Vormittags noch traute Zweisamkeit, nachmittags flogen dann die türkisen Hackeln tief in Richtung Werner Kogler.

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Wien – Angriff ist die beste Verteidigung. Nach diesem Motto scheint die ÖVP derzeit im Rahmen der Chat-Affäre zu agieren. Am Samstag wurde von jener Partei, die wegen mutmaßlicher Freunderlwirtschaft und Postenschacher seit Wochen in der Kritik steht, eine Attacke gegen den eigenen Koalitionspartner gestartet. Der Vorwurf: Postenschacher. VP-Nationalratsabgeordneter Andreas Hanger unterstellt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), wiederholt engen Vertrauten zu einem Posten verholfen zu haben.

ÖVP stößt sich an "Postenversorgung"

Konkret geht es um Josef Meichenitsch, der zum Aufsichtsrat in der Abbag, der Verwertungsgesellschaft der Hypo Alpe Adria, bestellt wurde. In offen hämischem Ton, bezichtigt Hanger den Vizekanzler, "den Begriff 'Green Jobs' offenbar falsch verstanden" zu haben. " Denn es werde immer klarer ersichtlich, dass die Grünen mit ihrer Ansage, ‚Green Jobs‘ schaffen zu wollen, "in Wahrheit gemeint haben, fleißig Postenversorgung für ihre grünen Parteifreunde betreiben zu wollen", so Hanger in einer Aussendung am Samstag.

Als weitere Beispiele nennt der VP-Mandatar den ehemaligen Grünen-Abgeordneten Dieter Brosz, der Sport-Abteilungsleiter in Koglers Ministerium wurde, den ehemaligen Büroleiter des Grünen Klubs Marc Schimpel, der Geschäftsführer der Cofag wurde, die COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes und die ehemalige Grünen Bezirksrätin Karin Tausz, die in den Aufsichtsrat der Austro Control entsandt wurde. Darüber hinaus ortet Hanger grüne Netzwerke hinter der Bestellung von Kathrin Vohland zur Direktorin des Naturhistorischen Museums. Die Deutsche sei nämlich ebenfalls als Grünen-Politikerin aktiv gewesen.

Abbag und Cofaq

Was Hanger nicht erwähnt: Der grüne Schimpel ist Teil einer Doppelspitze in der Cofag. Er leitet die Geschicke zusammen mit Bernhard Perner, seines Zeichen früherer Kabinettsmitarbeiter im ÖVP-geführten Finanzministerium. Pikanterweise ist Perner auch Geschäftsführer der Abbag, wo der Kogler-Vertraute Meichenitsch nun im Aufsichtsrat sitzt, worüber sich Hanger sehr empört.

Und Perner spielt auch eine entscheidende Rolle rund um die umstrittene Postenbestzungen in der Öbag, wie der STANDARD berichtete. Er bereitete schon Ende 2018 seinen Transfer in die Staatsholding im Sog von Thomas Schmid, dem derzeitigen Vorstand, vor, wie aus Akten des Untersuchungsausschusses hervorgeht. Damals gab es noch nicht einmal eine Ausschreibung für die Öbag-Spitze, Perner und Schmid wird schon länger vorgeworfen, die Jobbeschreibung auf sich zugeschnitten zu haben.

Grüne: Erfuhren von ÖVP über Bestellung

Auf eine Anfrage des STANDARD im Büro Kogler hieß es am Samstag, man wolle keine Stellungnahme zu den Vorwürfen Hangers abgeben. Es müsse nicht alles kommentiert werden. Allerdings zeigen sich die Grünen offenkundig überrascht vom türkis-schwarzen Angriff. Denn die Bestellung Meichenitschs erfolge zwar auf Vorschlag Koglers, bestellt werde er aber durch das Finanzministerium. Und man habe selbst erst durch Hangers Aussendung erfahren, dass der gewünschte Bewerber den Zuschlag erhalten habe. Zudem hatten sich Kogler und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstagvormittag noch in trauter Einigkeit präsentiert, als sie ihren "Comebackplan" für die Zeit nach der Pandemie präsentierten.

VP-Mandatar Hanger fand dennoch deutliche Worte für die Vorgänge rund um die Bestellung Meichenitschs: "Das Vorgehen der Grünen verdeutlicht, wie heuchlerisch die aktuelle Debatte rund um die Postenbesetzung in der Öbag geführt wird." Die besagte Öbag-Debatte um die Bestellung von Vorstand Thomas Schmid war heute Mittag auch Thema beim Interview des ÖVP-Klubobmannes August Wöginger auf Ö1. Anders als sein Parteikollege Hanger bezeichnete dieser solche Postenbesetzungen allerdings als "normal" und konnte nichts Verwerfliches daran erkennen.

Finanzministerium besetzt die Posten, Vizekanzler redet mit

Der Abbag-Aufsichtsrat besteht aus vier Personen. Zwei werden vom Finanzministerium (BMF) bestellt, zwei vom Vizekanzler in Absprache mit dem BMF, das die Bestellung letztlich absegnet. Neben Meichenitsch ebenfalls auf Vorschlag des Vizekanzlers neu im Gremium ist die Finanzrechtsexpertin und Universitätsprofessorin Sabine Kirchmayr-Schliesselberger. Meichenitsch, er ist Abteilungsleiter bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), und Kirchmayr-Schliesselberger ersetzten nach Ablauf der fünfjährigen Periode Ernst Marchart und Marion Medlitsch. Im Aufsichtsrat verblieben sind der Vorsitzende Wolfgang Nolz und Christine Winter, wie das Finanzministerium auf Anfrage der APA mitteilte. (Steffen Arora, 10.4.2021)