Die Cayman Islands locken nicht nur mit schönen Stränden, sondern auch mit lukrativen Angeboten für Konzerne: Gewinnsteuern gibt es auf der Insel nicht.

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Stellen Sie sich vor, etwas Kreativität und ein Internetzugang würden es Ihnen ermöglichen, die gesamte Einkommensteuer zu ersparen. Dafür müssten Sie online in Irland oder den Niederlanden eine Tochtergesellschaft gründen, eine Art zweites Steuer-Ich, das all Ihr Einkommen verwaltet. Das Geld würden Sie zunächst dorthin überweisen und dann weiterleiten auf ein Konto, welches auf den Bermudas registriert ist. Sie könnten auf die Mittel zugreifen, müssten aber nie etwas versteuern. All das wäre ganz legal.

Für Arbeitnehmer und die absolute Mehrzahl der Unternehmen ist es unmöglich, eine solche Vorstellung zu verwirklichen. Viele multinationale Konzerne können dagegen mit ein paar legalen Tricks ihre Steuerbelastung auf ähnliche Art senken. Sie nutzen dafür ihre Präsenz in vielen Ländern und einladende Regelungen in diversen Steueroasen. Die Gewinne werden verschoben, indem Tochtergesellschaften in Hochsteuerländern hohe Gebühren für Lizenzen oder die Nutzung von Markenrechten in Niedrigsteuerländer verschieben.

Alphabet, der Mutterkonzern von Google, etwa überweist seine in Europa erzielten Gewinne via irische und niederländische Gesellschaften seit Jahren auf die Bermudas. Dort müssen Konzerne keine Gewinnsteuern zahlen. Was auf der nordatlantischen Insel ist? Nichts, aber Google hat das geistige Eigentum hinter seiner Suchmaschine auf eine Gesellschaft mit Sitz in den Bermudas registriert.

Der Konzern hat erklärt, diese Praxis auslaufen lassen zu wollen. Doch das Problem im internationalen Steuerrecht ist von jeher, dass für jedes legale Schlupfloch, das geschlossen wird, sich irgendwo ein anderes findet.

Eine neue Untergrenze

Aber was, wenn sich die gesamte Praxis der Gewinnverschiebung durch eine Veränderung im internationalen Steuersystem zurückdrängen ließe? Genau über eine solche Reform wird derzeit im Rahmen der Industriestaatenorganisation OECD diskutiert, und es sieht so aus, als wäre ein großer Wurf in Reichweite. Der Vorschlag, um den sich alles dreht, ist die Einführung einer globalen Mindeststeuer für Unternehmen. Im Gespräch sind 12,5 Prozent.

So sieht die Idee aus: Multinationale Konzerne können weiterhin ihre Gewinne verschieben. Aber wenn eine Steuerschwelle unterschritten wird, könnte jenes Land, in dem das Unternehmen beheimatet ist, eine Nachforderung erheben. Beispiel: Ein Konzern aus Österreich verlagert Gewinne zu einer Tochtergesellschaft auf den Cayman Islands. Auch dort gibt es keine Gewinnsteuern. Wäre eine globale Mindeststeuer von 12,5 Prozent vereinbart, könnte Österreich den Profit der Tochtergesellschaft mit diesem Satz nachversteuern.

In Europa sind es vor allem Deutschland und Frankreich, die diesen Vorschlag, der schon seit 2018 diskutiert wird, vorantreiben. Nun bekundet die US-Regierung lautstark Interesse. Finanzministerin Janet Yellen sagte diese Woche, die Idee könnte einen 30 Jahre andauernder Steuerwettbewerb nach unten beenden. Das ist symbolisch wertvoll: Ohne die USA als größte Volkswirtschaft der Welt sind große steuerpolitische Reformen kaum umsetzbar.

Aber was genau kann eine Mindeststeuer verändern? "Wird das Konzept ernsthaft umgesetzt und nicht durch Ausnahmeregelungen verwässert, steckt in der Mindeststeuer eine große Chance. Dann wäre es vorbei mit dem Geschäftsmodell der klassischen Steueroasen", sagt Johannes Becker, Ökonom von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Droht die Verwässerung?

Nicht verwässert würde bedeuten, dass die Grundideen hinter dem Vorschlag konsequent umgesetzt werden. So müsste auf die effektive Besteuerung von Unternehmen abgestellt werden. Als Basis dient dafür der Gewinn, der nach Regeln des Handelsrechts errechnet wird. Diese Regeln sind international ähnlich.

Wenn der globale Mindeststeuersatz in einem Land eingehalten oder überschritten wird, erfolgt kein Ausgleich. Das passiert nur dort, wo eine Unterschreitung stattfindet. Für die digitalen Konzerne aus Amerika wie Facebook oder Google blieben bei möglichen Steuernachforderungen die USA zuständig.

Die Einnahmen der Staaten würden durch eine solche Reform steigen, aber in überschaubarem Rahmen: Die OECD rechnet mit einem Plus von 50 bis 100 Milliarden US-Dollar. Das gesamte Aufkommen der Körperschaftsteuer würde um bis zu drei Prozent steigen. Für Österreich geht die OECD etwa von einem plus von 300 Millionen Euro aus – das haben die Experten der Arbeiterkammer auf Basis der Zahlen der Industriestaatenorganisation errechnet.

Hier zeigt sich, dass nur eine überschaubare Gruppe von Konzernen die globale Verflechtung für Gewinnverschiebungen nutzt.

Für den Ökonomen Becker liegt der Clou woanders: Die Mindeststeuer würde den Steuerwettbewerb zwischen den Ländern zurückdrängen. Anstatt Unternehmen über niedrige Steuersätze anlocken zu wollen, müssten Staaten auf klassischere Anreize wie gute Infrastruktur setzen.

Bis Mitte 2021 wollen sich die Industriestaaten und Schwellenländer auf eine Mindeststeuer einigen. Offen sind nicht nur technische Details, sondern auch die Höher der Steuer. Auch zehn Prozent waren im Gespräch. Hindernisse gibt es noch viele. So ist die Frage, ob die Schutzmächte vieler Steueroasen, wie das Vereinigte Königreich, zu dem die Caymans oder Bermuda gehören, mitziehen. Auch Staaten wie Irland und die Niederlande sind große Profiteure des aktuellen Regimes.

"Die OECD muss den Impuls der USA jetzt nutzen um einen möglichst hohen Mindeststeuersatz zu erreichen", sagt Dominik Bernhofer, Steuerexperte der Arbeiterkammer. "Wir dürfen uns beim Mindeststeuersatz nicht an den Steueroasen orientieren."

Warum macht sich Deutschland stark?

Interessant ist übrigens, weshalb sich Deutschland so stark macht hat für die Initiative. Als Teil einer Reform des internationalen Steuerrechts, wird auch darüber diskutiert, die geltenden Prinzipien abzuändern: Derzeit gilt, dass ein Land die Gewinne von Unternehmen dann besteuern kann, wenn der Konzern in dem Staat über eine physische Präsenz verfügt, etwa über einen Produktionsstandort.

Viele Länder verlangen eine Reform und wollen dort besteuern, wo Unternehmen ihre Umsätze erzielen. Für Exportländer wie Deutschland und seine Unternehmen, wäre das nachteilig. Die Mindeststeuer ist für Deutschland eine Möglichkeit, eine Reform in diese Richtung abzuwehren. (András Szigetvari, 8.4.2021)