Saarland gleich ein ganzes Bundesland – wenn auch ein kleines – diese Öffnungsschritte geht. In den Beschlüssen von Bund und Ländern ist nämlich von "ausgewählten Regionen" die Rede.

Ein Modellprojekt läuft seit Mitte März in Tübingen (90.000 Einwohner / Baden-Württemberg). Es heißt "Öffnen mit Sicherheit", die Lockerungen basieren, ebenso wie im Saarland, auf negativen Corona-Tests. Man kann sich an neun Stationen testen lassen und dann mit dieser "Eintrittskarte" zum Friseur, in Theater oder Museen gehen. Diese Möglichkeit nutzten auch viele Menschen, die nicht aus der Stadt oder dem Landkreis stammen.

Doch die Zahl der Neuinfektionen stieg und stieg, der Druck auf den Grünen Oberbürgermeister Boris Plamer, das Modellprojekt aufzugeben, ebenfalls. Entschieden wurde nun: Das Projekt läuft weiter, wird aber eingeschränkt.

Nur noch Bewohner des Landkreises Tübingen und Menschen, die dort arbeiten, bekommen das Ticket. Zudem wird die Gastronomie im Außenbereich wieder geschlossen, Abhol- und Lieferdienste sind aber weiterhin möglich.

Merkel ließ am Mittwoch über eine Sprecherin ausrichten, dass sie das Gegenteil von Lockerungen will. Sie plädiert für einen "kurzen, einheitlichen Lockdown". Darüber wird sie mit den Ministerpräsidenten der Länder am 12. April beraten. Einen solchen "Brücken-Lockdown" hat CDU-Chef Armin Laschet vorgeschlagen, CSU-Chef Markus Söder sieht ihn auf seiner Linie. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.4.2021)