Konsumenten sind im seltensten Fall die Profiteure entsprechender Partnerschaften.

Foto: Proschofsky / STANDARD

Alle Jahre wieder versuchen Smartphone-Hersteller, mit neuen Funktionen und technischen Entwicklungen die Konkurrenz auszustechen. Prominent beworben werden dabei insbesondere die eigenen Kameras. Während Platzhirsche wie Apple und Google dank des schier endlosen Budgets vor allem softwareseitig vorpreschen, ging Huawei schon 2014 eine Partnerschaft mit dem deutschen Kamerahersteller Leica ein. Oneplus folgte nun dem Beispiel. Das Kameramodul des Oneplus 9 (Pro) schmückt ein Hasselblad-Logo. Während das im ersten Moment beeindruckend klingt, stellt sich schnell die Frage: Ist wirklich drin, was draufsteht?

Sowohl Leitz/Leica als auch Hasselblad sind historisch wichtige Firmen, die die Fotografiegeschichte schon seit mehr als einem Jahrhundert prägen. Oskar Barnack entwickelte im frühen 20. Jahrhundert für Leitz Wetzlar die erste Kleinbildkamera – ein Bildformat, das noch heute als Standard für digitale Vollformatsensoren gilt. Hasselblad dürfte unterdessen fast jedem bekannt sein, weil der schwedische Hersteller Nasa-Astronauten mit Geräten für die Mondlandung ausstattete. All das begründete den Ruf, der diese Firmen noch bis heute begleitet und deren Kameras zu einem begehrten Luxusgut aufsteigen ließ.

Nostalgie als Verkaufsargument

Sieht man sich diese genauer an, erschließt sich allerdings nicht wirklich, warum gerade die Branchen-Urgesteine für die Entwicklung modernster Smartphone-Kameras herangezogen werden sollten. Denn bis heute reiten beide die Welle der Nostalgie, Leica setzt noch immer auf die Messsucher-Technologie seiner M-Kameras und versucht das Gefühl analoger Zeiten in sündhaft teuren Luxusgütern zu konservieren. Hasselblad stellte hingegen erst vergangenes Jahr eine modulare Mittelformatkamera vor, die interoperabel mit dem in den 1950er-Jahren eingeführten V-System ist.

"Leica Vario-Summilux" liest man auf dem Kameramodul des Huawei P40 Pro+. Etwas verwirrend – handelt es sich bei den Leica-Objektiven doch um lichtstarke Festbrennweiten.
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Außerdem ist die Sensorgröße bei Smartphones gar nicht das Wichtigste, wie die Konkurrenz immer wieder zeigt. Viel eher besteht aufgrund der vergleichsweise kompakten Bauweise von Mobiltelefonen die Notwendigkeit, die eigene Software stetig weiterzuentwickeln. Nur so kann das Beste aus den täglichen Begleitern herausgeholt werden. Denn: Fast alle Hersteller – auch Google und Apple – verbauen Sony-Sensoren. Den großen Unterschied machen schlussendlich die verwendeten Algorithmen.

Andererseits muss zugegebenermaßen gesagt werden, dass wohl niemand mit dem Entwicklungsbudget von Big Tech konkurrieren kann. Dies dürfte mitunter der Grund dafür sein, dass sich Huawei und Oneplus für eine Kooperation mit Firmen aus der Fotografiebranche entschieden haben.

Teure Kooperation mit wenig Input

Aber nein, es werden weder Hasselblad- noch Leica-Kameras in den Smartphones verbaut – obwohl die prominente Platzierung der Markenlogos dem Konsumenten ebendas suggeriert. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Zusammenarbeit keine Früchte trägt. Ganz im Gegenteil, wie das neue Oneplus 9 im STANDARD-Test beweisen konnte.

Im Vergleich zum Vorgänger hat sich nämlich die Farbgebung deutlich verbessert und ist natürlicher geworden. Genau darauf zielte die Zusammenarbeit mit Hasselblad offenbar auch ab: Die Schweden gaben Feedback zur Farbgestaltung der Bilder, woraufhin Oneplus die eigenen Algorithmen anpasste. Das war’s. Bedenkt man, dass sich der Smartphone-Hersteller die dreijährige Kooperation 150 Millionen Dollar hat kosten lassen, bleibt zu hoffen, dass die Zusammenarbeit künftig etwas tiefer greifen wird als das prominente Branding und Tipps zur Farbgestaltung.

So prominent das Hasselblad-Logo auch auf der Rückseite des Oneplus 9 (Pro) platziert ist: Drin steckt ein Sony-Sensor.
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Bei Huawei sieht es ähnlich aus. Die Zusammenarbeit mit Leica begann schon mit der Einführung des Huawei P9 im Jahr 2016. Prominent platziert fand man bei diesem erstmals den Leica-Schriftzug auf dem Kameramodul. Die Menüsysteme teilten fortan dasselbe Design. Doch weder Objektive noch Sensoren stammen aus Wetzlar.

Vario-Summilux ≠ Summilux

Umso befremdlicher wirkt es, wenn die Smartphones auch noch mit den Namen renommierter Leica-Objektive geschmückt werden. So auch beim Huawei P40 Pro+, das vergangenen Sommer erschien. "Vario-Summilux" liest man auf der Rückseite. Eine Kombination, die einen zum Stirnrunzeln veranlasst – handelt es sich in Huaweis Fall doch um ein Zoom-Objektiv mit variabler Blende zwischen f/1.8 und f/4.4. Dabei zeichnet die Summilux-Reihe gerade aus, dass es von Hand gefertigte Festbrennweiten mit maximaler Blendenöffnung von f/1.4 sind.

Käufern wird also der Erwerb von sündhaft teuren, hochqualitativen Optiken suggeriert, obwohl in Wahrheit kein wirklicher Zusammenhang mit dem Kerngeschäft der Kooperationspartner besteht. Bedenkt man, dass die Kamerasparte des deutschen Unternehmens aus der Produktion feinster Optiken für Kleinbildsensoren und das Mittelformat besteht, sollte das niemanden allzu sehr wundern.

Denn die Ansprüche von Profifotografen, die tausende Euro für ihre Kameraausrüstung ausgeben, und Käufern massenproduzierter Smartphones könnten wohl unterschiedlicher nicht sein. Während Erstere manuelle Kontrolle über jeden noch so kleinen Aspekt des Fotos haben möchten und deshalb in der Regel im RAW-Format fotografieren, will der Großteil der Smartphone-Käufer direkt nach Drücken des Auslösers das möglich beste Foto vor sich sehen, um es unter Umständen sofort teilen zu können.

Leicas Summilux-Objektive haben mit den von Huawei verbauten Optiken rein gar nichts am Hut.
Foto: Leica

Nicht drin, was draufsteht

Welchen Vorteil Hasselblad und Leica aus der Zusammenarbeit mit den Smartphone-Herstellern ziehen, ist klar. Mit vergleichsweise geringem Aufwand kann sowohl die Markenbekanntheit gesteigert werden, als auch Geld durch den Verkauf des Brandings eingenommen werden. Für Oneplus und Huawei sieht das Ganze ähnlich aus. Denn interessierten Käufern wird vorgegaukelt, etwas ganz besonders, für Smartphones Ungewöhnliches zu kaufen – obwohl man sich bezüglich Bildqualität nicht von der Konkurrenz abheben kann.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die beiden Firmen ein merklich schlechteres Fotografieerlebnis abliefern würden als der restliche Markt. Denn während bestimmte Funktionen stets hervorstechen können oder etwas schlechter sein werden, sind die bekanntesten Geräte heutzutage durchaus allesamt respektabel.

Ähnlich zu den neuesten Produkten von Kameraherstellern wie Canon, Nikon, Sony und Fuji lässt sich deshalb auch für Smartphones sagen: Entscheidet man sich für ein Modell der gängigsten Anbieter, wird man im seltensten Fall von einer größeren Enttäuschung überrascht. Hinter Kooperationen mit renommierten Kameraherstellern steckt allerdings auch heute noch primär die Marketingabteilung. Profiteure sind dabei leider im seltensten Fall die Konsumenten. (Mickey Manakas, 11.4.2021)