Komplexe Beziehungsnetze: Sylvie Schenk.

Foto: Wolfgang Müller

Ehebruch ist immer ein beliebtes Romanthema, weil sich damit so viel über Menschen und Gesellschaften erzählen lässt: Im häufig kriminalisierten, in manchen Ländern noch immer drakonisch bestraften Ehebruch trifft Natur auf Kultur, ein in seinen Emotionen und Verhaltensweisen komplexes Tier auf rigide gesellschaftliche Disziplinierung.

Letztlich geht es (und ging es schon in den Zehn Geboten) darum, Ordnung ist etwas zu bringen, das per se unordentlich ist. Regeln nicht zuletzt zum Zwecke, Erblinien zu sichern und vor allem Frauen zu kontrollieren – zu erkennen heute noch daran, dass Frauen in vielen Gesellschaften für Ehebruch wesentlich härter bestraft werden als die (gleichermaßen beteiligten) Männer.

In westlichen Gesellschaften hat sich davon das Narrativ von der Verführerin erhalten, Konkubinen, Mätressen und sonstigem ruchlosem Weibsvolk, ohne das ein mächtiger Mann gleichwohl nicht auskommt.

Man mag sich von einem Ehebruchroman aus Frauenhand und -perspektive, wie Sylvie Schenk ihn mit Roman d’amour nun vorgelegt hat, viel erwarten an Erkenntnissen, an widerständigem Potenzial. Aber derlei löst das schmale Buch nicht ein.

Aus der Ich-Perspektive erzählt Schenk eine sehr private Geschichte, und dass Autofiktion ein stark präsentes Thema ist, mag wohl kein Zufall sein: Es geht um eine wie Schenk selbst französischstämmige, über 70-jährige Autorin namens Charlotte Moire, die vor Jahrzehnten eine Affäre mit einem verheirateten Mann hatte und sie nun in einem Roman verarbeitet. In diesem Binnenroman ist nicht die Hauptfigur, sondern die betrogene Ehefrau französischstämmig, die Protagonistin Klara ist Schuldirektorin, hat aber ebenfalls eine literarische Ader.

Ein Mann namens Ludo

Charlotte Moire wird auf eine Nordseeinsel eingeladen, um für ebendieses Buch einen "Literaturpreis zweiter Klasse" entgegenzunehmen. Dort empfängt sie Frau Sittich, angeblich Journalistin, die mit ihr ein Interview führen will. Kunstvoll setzt Schenk die Ebenen ineinander, den Dialog mit der Journalistin, Passagen aus dem Roman Charlotte Moires, deren Gedanken und Erinnerungen an die reale Affäre mit einem Mann namens Ludo, mit dem sie eine denkwürdige Fahrradtour durch Irland unternommen hatte.

Schenk ist Jahrgang 1944, lebt seit 1966 in Deutschland und schreibt seit 1992 auf Deutsch. Man merkt dem Roman ihre schriftstellerische Routine an, er ist außerordentlich sauber gebaut.

Von Anfang an ist eine Feindseligkeit zwischen Autorin und Interviewerin zu spüren, die sich verstärkt, je mehr Letztere Charlotte dazu bringen will, endlich zu "gestehen", dass ihr Roman autobiografisch sei. Sie bezweifelt zunehmend, dass die Journalistin eine solche überhaupt ist, zu wenig interessiert sie sich für das Literarische, zu sehr für das Private und pseudophilosophische Diskussionen über Recht und Unrecht in der Liebe.

Charlotte wird zunehmend in die Ecke gedrängt, verteidigt ihren Roman und immer mehr auch ihre realen Entscheidungen: "... welche stupide Moral forderte Menschen auf, in einem Beziehungsgefängnis auszuharren?"

Sprachlicher Grenzgang

Die Stärke des Romans ist sicher nicht seine Auseinandersetzung mit dem Thema Ehebruch, dafür bleibt er zu sehr im Individuellen, Privaten verhaftet, letztlich auch zu konventionell. Schenk gibt ihren Protagonistinnen, sowohl Charlotte als auch Klara, eine Leidenschaft bis weit über die Grenzen der Selbstaufgabe mit, der geliebte Mann wird zum einzigen Lebenssinn erhoben, die Liebe zu ihm "entleert ihr bisheriges Leben".

Auf solch affirmative Weise würde das eine Autorin jüngerer Generation kaum mehr stehen lassen; genauso wenig die Konstruktion des Romans, in dem sich letztlich wieder zwei Frauen als Rivalinnen gegenüberstehen, während der umkämpfte, von beiden verlorene Mann als Fluchtpunkt ihrer Sehnsucht außerhalb des Bildes, aber in Gedanken und Texten stets gegenwärtig bleibt.

Denn dass Frau Sittich nicht irgendjemand ist, sondern persönlich in diese Geschichte involviert, wird rasch klar. Letztlich ist der Roman eine Hommage an den Geliebten: Mit einer deutsch-französischen Anrufung an ihn endet das Buch.

Dieser sprachliche Grenzgang ist es, nicht sein Inhalt, der den Roman besonders macht. Schenks ganz eigener Duktus, ihr manchmal fast kindliches, unschuldiges Deutsch, als hätte die Sprache keine Vergangenheit, keine Schuld oder, wie sie selbst schreibt: "Weil ich die deutsche Sprache erst als Erwachsene erlernt habe, neige ich manchmal zum Klischee, für mich sind alle Wörter noch frisch." (Andrea Heinz, 10.4.2021)