FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker setzte die Maske auch nach seiner Rede nicht auf.

apa / robert jäger

Mit jedem Tag, den Blümel weiter Finanzminister bleibe, beschädige er das Amt, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

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Wien – Wären Aerosole nicht unsichtbar, sondern nach Partei eingefärbt – sie wären im Plenarsaal des Parlaments wohl als blaue Wolke zu sehen. Die Nationalratssitzung am Freitag war die erste, in der die Maskenpflicht in der Hohen Hausordnung festgeschrieben war. Die meisten Abgeordneten hielten sich daran. Nur die Freiheitlichen verweigerten den FFP2-Schutz durch die Bank. Eine Provokation: in freiheitlicher Lesart ein Protest – allerdings auch ein deutliches Zeichen gegen die Linie von Parteichef Norbert Hofer, der damit eine Niederlage im innerparteilichen Machtkampf einstecken muss.

Die nackten Gesichter des blauen Klubs lösten eine Geschäftsordnungsdebatte aus. August Wöginger, Klubobmann der Volkspartei, empfand sie als "Zumutung", FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst spricht der Maskenpflicht hingegen ihre Rechtmäßigkeit ab.

Die juristische Eskalation war schnell geschehen: Noch während der Debatte kündigte die Volkspartei an, sich um die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Maskenpflicht in der Geschäftsordnung bemühen zu wollen. Das wäre nötig, um eine Missachtung auch sanktionieren zu können. Den Türkisen schwebt eine Strafe von 500 Euro vor; für die Änderung benötigt die türkis-grüne Koalition auch die Stimmen der SPÖ. Sowohl Grüne als auch Sozialdemokraten zeigten sich gesprächsbereit.

ÖVP-Familienaufstellung

Doch für diese Debatte ist der Nationalrat am Freitag ursprünglich nicht zusammengekommen. Anlass war eine dringliche Anfrage der FPÖ an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zu den publik gewordenen Chats zwischen ihm, Kanzler Sebastian Kurz (ebenfalls ÖVP) und dem nunmehrigen Öbag-Chef Thomas Schmid. Der freiheitliche Mandatar Christian Hafenecker eröffnete die Debatte erwartungsgemäß mit Angriffen auf die ÖVP und adressierte Blümel "auf der Anklagebank – Verzeihung, es ist ja noch die Regierungsbank". Die Volkspartei habe "die ÖVPisierung der ganzen Republik" von langer Hand geplant. Und "es würde mich interessieren, wie diese ÖVP-Familie tatsächlich aufgestellt ist und wer da der Familienvater ist".

Der attackierte Finanzminister sorgte dann gleich mit seinem Einstiegssatz für einen erhöhten Lärmpegel im Hohen Haus: "Ich liebe das Parlament", das schienen ihm einige Abgeordnete nicht zu glauben. Das "aber", das darauf folgte, ist bekannt: Einigen Mandataren gehe es hier nicht um Aufklärung, "sondern um Empörung, Skandalisierung und öffentliche Vorverurteilung". Auch wenn im Parlament nun Maskenpflicht herrsche, sei "die Maske der Opposition im Untersuchungsausschuss schon lange gefallen", kritisierte Blümel.

Peinliche SMS nur mit Freunden

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger antwortete Blümel: Es möge schon sein, dass jeder und jede schon einmal peinliche SMS geschrieben habe – aber "mit Freunden. Es geht nicht um Staatsvermögen, es geht nicht um Machtmissbrauch." Mit jedem Tag, den Blümel weiter Finanzminister bleibe, beschädige er das Amt.

Eva Maria Holzleitner (SPÖ) findet speziell die frauenfeindliche Komponente der Chats ("Weiber", "Scheiß Quote", "steuerbar") "einfach nur niederträchtig". Bis heute habe sich die ÖVP dafür nicht entschuldigt. "Das letzte Mal, dass wir so ein Sittenbild vor Augen geführt bekommen haben, war in einer Finca auf Ibiza", sagte die Mandatarin.

Für David Stögmüller (Grüne) zeigen die Chats des Koalitionspartners "ein schamloses Vorgehen". Die Grünen würden nicht aufhören, im Ibiza-Untersuchungsausschuss für Aufklärung zu sorgen, kündigte der Abgeordnete an. Dass Thomas Schmid seinen Vertrag als Öbag-Chef nicht verlängern wird, sei gut, aber "ein schnelleres und vor allem konsequenteres Vorgehen wäre angebracht gewesen".

Koalition stabil

Im Abstimmungsverhalten schlugen sich die durchaus harten Worte der Grünen freilich nicht nieder: Anträge zur Abberufung Blümels als Finanzminister, Thomas Schmids als Öbag-Vorstand und der Öbag-Aufsichtsräte scheiterten an der türkis-grünen Koalitionsräson. (Sebastian Fellner, 9.4.2021)