Vor etwa einem Jahr wurden neue Funde in der bulgarischen Bacho-Kiro-Höhle publik, die mit einem Alter von rund 45.000 Jahren zu den bisher ältesten Überbleibseln moderner Menschen gehören. Unter anderem fielen ihre beeindruckenden Knochen- und Steinwerkzeuge sowie Schmuckstücke auf, die die Menschen beispielsweise aus Höhlenbärenzähnen hergestellt hatten.

Einer der Funde aus der Bacho-Kiro-Höhle in Bulgarien: Ein steinzeitlicher Backenzahn.
Foto: Rosen Spasov, MPI-EVA Leipzig

Nun konnten die menschlichen Überreste – dabei handelt es sich um Zähne und Knochenfragmente – genauer analysiert werden. Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig sequenzierte die Genome von vier Individuen, die zwischen 43.000 und 46.000 Jahre alt sind. Diese verglich man mit der DNA von Menschen, die später in Europa und Asien lebten. Dabei traten einige Gene hervor, welche die Gruppe und ihre Verwandten vererbt haben, wie das Team im Fachblatt "Nature" berichtet.

Nachfahren in Ostasien und Amerika

Die Verteilung dieser Gene unter heutigen Populationen ist überraschend. Denn der genetische Beitrag der "bulgarischen" Steinzeitgruppe konnte vor allem bei Menschen aus Ostasien und auch Amerika nachgewiesen werden, nicht aber in Europa.

Erst vor einem Jahr wurden die Funde der bis zu 46.000 Jahre alten menschlichen Skelettteile von Bacho Kiro publiziert.
Foto: Tsenka Tsanova, MPI-EVA Leipzig

Darüber hinaus weist die Gruppe aus der Höhle sehr lange Abschnitte von Neandertaler-DNA auf, sagt die Anthropologin und Studien-Erstautorin Mateja Hajdinjak vom Leipziger MPI: "Das zeigt, dass diese Individuen Neandertaler-Vorfahren hatten, die etwa fünf bis sieben Generationen zurück in ihren Stammbäumen liegen." In den Genomen moderner Menschen sind die Neandertaler-DNA-Abschnitte mit der Zeit immer kürzer geworden. Mit Ausnahme eines 40.000 Jahre alten Individuums aus Rumänien habe die Bacho-Kiro-Gruppe einen höheren Anteil an Neandertaler-DNA als andere frühe Menschen, die bisher gefunden wurden.

Bewegte Menschheitsgeschichte

Ein fünftes Individuum, das etwa 10.000 Jahre jünger ist, wurde ebenfalls in der Höhle entdeckt und analysiert. Es weist mit seinen genetischen Unterschieden im Vergleich zur älteren Gruppe ebenfalls darauf hin, dass Migrationsbewegungen Teil der Geschichte der frühen modernen Menschen waren.

Der Schädel von Zlatý kůň (Tschechien) dürfte auch mindestens 45.000 Jahre alt sein.
Foto: Marek Jantač

Auch eine zweite Studie ging den ersten modernen Menschen in Europa genetisch auf den Grund: Hier dreht sich alles um einen fossilen Frauenschädel, der mit einem Alter von mehr als 45.000 Jahren in die gleiche Zeitkategorie fällt und in einer Höhle in Tschechien entdeckt wurde. Den Schädel vom Berg Zlatý kůň (deutsch: Goldenes Pferd) in der Nähe der Gemeinde Koněprusy untersuchten ebenfalls Forschende des Leipziger MPI, aber auch des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena und der Universität Tübingen.

Fehldatierung korrigiert

Vor mindestens 24.000 Jahren wurde der Schädel vermutlich durch eine Hyänenart, die damals noch in Zentraleuropa lebte, beschädigt. Die bisherige Datierung ergab aber widersprüchliche Ergebnisse: Man nahm fälschlicherweise ein verhältnismäßig niedriges Alter an, weil der bereits 1950 entdeckte Schädel mit einem Klebstoff aus Rinderknochenleim stabilisiert wurde. Der Kleber hatte daher die Knochenproben verunreinigt. Dieser Fehler wurde nun durch verschiedene DNA-Analysemethoden und Vergleiche behoben, wie das Forschungsteam in der Fachzeitschrift "Nature Ecology & Evolution" schreibt.

Das Genom des Individuums konnte rekonstruiert werden und besitzt ebenfalls lange Neandertal-DNA-Abschnitte. Damit weist es ähnlich wie die bulgarischen Funde auf einen Neandertaler-Vorfahren in nicht allzu ferner Vergangenheit hin.

Aussterben nach Vulkanausbruch

Selbst scheint die Frau von Zlatý kůň allerdings – wie viele andere menschliche Funde aus dieser Zeit – auch keine Ahnin moderner Menschen in Europa oder Asien zu sein. Daher vermutet dieses Forschungsteam, dass die frühen modernen Menschen und Neandertaler in Europa ausstarben. Schuld daran könnte ein Vulkanausbruch vor 39.000 Jahren im heutigen Italien sein, der das globale Klima stark beeinflusste und zu unwirtlichen Lebensumständen beigetragen haben kann. (red, 8.4.2021)