Die Arbeit wird idealisiert. Die Firma wird kathedralisiert. Die Tätigkeit wird mystifiziert als Weg zur persönlichen Vervollkommnung.
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Homeoffice ist eigentlich ein schönes Geschenk – die paar störenden Kleinigkeiten auf der Psychoebene kriegen wir schnell in den Griff. Denn wir sind doch alle Genuss-, Lust- und Sinnarbeiterinnen, die bei den wesentlichen Managemententscheidungen effektiv mitreden können und Führungskräfte haben, die gebetsmühlenartig freundlich unsere große harmonische Familie beschwören.

Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt, und es ist der ganze Mensch gefragt. In unseren Stellenanzeigen suchen wir nur nach Leuten, die voller hochstehender Charaktereigenschaften sind: solidarisch, teamfähig, unternehmerisch denkend, ausdauernd, belastbar, leistungsbereit, gleichzeitig kollegial. In den passenden Fotos dazu sehen die alle natürlich auch so aus – makellos. Und sie lächeln glücklich wie nach einem Ausflug auf dem fernöstlichen Hippie-Trail. Unser Ziel ist der gesellschaftliche Mehrwert. Nachhaltig. So ist das Image der Durchschnittsfirma heute gebaut.

Inszenierung

Die Arbeit wird idealisiert. Die Firma wird kathedralisiert. Die Tätigkeit – selbstverständlich nach den alten kapitalistischen Regeln angeordnet – wird mystifiziert als Weg zur persönlichen Vervollkommnung. Solcher Bühne das Licht abzudrehen wird streng geahndet. Solcher Inszenierung der Firmenbühne mit Unbehagen zu begegnen wird tabuisiert und ins Reich der psychischen Defekte verwiesen. Aber ja, der ganze Mensch ist gefragt – nur solange er oder sie halt die betrieblichen Abläufe nicht behindert. Ja, alle sind besonders, allerdings muss es im Interesse des Managements liegen, alle und jede(n) ersetzbar zu halten. Ja, die Organisation hat Ziele – die sind den unteren Rängen nur kaum bekannt, und Letztere haben sich selbstverständlich unterzuordnen.

Die große inszenierte Blase ist eigentlich Humbug, Bullshit. Dazu hat der stellvertretende Chefredakteur von brand eins, Jens Bergmann, mit Business Bullshit (Duden-Verlag) aktuell ein Buch geschrieben. Er betreibt Bullshitologie, um gnadenlos den Widerspruch zwischen Schein und Sein aufzudecken und die "Inkompetenzkompensationskompetenz" zu entlarven. Empfehlung! (kbau, 11.4.2021)