Auch HTC hat einst einmal Android-One-Smartphones produziert.

Foto: Proschofsky / STANDARD

Die Bedeutung des Namens "Android One" hat über die Jahre eine ziemliche Wandlung durchlaufen. Ursprünglich als Programm für kostengünstige Smartphones in Schwellenländern gestartet, fokussierte Google mit einer Neuausrichtung im Jahr 2017 auf andere Punkte. Unter "Android One" laufen seitdem Smartphones, bei denen sich die Software sehr nahe an die offiziellen Vorgaben von Google hält und auf unnötige Bloatware-Beigaben verzichtet wird. Im Gegenzug bekommen die OEMs direkte Unterstützung und auch Zugriff auf so manch neues Feature, das es sonst nur bei Googles eigenen Smartphones der Pixel-Reihe gibt.

Anfängliches Interesse

Ein Angebot, das zunächst von einigen Herstellern mit offene Armen begrüßt wurde. Gerade HMD Global machte sich mit seinen Nokia-Smartphones zu einem Vorreiter in Sachen Android One. Aber auch LG, Xiaomi, Motorola und BQ nahmen entsprechende Geräte in ihr Angebot auf. Doch diese anfängliche Enthusiasmus scheint mittlerweile verflogen. Im Jahr 2021 stellt sich so eine ganz andere Frage: Gibt es Android One eigentlich überhaupt noch? Und wenn ja: wie lange noch?

Spurensuche

Der Blick auf die offizielle Webseite lässt schon einmal erste Zweifel aufkommen, ob es sich bei Android One wirklich noch um ein aktiv gepflegtes Projekt handelt. Die neuesten der dort gelisteten Smartphones sind mittlerweile mehr als ein Jahr alt. Doch selbst Geräte, die vor mehr als zwei Jahren präsentiert wurden – wie das Nokia 9 Pureview –, werden ausführlich gefeaturet. Dass es bereits ziemlich lang her sein dürfte, seitdem die Android-One-Webseite zum letzten Mal gewartet wurde, zeigt sich auch an einem anderen Umstand: Das vergangenen September vorgestellte Android 11 findet bislang keinerlei Erwähnung. Ganz im Gegenteil wird Android 10 explizit als die "aktuellste Android-Version" bezeichnet. Nun könnte man natürlich sagen: Eine Webseite ist eine Webseite, und manchmal wird auf deren Aktualisierung auch schlicht vergessen. Doch das ist eben nicht der einzige Hinweis.

Nokia

Da wäre etwa, dass HMD Global gerade einen Schwall an neuen Smartphones vorgestellt hat, sieht man sich auf den zugehörigen Produktseiten um, kommt der Begriff Android One aber kein einziges Mal vor. Die Softwareausstattung sieht dabei zwar – zumindest auf den ersten Blick – noch immer genauso aus, wie man es von Android One gewohnt ist. Lediglich in einer Pressemitteilung ist einmal am Rande vom "sauberen Android One Interface" die Rede. Ob dies auf Dauer so bleibt, ist aber eine andere Frage. So ist aufmerksamen Beobachtern erst vor wenigen Tagen aufgefallen, dass der Nokia-Hersteller gerade nach einem User-Interface-Designer für seine Smartphones sucht. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass man künftig ebenfalls auf ähnlich starke Umbauten wie Firmen wie Samsung oder Huawei setzt, trotzdem ist dies eine bemerkenswerte Entwicklung. Aber klar: das könnte genauso gut auch "nur" für Nokia-eigene Apps gedacht sein, anhand der vagen Jobausschreibung ist dies nicht endgültig zu klären.

Vor allem aber gibt es überhaupt wieder neue Smartphones von Nokia, die die Prinzipien dieser Initiative weitertragen. Von anderen Android-One-Partnern lässt sich das nämlich nicht mehr sagen. LG ist mittlerweile ohnehin Smartphone-Geschichte und auch Xiaomi und Motorola haben schon länger keine neuen Geräte mit Android One mehr vorgestellt. Besonders bemerkenswert ist dies im Falle von Motorola, wo man zwar das "One"-Branding in Produktnamen wie Motorola One Fusion+ weiterführt, diese aber gar nicht mit Android One ausgeliefert werden.

Googles Interessen

Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie stark Googles Interesse an all dem überhaupt noch ist. Android One war von Anfang an ein Vehikel, um die Dritthersteller auf Linie zu bringen. Sei es bei der Update-Auslieferung, sei es beim starken Fokus auf Googles eigene Dienste. Für beide Ziele hat Google aber mittlerweile andere Vehikel gefunden. Das "Beste von Google" soll die Pixel-Reihe von anderen Geräten abheben. Diese ist zwar nicht mehr ganz neu, mittlerweile deckt Google aber nicht bloß das High-End-Segment sondern auch andere Preisbereiche ab. Und natürlich würde man lieber – beispielsweise – ein Pixel 4a verkaufen als die Hardwareeinnahmen einem Mittelklasse-Smartphone von Nokia zu überlassen.

Modularisierung

Bliebe noch das Update-Thema, aber auch hier hat Google längst andere Wege zur Durchsetzung der eigenen Ziele gefunden – und diese funktionieren. So frustrierend die Update-Versorgung für viele User noch immer sein mag, die Situation ist in den vergangenen Jahren erheblich besser geworden. Viele Hersteller bieten mittlerweile über mehrere Jahre hinweg monatliche – oder zumindest regelmäßige – Sicherheitsaktualisierungen an. Etwas das noch vor nicht allzu langer Zeit jenseits von Googles eigenen Geräten unvorstellbar schien. Und selbst bei den großen Updates tut sich aktuell endlich etwas, neben Google verspricht nun auch Samsung für viele seiner Geräte drei große Versionssprünge. HMD/Nokia bewegt sich ebenfalls in diese Richtung. Und sollten sich die Berichte bestätigen, dass das Pixel 6 mit einem eigenen Prozessor von Google ausgestattet wird, stehen die Chancen gut, dass der Android-Hersteller mit längeren Supportzeiten den Druck auf die Branche einmal mehr erhöht.

Gerade das Beispiel Samsung zeigt gut, dass es für Smartphone-Hersteller selbst dann durchaus möglich ist, die eigenen Geräte monatlich mit Sicherheitsaktualisierungen zu versorgen, wenn man das System massiv umbaut. Dieses Argument für Android One verschwindet also zusehends. Und daran arbeitet Google derzeit selbst mit voller Kraft: Mit jeder neuen Android-Generation schreitet die Modularisierung des Systems voran. Eine Modularisierung, in deren Rahmen immer mehr Kerndienste direkt von Google auf dem Laufenden gehalten werden. Das langfristige Ziel ist unübersehbar: Ein von Google gewartetes Kern-Betriebssystem auf dessen Basis die Hersteller dann über fixe Schnittstellen ihre Anpassungen vornehmen können. Das wäre dann eine wesentlich umfassendere Lösung als mit einzelnen Firmen im Rahmen des Android-One-Programms zusammenarbeiten.

Eine aktuelle Stellungnahme gegenüber "Computerworld" liest sich denn auch entsprechend. In Bezugnahme auf das Android-One-Programme betont der Softwarehersteller lediglich, derzeit in dieser Hinsicht "nichts anzukündigen" zu haben. Ganz generell stellt das Unternehmen fest, dass man natürlich weiter mit den eigenen Partnern zusammenarbeiten werde, um "großartige Android-Geräte auf den Markt zu bringen". Beides ziemlich vage Aussagen, die mit dem Thema, um das es eigentlich geht, nur begrenzt etwas zu tun haben.

Und jetzt?

All das lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Es sieht nicht gut aus für die Zukunft von Android One. Sowohl für Google als auch die Gerätehersteller verliert dieses Programm zunehmend an Sinnhaftigkeit. Diese Erkenntnis mag zunächst für Android-One-Fans ernüchternd sein, gleichzeitig: Ist das überhaupt noch wichtig? Dass es auch so durchaus möglich ist, den monatlichen Sicherheitsaktualisierungen von Google zu folgen, zeigen andere Hersteller mittlerweile eindrucksvoll. Und wenn HMD/Nokia oder ein anderen Hersteller weiter eine besonders schlanke Android-Version anbieten wollen, dann wird man schlussendlich von niemandem davon abgehalten. (Andreas Proschofsky, 12.4.2021)