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Mehr Netto vom Brutto: Diesem Slogan würde wohl jeder Finanzminister zustimmen. Außer es geht um die Fragezeit im U-Ausschuss, wenn man selbst als Auskunftsperson an der Reihe ist. Da schaffte es die ÖVP-Fraktion unter der Führung von Andreas Hanger, viel Brutto zu schinden. Lediglich sechs Minuten konnte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) in der ersten Stunde seines U-Ausschuss-Auftritts befragt werden, die restlichen 54 Minuten gingen für Geschäftsordnungsdebatten drauf. Ein altbekanntes Muster: Solche Störscharmützel wandte die ÖVP auch bei der Befragung von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) oder beim ersten Erscheinen Blümels an.

Damals fiel der Finanzminister mit eklatanten Erinnerungslücken und merkwürdigen Formulierungen auf, etwa: "Ich kann für mich ausschließen, dass ich mich erinnern kann, dass das ein Thema war." Gefragt hatte ihn die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper damals, im Sommer 2020, nach etwaigen Spendenangeboten.

Seither hat sich viel verändert: Blümel ist nun genau wegen eines mutmaßlichen Spendenangebots Beschuldigter im Casinos-Verfahren. Er hatte im Juli 2017 eine Chatnachricht des damaligen Novomatic-Chefs Harald Neumann bekommen, das Ermittler als Bestechungsversuch einstufen – es gilt die Unschuldsvermutung.

Altbekannte Mantras

Sein Status als Beschuldigter im Casinos-Verfahren erlaubt es Blümel, sich im U-Ausschuss bei verfahrensrelevanten Fragen zu entschlagen. Davon machte der Finanzminister auch ausführlich Gebrauch: nicht nur bezüglich des Postenschachers im Casino, sondern auch mit Blick auf die Vorstandswerdung von Blümels Freund Thomas Schmid bei der Öbag. Kurioserweise wollte Blümel auch nicht verraten, wie viele IT-Geräte er benutzt: Die Ermittler hatten bei der Hausdurchsuchung Ladekabel entdeckt, aber keine dazu passenden Geräte.

Blümel wiederholte nur Altbekanntes: etwa dass die ÖVP seit der Obmannschaft von Sebastian Kurz keine Spenden aus der Glücksspielbranche angenommen hat und dass er das auch für mit ihm verbundene Vereine ausschließen könne.

Für die Frage der gemeinhin als peinlich erachteten Chats von oder an Thomas Schmid, die auch Blümel betrafen, hatte man sich in der ÖVP offenbar auf das Wording "salopp" geeinigt. Immer wieder beschrieb Blümel die Nachrichten so; und er gestand auch ein, dass sie "irritierend wirken und Aufregung verursachen" können, wenn sie zeitlich und inhaltlich aus dem Zusammenhang gerissen würden.

L., eine Vertraute und Assistentin von Öbag-Chef Thomas Schmid, entschuldigte sich als einzige der Beteiligten für die Chats: "Heute würde ich auf diese unangebrachte Weise nicht mehr kommunizieren"", sagte L., die sich bei vielen Genannten entschuldigt habe und das auch vor dem Ausschuss noch einmal tun wollte. Insgesamt brachte auch ihre Befragung kaum Neues hervor.

Ärgernisse und Rücktrittsforderungen

Für Ärger bei allen anderen Parteien sorgten Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) und, etwas weniger stark, auch Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl. Dieser ließ einige Fragen nicht zu: Ob sich Blümel mit dem Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek beraten habe, sei "privat", Blümel musste daher nicht antworten. Sobotka drehte einige Fragen ab, etwa Jan Krainers (SPÖ) Nachbohren rund um Chats zwischen Kurz und Schmid, in denen Letzterer beschrieb, wie fertig der Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka nach einem Termin gewesen war. Schipka selbst sagte dazu, in der Kirche sei das Vertrauen zur Regierung "bei vielen, nicht nur Repräsentanten, erschüttert".

Der Ton wurde auch im U-Ausschuss rauer: So stellte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft fest, dass Zahlungen der Novomatic an Sobotkas Alois-Mock-Institut nicht strafbar seien, wenngleich der Konzern wohl auf eine "wohlwollende Behandlung" vonseiten der ÖVP gehofft habe. Für den türkisen Fraktionsführer Andreas Hanger lösten sich damit alle Vorwürfe gegen Sobotka in Luft auf – er richtete daher Rücktrittsforderungen an die Opposition.

In der ZiB2 des ORF erklärte Blümel am Mittwochabend, die zitierten Chatnachrichten seien "aus dem Zusammenhang gerissen" worden. Er schäme sich jedenfalls nicht für diese, verstehe aber die dadurch ausgelöste Irritation.

Der Finanzminister in der "Zeit im Bild 2"
ORF

Erneut verteidigte er die Bestellung Thomas Schmids zum Öbag-Chef: auch SPÖ-nahe Vorstandsmitglieder hätten für ihn gestimmt. (fsc, gra, bed, 7.4.2021)