Bis Ende der Woche wurde zuletzt der harte Lockdown in Wien angesetzt – inklusive FFP2-Masken-Pflicht an manchen Orten im Freien wie hier am Karlsplatz. Nun wurde der Lockdown frühzeitig verlängert.

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In Wien wurden am Montag 245 Corona-Fälle registriert, die ein Intensivbett benötigten – zwei mehr als am Sonntag und so viele wie noch nie in dieser Pandemie.

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Wien – Nach wie vor ist die Lage auf den Intensivstationen vor allem im Osten Österreichs trotz langsam sinkender Neuinfektionszahlen äußerst angespannt. In Wien wurden am Montag 245 Corona-Fälle registriert, die ein Intensivbett benötigten – zwei mehr als am Sonntag und so viele wie noch nie in dieser Pandemie. Ein neuer Rekordwert wurde mit 132 Corona-Infizierten auch in Niederösterreichs Intensivstationen verzeichnet, am Sonntag waren noch sieben Betten weniger belegt.

Ludwig: "Es kann jede und jeden treffen"

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zog am Montag daher erneut die Notbremse. Die Stadtregierung sowie Expertinnen und Experten aus dem medizinischen Bereich lud er zur Videokonferenz. Es sei notwendig, alle Maßnahmen zu setzen, um die Belegung der Intensivstationsbetten niedrig zu halten – sowohl wegen einer Corona-Erkrankung als auch wegen anderer Gründe. Denn: "Es kann jede und jeden treffen", warnte Ludwig: "Das muss man in aller Deutlichkeit sagen."

Um die Kapazitäten auf den Intensivstationen zu sichern, soll der harte Lockdown bis 2. Mai ausgedehnt werden. Schülerinnen und Schüler sollen am 26. April zurück an die Schulen kommen. "Ich weiß, das ist eine unpopuläre Maßnahme", sagte Ludwig, doch diese sei angesichts der steigenden Zahlen auf den Intensivstationen notwendig. Ludwig hoffe, "dass es möglich sein wird, diese Maßnahmen in der Ostregion gemeinsam zu tragen". Niederösterreich verkündete am Montagabend ebenso die Verlängerung der Lockdown-Maßnahmen bis zum 2. Mai.

Niederösterreich zieht nach

Niederösterreich verlängert wie Wien den Lockdown bis 2. Mai. "Die Lage ist in Teilen der Ostregion nach wie vor kritisch", teilten Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, LHStv. Stephan Pernkopf (beide ÖVP) und Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) am Montagabend mit. "Bis auf Weiteres schließt sich Niederösterreich daher Wien bei der Verlängerung der Schutzmaßnahmen an."

Das Burgenland will vorerst nicht mitziehen und am Mittwoch entscheiden. Das Büro von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) bestätigte nach Ludwigs Entscheidung, dass man erst noch die weitere Entwicklung der Corona-Zahlen beobachten wolle. Die Situation auf den Intensivstationen sei weiterhin angespannt, gleichzeitig sei aber eine stark sinkende Sieben-Tage-Inzidenz zu verzeichnen.

Vorerst keine Entspannung in Sicht

Schon vor dem Wiener Gipfel hatte Klaus Markstaller von der Intensivmedizin-Gesellschaft Ögari in einer Aussendung gewarnt, dass auf den östlichen Intensivstationen laut Prognosen vorerst weiter keine Entspannung in Sicht sei. Am Montag wurden landesweit 611 Corona-Intensivpatientinnen und -patienten verzeichnet. Anfang März waren es noch halb so viel. In Wien hat sich die Bettenauslastung durch Corona-Fälle in diesem Zeitraum fast verdreifacht. "Eine Überforderung der Intensivversorgung durch die Covid-19-bedingte Zusatzbelastung kann zum Risiko für alle werden, weil über die Intensivstationen hinaus zahlreiche andere Bereiche der Gesundheitsversorgung betroffen sind", sagte Markstaller.

Hunderte Operationen verschoben

Zum einen müssten nicht lebensnotwendige Operationen verschoben werden, wo nach dem Eingriff aller Voraussicht nach ein Intensivbett benötigt wird. Zum anderen muss auf überlasteten Intensivstationen Personal aus anderen Bereichen wie der Anästhesie eingesetzt werden – womit auch OPs ohne intensivmedizinische Nachbetreuung abgesagt werden müssen. Allein in Wien wurden in einem Zeitraum von zehn Tagen "500 bis 600 Operationen verschoben", sagte Markus Pederiva vom Gesundheitsverbund im Gespräch mit dem STANDARD. Zahlen für letzte Woche würden noch nicht vorliegen: In den vergangenen sieben Tagen dürften aber auch 500 bis 600 OPs abgesagt worden sein.

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) verwies am Montag auch darauf, dass der Anteil der Gastpatienten aus anderen Bundesländern in Wiens Spitälern im Schnitt 20 Prozent ausmache, im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) seien es 40 Prozent. Darüber zeigte sich Hacker "nicht glücklich". Diese Tatsache sei bei den Neuaufnahmen und angesichts der vollen Intensivstationen ein Thema. Wie hier restriktiver vorgegangen werden soll, war vorerst nicht bekannt. Im Wiener Gesundheitsverbund hieß es auf Anfrage, dass "bei Rettungsfahrten nicht nachgefragt wird, woher ein Patient kommt". Das werde "auch künftig kein Thema sein".

Ein neues aktualisiertes Factsheet der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) bezüglich "Intensivpflege und Covid" beschreibt die Situation auf Intensivstationen bis inklusive Ende Februar – also noch vor dem signifikanten Fallanstieg in der dritten Welle. Demnach ist jede dritte Person, die positiv getestet wurde und eine intensivmedizinische Behandlung benötigte, auf einer Intensivstation verstorben. Der Beobachtungszeitraum für dieses Factsheet lief vom Beginn der Pandemie bis Ende Februar 2021. Von bis dahin fast 4.800 Corona-Intensivpatientinnen und -patienten verstarben 1.686 – das sind 35 Prozent.

Altersschnitt bis Ende Februar von Älteren dominiert

Der Altersschnitt der Belegung blieb bis Ende Februar von älteren Altersgruppen dominiert. So waren zwei von drei Corona-Intensivfällen (66 Prozent) älter als 65 Jahre. Von diesen überlebten 45 Prozent den Aufenthalt nicht – das war fast jede zweite eingelieferte Person.

Völlig anders verhält es sich bei jüngeren Gruppen: Neun Prozent der Corona-Erkrankten auf Intensivstationen waren jünger als 50 Jahre. Von den bis Ende Februar eingelieferten 442 jungen Fällen seit Beginn der Pandemie verstarben 30 – das sind sieben Prozent in dieser Altersgruppe. Jeder vierte Erkrankte auf einer Intensivstation war zwischen 50 und 64 Jahre alt. In dieser Alterskohorte betrug die Todesfallrate 19 Prozent. Die Autoren des Factsheets verweisen aber auch darauf, dass "die Mortalität in der zweiten Epidemiewelle in allen Altersgruppen über jener der ersten Epidemiewelle lag".

Die Experten streichen zudem hervor, dass bereits 1,68 Prozent der insgesamt positiv Getesteten in Österreich bis Ende Februar eine intensivmedizinische Betreuung benötigten. Ende November wurde diese Zahl noch mit 0,94 Prozent angegeben. Der Anstieg wird auf die Dominanz der britischen Mutation B.1.1.7 zurückgeführt.

Von allen Corona-Todesfällen bis Ende Februar verstarben 24 Prozent in Intensivstationen, 55 Prozent wurden ausschließlich auf Normalstationen gepflegt. Jeder Fünfte verstarb außerhalb von Spitälern. (David Krutzler, Oona Kroisleitner, Lara Hagen, APA, 12.4.2021)