Auch nach ihrer Genesung leiden Covid-19-Erkrankte an psychischen oder neurologischen Erkrankungen – und das häufiger als Patientinnen und Patienten anderer Atemwegserkrankungen. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, die in der Fachzeitschrift "The Lancet Psychiatry" veröffentlicht wurde.

Demnach haben Menschen nach einer Corona-Infektion ein um 44 Prozent höheres Risiko einer neurologischen und psychischen Erkrankung als nach einer Grippe. Im Vergleich zu anderen Atemwegsinfektionen lag das Risiko um 16 Prozent höher.

Bereits in der Vergangenheit hatten Studien einen Zusammenhang zwischen neurologischen Erkrankungen und einer Infektion mit Covid-19 gesehen. Eine Studie aus Oxford gibt erstmals grobe Aufschlüsse über das Ausmaß der Folgeschäden.
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In ihrer Studie werteten britische Forscher die Daten von mehr als 230.000 genesenen Covid-19-Patienten aus. Bei 33 Prozent wurde innerhalb von sechs Monaten nach der Erkrankung eine neurologische oder psychische Erkrankungen diagnostiziert, wobei 13 Prozent erstmals eine derartige Diagnose erhalten hatten. Bei Patienten, die zuvor auf einer Intensivstation behandelt werden mussten, lag die geschätzte Inzidenz für eine solche Diagnose bei 46 Prozent.

Am häufigsten wurden Angststörungen (17 Prozent), Stimmungsschwankungen (14 Prozent) und Schlaflosigkeit (5 Prozent) diagnostiziert. In einigen Fällen traten Hirnblutungen (0,6 Prozent), Schlaganfälle durch Blutgerinnsel (2,1 Prozent) und Demenz (0,7 Prozent) auf. Einen klaren Zusammenhang zu Parkinson-ähnlichen Symptomen oder einem Guillain-Barré-Syndrom, einer entzündlichen (inflammatorischen) Veränderungen des Nervensystems, fanden die Forscherinnen und Forscher nicht.

Erhebliche Auswirkungen auf Gesundheits- und Sozialsysteme

Das individuelle Risiko einer neurologischen oder psychiatrischen Diagnose nach einer Covid-19-Infektion sei zwar gering, sagt der Hauptautor der Studie, Paul Harrison von der Universität Oxford. Die Auswirkungen für das Gesundheits- und Sozialsystem könnten aufgrund des Ausmaßes der Pandemie und "der Tatsache, dass viele dieser Erkrankungen chronisch sind", aber erheblich sein.

Bereits in der Vergangenheit hatten Studien einen Zusammenhang zwischen neurologischen Erkrankungen und einer Infektion mit Covid-19 gesehen. Bislang aber fehlten systematische Daten dazu, wie häufig diese Folgeschäden auftreten. Die Studie aus Oxford gibt erstmals grobe Aufschlüsse darüber.

Weitere Studien nötig

Um die Risiken neurologischer und psychiatrischer Diagnosen bei Patientinnen und Patienten nach einer Covid-19-Diagnose zu ermitteln, werteten die Forscherinnen und Forscher Daten aus elektronischen Gesundheitsakten aus. Die primäre Kohorte umfasste 230.379 Patientinnen und Patienten mit einer Covid-19-Diagnose, als Vergleichsgruppe dienten 341.617 Patientinnen und Patienten mit einer Grippe- und anderen Atemwegsinfektionen.

Um die Ergebnisse zu bestätigen und die möglichen Ursachen hinter den Corona-Folgeschäden zu identifizieren, seien laut Angaben der Forscherinnen und Forscher ergänzende Studiendesigns erforderlich. (ek, 8.4.2021)