Thomas Silberberger freut sich über den positiven Druck.

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Es gibt nur wenige Menschen, die der Commerzialbank irgendwie dankbar sind. Thomas Silberberger, der 47-jährige Trainer der WSG Tirol, zählt zu dieser raren Spezies. Wäre der Bankenskandal um Martin Pucher im Vorjahr nicht aufgeflogen und der SV Mattersburg in Konkurs gegangen, würde sich sein Klub in der Zweiten Liga herumschlagen. Auf Rang zehn oder zwölf, man wird es nie erfahren, die Ziele wären jedenfalls extrem bescheiden gewesen. Wegen Pucher ist der WSG Tirol der Abstieg erspart geblieben, die Rückkehr ins "fußballerische Wachkoma" wurde abgesagt. Am grünen Tisch, nicht auf dem grünen Rasen.

Im April 2021 ist Silberberger bestens gelaunt. Seine Mannschaft ist Teil der Meistergruppe, kann im schlimmsten Fall Sechster werden. Rang drei wäre das Optimum, dann wäre das "Wattener Wunder" perfekt. "Red Bull Salzburg und auch Rapid sind in einer eigenen Klasse, aber danach ist alles möglich." Der Start war furios, der LASK wurde daheim mit 2:0 geschlagen. Am Sonntag wird Sturm Graz besucht, Silberberger sagt: "Wir haben nur einen positiven Druck."

Stefan Köck (46) ist seit 2014 Sportmanager, er kam ein Jahr nach Silberberger zum Verein. Gemeinsam mit Präsidentin Diana Langes. "Wir haben vieles richtig gemacht, aus Fehlern gelernt." Die WSG budgetiert mit nahezu lachhaften 4,5 Millionen Euro, Hauptsponsor Swarovski steigt mit Saisonende aus. Es sind somit rund 700.000 Euro wettzumachen. Langes bleibt privat an Bord und im Amt. Der Konzern musste so handeln, man kann nicht im Stammhaus in Wattens hunderte Leute kündigen und weiterhin in den Fußball investieren. Wird das Wunder noch wunderbarer, könnte man mit Prämien aus der Europa League die Lücke schließen.

Keine Heimat

Die WSG ist quasi heimatlos, das Gernot-Langes-Stadion in Wattens genügt nicht den Ansprüchen der obersten Klasse. Im Innsbrucker Tivoli wurde man nie richtig heimisch. Es waren auch ohne Pandemie meist Geisterspiele. Laut Köck wird an "der Heimkehr" gearbeitet. Denn in Wattens würden "gewiss 3.000 Leute kommen".

Mit den begrenzten Mitteln sind keine großartigen Transfers möglich. Die WSG profitiert nicht zuletzt von Leihspielern. Köck: "Wie steigern den Marktwert von Leuten, die uns nicht gehören." Tobias Anselm (21) gehört dem LASK, der 20-jährige Däne Nikolai Baden Frederiksen wurde von Juventus Turin in Tirol geparkt. Silberberger: "Er kostet uns null Euro." Im Sommer ist Frederiksen weg. Allerdings wird nun vermehrt auf Talente aus der Umgebung gesetzt, Johannes Naschberger (21) ist ein Beispiel.

Über die Grenzen

Für Silberberger war der 31. Mai 2020 ein Schlüsseltag. Schwerer Motorradunfall, linkes Bein total zertrümmert. Nach zehn Tagen saß er wieder auf der Bank, er musste sitzen, eigentlich liegen, denn stehen und gehen war im Gipskorsett nicht möglich. "Ich bin über die Grenzen gegangen, verrückt." Tirol hat damals in erster Linie verloren. Nach einigen Wochen kam die Einsicht. "Ich wurde geerdeter, bodenständiger, habe mich und die Mannschaft neu aufgestellt."

Es wird nicht mehr permanent das System geändert, Silberberger setzt fast stur auf 4-4-2. "Wir bleiben auf dem Weg, biegen nicht ab." Man agiere dynamischer, mutiger, stabiler. "Der Teamspirit und das Selbstvertrauen sind gewachsen." Höhepunkt sei sicher das 3:0 im Grunddurchgang bei Rapid gewesen. "Wir haben sie an einem schlechten Tag erwischt, da war Glück dabei."

Unverträglich

Es ist nicht auszuschließen, dass Wacker Innsbruck aufsteigt. Die haben mehr Tradition, mehr Möglichkeiten, mehr Fan-Zuspruch. Köck weiß nicht, "ob Tirol zwei Klubs in der Bundesliga verträgt. Wenigstens gäbe es Derbys."

Silberberger und Köck ergänzen einander: "Wir sind nicht immer einer Meinung, aber sprechen mit einer Stimme", sagt der Manager. Der Trainer wird sein Team akribisch auf Sturm vorbereiten. "Zügel schleifen lassen, geht nicht. Die Meistergruppe ist kein Spaß." Wie gesagt, man wolle nicht nur Sechster werden. Die WSG ist aktuell Fünfter. Neun Runden stehen an. (Christian Hackl, 8.4.2021)