Mit den elegant als "bekannte geänderte Rahmenbedingungen" umschriebenen Lohnkürzungen und Kündigungen, für die Investor Siegfried Wolf warb, wollte sich die MAN-Belegschaft in Steyr nicht anfreunden.

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Steyr/Wien – Mit einem knappen Votum hatten viele gerechnet, mit einer Breitseite für Investor Siegfried Wolf und letztlich auch die MAN-Führung in München wohl eher wenige: Mehr als 60 Prozent der Belegschaft stimmten gegen den Übertritt in die WSA Beteiligungs GmbH von Siegfried Wolf.

Kurz nach 11 Uhr sickerten am Donnerstag erste Informationen über die klare Absage aus den vier Wahllokalen auf dem Werksgelände in Steyr. Die Auszählung hatte um sieben Uhr begonnen, mehr als 2.356 Beschäftigte waren stimmberechtigt, Leasingarbeiter und -arbeiterinnen ebenso wie das Stammpersonal. Die Wahlbeteiligung lag bei 94 Prozent.

Wut und ...

Als "durchaus mutig" bezeichnete etwa ein MAN-Mitarbeiter im Gespräch mit dem STANDARD den Weisel für Siegfried Wolf. Er selbst habe für die Übernahmepläne gestimmt: "Tausend Arbeitsplätze retten oder ganz zusperren? Da weiß ich schon, was besser ist."

Viel auszuwählen gab es für die MAN-Belegschaft nicht.
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Einmal mehr habe sich aber gezeigt, dass der Ärger vor allem unter den Arbeitern hauptsächlich in der restriktiven Haltung der MAN-Führung begründet ist: Zur Wahl stand nämlich nur das Angebot von Wolfs WSA Beteiligungs GmbH. "Eigentlich eine Frechheit, nur über ein Angebot abstimmen zu lassen", machte ein MAN-Mitarbeiter seinem Ärger Luft. Man dürfe sich daher über das Ergebnis nicht wundern: "Wenn ich mir heute ein Auto kaufe, nehm ich auch nicht gleich das erstbeste Modell." Das Motto müsse nun "Zurück an den Start" lauten.

... Enttäuschung

Seitens MAN in München gab sich Personalvorstand Martin Rabe zerknirscht. Offenbar habe es innerhalb der Belegschaft noch zu wenig Transparenz über "das wirklich gute Konzept der WSA Beteiligungs GmbH" gegeben. Um sogleich trotzig zu betonen, dass nun als Konsequenz die Schließungspläne 2023 wiederaufgenommen würden.

Bitter ist das Ergebnis mit 773 Ja-Stimmen zu 1.415 Nein-Stimmen für den Ex-Magna-Chef: "Ich kann dieses Votum nur mit großem Bedauern zur Kenntnis nehmen", ließ Wolf über die Austria Presse Agentur verbreiten. "Mein Team und ich haben unglaublich viel Herzblut in dieses Projekt investiert, weil ich überzeugt davon bin, dass mit diesem Potenzial an Know-how in der Fahrzeugproduktion an diesem Standort unter der Marke Steyr etwas Neues, Großes entstehen hätte können." Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit hätten nicht gereicht, um Missinterpretationen und Fehlinformationen zu entkräften. "Dabei kann ich den Zorn vieler nur zu gut verstehen." Er habe das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, "sondern nur ein solides, durchdachtes Konzept für die Zukunft entwickeln" können.

Wolf hatte sich die Latte hoch gelegt, eine Zweidrittelmehrheit der 2.356 Stimmberechtigten angestrebt. Gegen den Willen der Belegschaft "tue ich mir das nicht an", hatte er im Vorfeld betont. Ob es bei dieser Ansage bleiben wird, war am Mittwoch nicht zu eruieren.

Schuldige sind ausgemacht

Der Hauptschuldige scheint auf Arbeitgeberseite jedenfalls gefunden: Arbeiter-Betriebsratschef Erich Schwarz, der zwar nie eine Empfehlung ausgegeben, sich aber stets skeptisch geäußert hatte. Und natürlich die Metallgewerkschaft unter Rainer Wimmer, die erneut kritisierte, dass die Mitarbeiter nach dem Motto "Friss, Vogel, oder stirb!" unter Druck gesetzt wurden. Schwarz legte am Donnerstag seine Funktion zurück, er geht in Pension und übergibt die kommende Arbeit seinem Stellvertreter Helmut Emler.

Die Absage sei klar und deutlich, sagte auch Emler. Wolfs Konzept sei zwar "schlüssig, die Einschnitte wären aber zu gravierend gewesen". Die Schließung des Werks sei noch nicht gegessen: "Als Betriebsrat werden wir morgen beginnen, mit MAN das Gespräch zu suchen", so Emler. Die Schließung sei erst für 2023 vorgesehen, die hochmoderne Kunststofflackiererei mit rund 400 Mitarbeitern hätte gemäß Wolfs Konzept gar bis 2027 für MAN weiterarbeiten sollen. Ziel sei eine Lösung wie in Deutschland, wo die ursprünglichen Sparpläne entschärft wurden. Man sei auch für andere Investoren offen, sagte Emler mit Blick auf das Konsortium rund um den Industriellen Karl Egger (Kekelit), das MAN nie geprüft hatte.

Politik aufgewacht

Aufgewacht ist am Donnerstag die Politik. Das Votum sei "Ausdruck der Enttäuschung über den Umgang des MAN-Konzerns" mit den Beschäftigten, die sich "eine derartige Behandlung aufgrund der bisher erbrachten Leistungen keinesfalls verdient" hätten, sagte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Er will MAN in die Pflicht nehmen. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), die vor Monaten die Suche nach Investoren angekündigt hatte, bezeichnete das Votum als "bedauerlich, aber zu respektieren." Sollte es ernsthafte Angebote geben, "wäre es jetzt an der Zeit, diese vorzulegen", appellierte sie. (Markus Rohrhofer, Luise Ungerboeck, 9.4.2021)