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Donald Trump lässt grüßen. (Archivbild vom Besuch von Sebastian Kurz im Weißen Haus im Februar 2019).

Foto: AP/Manuel Balce Ceneta

Wenn ein türkiser Funktionär beim TV-Interview einen Fragesteller mit dem Namen anspricht ("Herr Wolf!", Herr Thür!"), dann weiß man, jetzt wird’s ernst. Jetzt hat der Interviewer einen wunden Punkt getroffen, und der Gegenangriff beginnt sofort. Wenn es sich um Gernot Blümel handelt, dann folgt gern ein "Das ist ja ein Blödsinn, was Sie da reden". Oder im Fall von Sebastian Kurz himself (auf Puls 4) zur Interviewerin: "Aber Sie haben ja ein eigenes Hirn ..."

Lustig. Oder doch nicht. Die Türkisen haben sich in ihrer öffentlichen Kommunikation längst in den Donald-Trump-Modus begeben. Ganz besonders, seit sie wegen peinlicher Chats und aus dem Ruder laufender Corona-Politik hoch nervös sind.

Bedenklich wird es, wenn ein Bundeskanzler der Republik Österreich aus dem Werkzeugkasten des Trumpismus offensiv die Methode "Flood the zone with shit" übernimmt.

Zur Erinnerung: Das war der fäkale Rat, den der zeitweilige Trump-Berater und Macher der sehr erfolgreichen rechtsextremen Breitbart-Plattform, Steve Bannon, gegeben hatte, um die seriösen Mainstream-Medien auszumanövrieren. Die ÖVP hat seit neuestem eine Plattform namens Zur Sache als politisches Kampfinstrument. Hier erschien jetzt ein Eintrag, in dem die oppositionellen Abgeordneten und Ibiza-Ausschussmitglieder Stephanie Krisper (Neos) und Jan Krainer (SPÖ) gemeinsam mit dem Falter-Chefredakteur Florian Klenk mit unvorteilhaften Fotos dargestellt werden – und in dem behauptet wird, Klenk "hätte das Ibiza-Video in Sachen Porsche manipuliert, weil Michel Piëch Mitgesellschafter des Falter ist" (Klenk). Eine völlig unbelegte Unterstellung. Aber Bundeskanzler Kurz retweetet dieses Anpatzen eines kritischen Journalisten (und Mediums) ohne weiteres auf seinem eigenen offiziellen Twitter-Account.

Auf der ÖVP-Plattform Zur Sache werden schwere Anschuldigungen gegen Falter-Chefredakteur Florian Klenk erhoben. Der Bundeskanzler teilt den Beitrag auf Twitter.
Foto: Christian Fischer

Scharfe Stellungnahme

So etwas tut man als Kanzler nicht. Das ist so außer der Norm, dass der traditionsreiche Presseclub Concordia umgehend mit einer scharfen Stellungnahme reagierte: "Österreich 2021. Der für Medienpolitik zuständige Bundeskanzler verbreitet einen Artikel, in dem die Arbeit von renommierten Journalisten mit einer Fülle rhetorischer Fragen diskreditiert wird."

Aber die Türkisen befinden sich offenbar voll im Trump-Modus. Das bedeutet unter anderem:

1) Das Unleugbare und für jeden Vernunftbegabten unmittelbar Einsichtige mit eiserner Stirn ableugnen. Wenn etwa von Blümel bis zum ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger (im Ibiza-U-Ausschuss) tollkühn behauptet wird, Thomas Schmid wäre der beste denkbare Kandidat für die Leitung der Verstaatlichten-Holding gewesen, und es hätte keine politische Einflussnahme auf seine Bestellung gegeben.

2) "Alternative Fakten" erfinden und ebenfalls mit eiserner Stirn in die "Diskussion" bringen. Zum Beispiel die Behauptung, Österreich hätte die Corona-Krise "besser als andere" bewältigt (türkiser Generalspin).

3) Wenn etwas schiefgeht wie beim Impfstoffkauf, andere (Beamte im Gesundheitsministerium) allein dafür verantwortlich machen.

Aus dem Innenraum der Regierung dringen Nachrichten, dass die Türkisen extrem nervös sind. Die überlegene Ruhe früherer Zeiten mit funktionierender Message-Control ist dahin. Wie formulierte es der Sekretär der Bischofskonferenz, nachdem öffentlich geworden war, wie Schmid unter Anfeuerung von Kurz Druck auf ihn ausüben wollte? "Die Sache ist wirklich peinlich, aber nicht für mich. Ich empfinde es als eine Art, Politik zu machen, die sich nicht gehört." (Hans Rauscher, 9.4.2021)