2017 wurde der "Salvator" via Christie's verkauft.

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Das Bild des rätselhaften "Weltenerlösers" ist mehr als 500 Jahre alt, aber den – sehr diplomatischen – Streit um seine Urheberschaft vermochte es nicht zu schlichten. Im Gegenteil sorgt das Renaissance-Gemälde bis heute für rauchende Köpfe.

Ein Dokumentarfilm, der für nächsten Dienstag auf dem Fernsehsender France-5 programmiert ist, bringt nun zumindest etwas Licht in eine Affäre, die einem Politthriller gut anstehen würde. Schon die Provenienz des "Salvator Mundi" wirft Fragen auf. Der russische Oligarch Dmitri Rybolowlew erwarb das Bild 2013 für 127 Millionen Dollar vom Schweizer Kunsthändler Sylvain Bouvier. Als er erfuhr, dass der Käufer das Bild kurz zuvor für 80 Millionen gekauft hatte, ging der Russe wegen angeblicher Übervorteilung vor Gericht.

Christus für Saudi-Arabien

2017 brachte das Auktionshaus Christie's das Gemälde zur Versteigerung. Ein unbekannter Käufer erstand es in einem bereits legendären Bieterwettbewerb für 450 Millionen Dollar. In dem Dokumentarfilm von Antoine Vitkine bestätigen zahlreiche Zeugen zumindest einen Umstand: Der Besitzer ist niemand anderer als der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman, auch MbS genannt. Er schlug die früh entstandenen Zweifel an der künstlerischen Urheberschaft in den Wind; um sich ein weltoffenes Image zu geben, war er richtiggehend versessen auf das Bild mit dem Christus, der die rechte Hand hebt und in der linken eine Kristallkugel hält.

Bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bot MbS im April 2018 an, das Gemälde ein Jahr später bei der größten je organisierten Da-Vinci-Retrospektive in Paris zu zeigen. Offiziell ging es bei dem Besuch im Élysée-Palast, bei dem sich die beiden Staatenlenker herzlich umarmten, um das Atomabkommen mit dem Iran und Wirtschaftsaufträge über 14,5 Milliarden Euro.

"Strategische Partner"

Laut dem Journalisten Vitkine verlangte Bin Salman dabei auch eine Echtheitsgarantie für den "Salvator Mundi". Zur Bedingung für die Leihgabe machte er, dass der Louvre – wo wichtige Leonardo-Werke wie die Mona Lisa hängen – beglaubigt, dass der "Weltenerlöser" zu "100 Prozent" vom Meister stammte. Für Frankreich stand viel auf dem Spiel. Saudi-Arabien ist für die Pariser Diplomaten und Waffenexporteure heute ein "strategischer Partner".

Außenminister Jean-Yves Le Drian und Kulturminister Franck Riester wollten auf die Forderung aus Riad eingehen; auch Louvre-Direktor Jean-Louis Martinez zeigte sich empfänglich für die saudische Lobbyisten, die zu dem Zweck ganze Delegationen nach Paris schickten. Macron blieb aber bis zuletzt hart. Zum einen lag ihm am weltweiten Ruf der Louvre-Expertise. Zudem wurde MbS im Oktober 2018 bezichtigt, er habe die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi persönlich in Auftrag gegeben. Im September 2019 verweigerte der französische Präsident jede diplomatisch motivierte Beglaubigung des Gemäldes.

Ein paar Pinselstriche

Einen Monat später öffnete die Ausstellung im Louvre ihre Tore, ohne den "Salvator" zu präsentieren. Laut dem Dokumentarfilm ist die Louvre-Mission im Nachhinein zum Schluss gekommen, dass Leonardo zu dem ominösen Christus-Gemälde "nur beigetragen" habe. Mehr als ein paar schwierige Passagen sollen also nicht vom Meister stammen. Die Hauptarbeit leisteten demnach seine beiden Schüler Luini oder Boltraffio. Und ihr Marktwert liegt bedeutend unter 450 Millionen Dollar.

Wo sich das teuerste Gemälde heute befindet, vermag auch der Filmemacher Vitkine nicht zu sagen. Früher war schon von einem Zollfreilager an der französischen Grenze die Rede gewesen. Aber vielleicht hat Bin Salman den "Weltenerlöser" auch in einem seiner Privatgemächer hängen. Falls er ihn überhaupt noch anschauen mag. (Stefan Brändle aus Paris, 9.4.2021)