Die Arbeit von Rudolf Anschober ist vom Kampf gegen die Pandemie geprägt – und extrem herausfordernd.

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Wien – Rudi Anschober ist krank. Wie sehr, darüber kann nur spekuliert werden. Er selbst ist nicht erreichbar, ganz bewusst offenbar. Sein näheres Arbeitsumfeld will oder kann keine verlässliche Auskunft geben. Aus seinem Büro heißt es, er kommt nächste Woche zurück. Mehr wisse man nicht, Gerüchte wolle man nicht kommentieren. Und die gibt es.

Der Gesundheitsminister hat darum ersucht, ein paar Tage in Ruhe gelassen werden. Er braucht eine Auszeit. Das führt jedenfalls dazu, dass bereits spekuliert wird, ob Rudi Anschober zurücktritt und aus der Regierung ausscheidet. Nächste Woche könnte es so weit sein, heißt es. Eine Bestätigung dazu gibt es nicht, weder von Anschober selbst noch von grüner Seite. Dort verweist man darauf, dass sich die Gerüchte offenbar gerade verselbstständigen: Je mehr recherchiert und telefoniert werde, umso schneller macht das Gerücht eines bevorstehenden Rücktritts ungeachtet der Substanz die Runde. Viele Medien fragen bereits nach, auch innerhalb der Grünen wird gerätselt, spekuliert und nachgefragt.

Anschober ist nicht das erste Mal krank. Bereits im März musste er eine Auszeit einlegen, nach einem Zusammenbruch war er mehrere Tage im Krankenhaus, wurde durchgecheckt, hat sich erholt, ist nach einer Woche wieder im Büro angetreten – zu einem Job, der extrem fordernd und zeitaufwändig ist. Im vergangenen Jahr habe er ein einziges Wochenende frei gehabt, sonst sei er immer erreichbar gewesen, nahm Termine wahr, war am Werken. Ein Arbeitstag von 6 bis 24 Uhr sei normal, und das immer unter Hochspannung – und oft genug mit Rückschlägen versehen.

Im Mittelpunkt

Die Ruhe, die Anschober oft ausstrahlt oder auszustrahlen versucht, täuscht hinweg über den stressigen Alltag, den der Gesundheitsminister inmitten einer Pandemie zu bewältigen hat. Anschober kommt härter dran als alle anderen Regierungsmitglieder. Er steht im Mittelpunkt der Pandemiebekämpfung.

Vorgestellt hatte sich Anschober das anders. Als er im Jänner 2020 als Minister für Soziales und Gesundheit angelobt wurde, war von Corona keine Rede, ließ sich das Ausmaß der bevorstehenden Pandemie noch nicht erahnen. Es sollte kein gemütlicher Job werden, aber doch einer, dessen Aufwand überblickbar war. Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt, am 25. Februar, wurden die ersten beiden Virusinfektionen in Österreich registriert: Zwei in Innsbruck lebende Italiener wurden positiv getestet. Zwei Wochen später erklärte die WHO die weltweite Ausbreitung der Erkrankung zur Pandemie. Der Gesundheitsminister war plötzlich das wichtigste und zentrale Mitglied der Bundesregierung, stand im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Die nächsten 13 Monate gab es kein Nachlassen und keine Erholung – weder in der Pandemie noch für Anschober. Bei dem 60-jährigen Oberösterreicher machten sich zuletzt körperliche Erschöpfungszustände bemerkbar. Anschober hat gelernt, auf seinen Zustand zu achten: Im Herbst 2013 bekannte er öffentlich ein Burnout ein und ging als Landesrat für mehrere Monate in den Krankenstand.

Streit mit Kurz

So gut Anschober in den diversen Politiker-Rankings abschneidet, was ihm gewiss auch eine Befriedigung verschafft, so sehr machten ihm auch die schärfer werdenden Auseinandersetzungen mit Sebastian Kurz (ÖVP) zu schaffen. Die verunglückte Impfstoffbeschaffung lastete der Kanzler dem Anschober-Ressort an, dort musste sich Clemens Martin Auer, ein Vertrauter des Ministers, zurückziehen.

Bei den Grünen ist man noch nicht aktiv auf der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin, aber es werden immerhin schon Überlegungen angestellt, wer Anschober im Fall des Falles nachfolgen könnte. Anschober selbst dürfte sich noch nicht festgelegt haben. Klar ist: Wer immer ihm nachfolgen könnte, tritt einen extrem herausfordernden Job an und muss an die Grenzen gehen. (Michael Völker, 10.4.2021)