Bild nicht mehr verfügbar.

Kann der Staat die Ökologisierung in Unternehmen vorantreiben?

Foto: AP

Für manche droht ein Rückfall in die "düsteren" Zeiten der Verstaatlichten-Industrie, als die Republik Eigentümer zahlreicher Unternehmen war. Also hin zu einem Konzept, das in den 1980er-Jahren krachend scheiterte. Für andere wäre es nur ein logischer Schritt, um heimische Arbeitsplätze und inländische Wertschöpfung zu retten. Der Vorschlag der SPÖ, die Republik solle sich am Lkw-Bauer MAN beteiligen, um das Werk in Steyr zu retten, spaltet jedenfalls die Gemüter. Die Debatte wird wie immer, wenn es um Staatsbeteiligungen geht, entlang ideologischer Gräben geführt.

Dabei gibt es Anhaltspunkte, um eine nüchterne Diskussion führen zu können. Das Forschungsinstitut Wifo hat im Jänner eine Studie rund um das Thema Staat als langfristiger Investor veröffentlicht. Das Papier ist eine gute Basis, um sachliche Argumente zu finden.

Die Wifo-Ökonomen rund um Michael Peneder haben sich angesehen, was die wissenschaftliche Literatur zur Effizienz von Staatsbetrieben sagt. Das Ergebnis ist eindeutig: "In internationalen Vergleichen erwiesen sich verstaatlichte Unternehmen als ineffizienter und weniger wachstumsstark als Privatunternehmen", heißt es in der Untersuchung. Die Studien, die vom Wifo angeführt werden, stammen allen voran aus den 90er-Jahren und haben untersucht, wie sich öffentliche Beteiligungen auf den Unternehmensgewinn auswirken.

Weniger profitabel

Heraus kommt, dass Staatsbetriebe oft ein Innovationsproblem haben. Das hat mehrere Gründe: So sei die Einmischung politischer Akteure in unternehmerische Agenden oft schädlich. Etwa dann, wenn ein öffentlicher Repräsentant im Aufsichtsrat sitze und neben dem Unternehmenserfolg auch eine eigene politische Agenda verfolge, wie die Umverteilung von Unternehmensgewinnen zu bestimmten Interessengruppen. Der politische Einfluss bringe auch mit sich, dass nicht allein nach unternehmerischen Prinzipien entschieden wird, sondern auch externe Interessengruppen ein Mitspracherecht haben.

Das Wifo-Paper zitiert eine Untersuchung, wonach unter den 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt "jene mit einem staatlichen Großaktionär eine signifikant geringere Profitabilität aufweisen als Unternehmen mit einem privaten Großaktionär".

Für den Studienautor Peneder folgt daraus aber nicht, dass neue öffentliche Beteiligungen in Österreich abzulehnen sind. Bestimmte Voraussetzungen sollten aber erfüllt sein, "was bei MAN nicht der Fall ist", sagt der Ökonom.

Nicht wichtig genug?

Öffentliche Beteiligungen wären zum Beispiel sinnvoll, wenn eine akute Krise wie die Pandemie Unternehmen bedrohe und der Staat zur Stabilisierung einspringe, sagt der Ökonom. Dieses Kriterium treffe auf MAN und das Werk in Steyr mit den 2300 Mitarbeitern aber nicht zu. Das VW-Tochterunternehnen kämpfte schon vor der Pandemie mit Absatzrückgängen, ist also in einer strukturellen Krise.

Ein Staatseinstieg sei noch dann argumentierbar, sagt der Wifo-Experte, wenn ein Betrieb eine übergeordnete volkswirtschaftliche Bedeutung habe und private Investoren fehlen, um ihn aufzufangen. Dann könne ein öffentlicher Einstieg Knowhow im Land halten und Strukturen bewahren.

Für Peneder fehlt jedoch die übergeordnete volkswirtschaftliche Bedeutung im Fall MAN. Zwar sei es richtig, dass viele Jobs direkt und indirekt am Standort Steyr hängen. Laut einer Einschätzung des Linzer Ökonomen Friedrich Schneider könnten bei einer Schließung des Werkes 8600 Arbeitsplätze verlorengehen. Hier sind die Zulieferer eingerechnet. Doch jede Betriebspleite reiße Zulieferer mit, sagt Peneder. Das allein könne keine Intervention rechtfertigen, sonst müsste die öffentliche Hand jeden Betrieb in Not auffangen.

Ein Unternehmen, bei dem der Staat hätte einsteigen sollen, ist die AUA, sagt der Ökonom. Das internationale Drehkreuz des Wiener Flughafens lebe von der AUA, die Airline sei also nicht nur für seine direkten Zulieferer wichtig, sondern auch für zehntausende andere Betriebe.

Über solche Bewertungen lässt sich freilich vortrefflich streiten. So gibt es aus den vergangenen Jahren einige erfolgreiche Fälle, bei denen der Staat zwischenzeitlich zum Unternehmer geworden ist. Etwa in der Automobilindustrie: Die US-Regierung hat als Folge der Weltwirtschaftskrise den damals schon strauchelnden Autobauer General Motors (GM) aufgefangen und 49,5 Milliarden US-Dollar in die Rettung des Konzerns gesteckt. Die USA wurden mit 61 Prozent der größte Anteilseigentümer bei GM. Rund drei Jahre später verkaufte der Staat. Auf den ersten Blick war das ein mieses Geschäft: Das Finanzministerium verlor elf Milliarden Dollar beim Verkauf der GM-Anteile.

Aber das Center for Automotive Research, ein industrienaher Thinktank, ist 2013 in einer Studie zur Erkenntnis gelangt, dass die Rettungsaktion sich finanziell auch für den Staat auszahlte. So müsse berücksichtigt werden, dass 1,2 Millionen Arbeitsplätze gerettet wurden und dass diese Arbeitnehmer Steuern zahlten und kein Arbeitslosengeld bezogen. Bei einer umfassenden Rechnung zeige sich, dass der Staat nicht elf Milliarden Dollar verloren, sondern 100 Milliarden gewonnen hat, so die Studie.

Interessant ist auch, dass Staatsbeteiligungen in globaler Perspektive nicht im Rückzug sind, im Gegenteil. Ende 2017 waren von den 10.000 größten börsennotierten Unternehmen 14 Prozent in der öffentlichen Hand. Auch diese Statistik führt die erwähnte Wifo-Studie an. Führend ist China, gefolgt von anderen aufstrebenden Schwellenländern (siehe Grafik). Aber auch europäische Länder wie Norwegen verfügen über große Staatsbeteiligungen. Hier ist es ein Fonds, der die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft investiert. Überhaupt kommen Staatsfonds eine wachsende globale Bedeutung zu, analysiert das Wifo.

Ökologisierung von innen?

Und so gibt es auch Stimmen, die in Staatsbeteiligungen weniger die Vergangenheit als ein Modell der Zukunft sehen.

"In einer Krisensituation wie jetzt bei MAN Steyr halte ich eine Staatsbeteiligung für sinnvoll", sagt Ulrich Brand, Politikwissenschafter mit Schwerpunkt Umweltpolitik an der Universität Wien. Er hat gerade ein Forschungsprojekt zum sozial-ökologischen Umbau der österreichischen Automobilindustrie abgeschlossen.

Der Staat könne bei MAN nicht nur Arbeitsplätze sichern, sondern auch mit einer Beteiligung am Lkw-Bauer Impulse zur Ökologisierung der Branche setzten. Angesichts der Klimakrise müsse der Umbauprozess der Wirtschaft auch auf der Unternehmensebene rascher vorangetrieben werden, so Brand.

Wann soll der Staat in Unternehmen einsteigen? Was taugt die öffentliche Hand als Investor? Darum ging es diese Woche bei "STANDARD mitreden", neben Ex-Kanzler Christian Kern waren auch Ex-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Monika Köppl-Turyna und Barbara Blaha dabei.
DER STANDARD

Die Weigerung der europäischen Industrie, den Umstieg auf Elektroautos früher einzuleiten, hänge ja daran, dass mit dem Verbrenner und vor allem mit den immer größeren Autos "saftige Gewinne" gemacht wurden und zeige, dass die Unternehmen alleine den notwendigen Wandel hin zu neuen Technologien allein nicht einleiten können.

An dieser Stelle widerspricht Ökonom Peneder. Welche Technologien zukunftsfähig sind, könne der Staat schlecht beurteilen, das müsse der Markt tun, alles andere sei nicht zukunftsfähig. Der Staat könne einen Wandel unterstützend begleiten.

Kritisch gegenüber einem staatlichen Einstieg ist auch die Haltung der ÖVP, wobei ein kategorisches Nein von Finanzminister Gernot Blümel bisher nicht zu hören war. (András Szigetvari, 13.4.2021)