Knapp 71 Jahre dauert das "nukleare Zeitalter" mittlerweile. Werden wir es je wieder verlassen und ohne die Bombe leben?

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Viel wurde darüber spekuliert, schon länger scheint es beschlossen, nun wurde es auch publik. Wien wird im Jänner 2022 die erste Konferenz zum neuen Atomwaffenverbotsvertrag ausrichten. Es ist eine "tolle, spannende und verantwortungsvolle Aufgabe", sagt der designierte Vorsitzende der Konferenz, Botschafter Alexander Kmentt, zum STANDARD, geht es doch um nicht weniger als um die Weichenstellung, wie sich der Vertrag in den kommenden Jahren entwickelt.

Nachdem der Vertrag von der Uno-Generalversammlung angenommen worden ist, werde man auch alle Uno-Mitglieder zur Konferenz einladen, sagt Kmentt. Spannend wird dabei vor allem die Frage, ob und wie viele Nuklearwaffenstaaten und auch Staaten, die von der nuklearen Teilhabe – also dem atomaren Nato-Schutzschirm – profitieren, die Einladung, als Beobachter an der Konferenz teilzunehmen, annehmen werden. "Wir wollen auch mit den Skeptikern den Dialog führen", zeigt sich Kmentt motiviert, ein Umdenken beim ein oder anderen Staat erreichen zu können. Aber klar: "Der Vertrag hat nicht nur Freunde", wie es Kmentt diplomatisch ausdrückt.

Humanitäre Folgen im Fokus

Die sorgfältige Vorbereitung einer Konferenz diesen Ausmaßes stelle das Außenministerium gerade in Pandemiezeiten vor Herausforderungen, der vertraglich spätestmögliche Zeitpunkt für die Konferenz soll aber ermöglichen, dass möglichst viele Vertreter, auch aus der Zivilgesellschaft, teilnehmen können. "Denn ohne sie wäre der Vertrag nicht zustande gekommen", sagt Kmentt.

Zentrales Ziel der Konferenz wird es sein, "die Diskussion breiter als im rein sicherheitspolitischen Kontext zu führen, in dem sie seit Jahren festsitzt". Auf die humanitären Folgen von Atombombenabwürfen, -unfällen oder -katastrophen hinzuweisen, biete eine der wenigen Möglichkeiten, aus der Abschreckungslogik auszubrechen. Dem beobachtbaren und spürbaren Desinteresse zum Trotz handle es sich bei Atomwaffen neben dem Klimawandel nämlich immer noch um eines der existenziellen Risiken für die Menschheit, sagt Kmentt.

Darauf angesprochen, ärgert sich Botschafter Kmentt auch ein wenig über die etwas untergegangene Message des mittlerweile berühmten Videos, das einen simulierten Atombombenabwurf über Wien anlässlich des Inkrafttretens des Verbotsvertrages zeigt. So war der Anlass des Videos – die Ratifikation des Vertrags – doch eigentlich ein beachtlicher Erfolg, zu dem der jahrelange Einsatz der österreichischen Diplomatie einen entscheidenden Beitrag geliefert hat. Zumindest sei aber wieder einmal über Atomwaffen diskutiert worden, zieht Kmentt ein bescheidenes Resümee der Aktion.

Allzu viel Zeit für Ärger bleibt aber ohnehin nicht, wartet auf Österreich abgesehen von Irland, Malta und Zypern ja sogar innerhalb der Europäischen Union einiges an Überzeugungsarbeit, was Unterstützung für den Verbotsvertrag anbelangt. Auch wenn die EU mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs zahlreiche Atombomben verloren hat, sind noch immer etliche Waffen auf europäischem Boden gelagert, und die Unterstützung dafür bleibt in entscheidenden Kreisen hoch. (Fabian Sommavilla, 9.4.2021)