Seit wir wegen unseres unerfüllten Kinderwunschs in Behandlung sind, verbringe ich viel Zeit in Arztpraxen, bei der TCM-Ärztin, in Kinderwunschforen und generell mit der eigenen Interpretation meiner Befunde. Weil mein Körper leider gerade nicht das macht, was er tun sollte, nämlich schwanger zu werden, bin ich umso intensiver mit seinen Vorgängen beschäftigt: Ist mein Zyklus wirklich regelmäßig? Wann genau spüre ich meinen Eisprung? Wie sieht mein Regelblut aus? Welche Konsistenz und Farbe hat mein Cervixschleim gerade? Der positive Nebeneffekt davon ist, dass ich mich viel gesünder fühle und auch viel weniger Regelschmerzen habe als je zuvor. Ich frage mich, warum eigentlich all diese Aspekte meiner Gesundheit vorher nicht wichtig waren.

Der weibliche Körper sollte nicht nur aus Reproduktionssicht betrachtet werden.
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Vorher war immer nur wichtig, nicht schwanger zu werden. Frauen, die mit Männern schlafen, verwenden viel Zeit in ihrem Leben darauf, die Schwangerschaft zu fürchten oder zu verhindern. Meistens mit hormoneller Verhütung, deren negative Folgen für den weiblichen Körper nicht immer gleich sichtbar sind. Erst seit einigen Jahren entsteht hier eine Gegenbewegung junger Frauen, die statt dem Verhindern der Schwangerschaft die Gesundheit des weiblichen Körpers in den Vordergrund rückten. Dass Männern die Nebenwirkungen der Pille gar nicht zumutbar wären, ist bereits ausreichend berichtet worden.

Reproduktion zählt

Für den weiblichen Körper gelten diese Nebenwirkungen nicht als Problem. Hauptsache, die unerwünschte Reproduktion wird verhindert. Überhaupt interessieren wir uns für die weiblichen Geschlechtsorgane nur, wenn es um Reproduktion geht.

Das fängt schon früh an: Mit 13 war ich zum ersten Mal bei einer Frauenärztin, weil ich meine Periode bekommen hatte. Ich war wahnsinnig aufgeregt, ein Zeichen des Erwachsenwerdens! Allein bei der Frauenärztin! Sie fragte mich ihren Fragebogen ab: "Name? Alter? Seit wann die Regel? Verkehr?" Von sexuellen Aktivitäten war ich damals noch sehr weit weg: Verkehr? Meinte sie, wie ich hierhergekommen war? Nach fünf Sekunden Verwunderung war mir klar: Geschlechtsverkehr! Irgendwie logisch: Die meisten meiner Freundinnen damals gingen tatsächlich erst dann zur Frauenärztin, wenn sie Geschlechtsverkehr und die Pille haben wollten. Es war damals ungewöhnlich, ohne den Wunsch nach Geschlechtsverkehr eine Frauenärztin aufzusuchen. Dabei hatte ich schon Pilzinfektionen, bevor ich jemals einen Mann geküsst hatte.

Mit Anfang 20 hatte ich dann schon Geschlechtsverkehr, aber noch immer einen relativ unregelmäßigen Zyklus – und manchmal auch starke Regelschmerzen. Als ich meinen Gynäkologen darauf ansprach, meinte der recht lapidar: "Wollen S' schwanger werden? Nein? Na dann." In Wirklichkeit hatte ich eine Schilddrüsenerkrankung, die erst ein paar Jahre später durch eine andere Ärztin diagnostiziert wurde. Kaum waren meine Schilddrüsenhormone eingestellt, war mein Zyklus fast so pünktlich wie ein Uhrwerk, und auch meine Regelschmerzen waren zumindest schwächer. Damit habe ich "Glück" gehabt – mit der Ärztin und dem relativ raschen Erkennen meiner Autoimmunerkrankung. Im Gegensatz dazu vergehen bei der Diagnose Endometriose nach wie vor noch sechs bis zehn Jahre, bis die Krankheit erkannt wird. Die meisten dieser Frauen sind zwischen 30 und 40 Jahre. Ich vermute einmal, die Diagnose wird häufig erst im Zuge des Kinderwunschs gestellt.

Gesundheit des weiblichen Körpers

Warum werden die Beschwerden vorher nicht ernst genommen? Oder hatten die Frauen alle keine Beschwerden, weil sie einfach die Pille genommen haben, um unerwünschte Regelschmerzen zu behandeln? Wieso hat mich der Arzt nicht ernst genommen, als ich ihm meine Beschwerden beschrieb? Ach ja, weil ich damals nicht schwanger werden wollte.

Es wäre höchste Zeit, die Gesundheit des weiblichen Körpers von der Reproduktion zu trennen. Ja, wir können schwanger werden. Aber ich hätte gern grundsätzlich so wenig Regelbeschwerden wie möglich und einen gesunden Körper mit gesunden Geschlechtsorganen – nicht nur, weil ich mich fortpflanzen möchte. (Christina Mayermann, 14.4.2021)