Bei Kanzler Kurz bedankte sich Rudolf Anschober nicht.

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Man muss schon sehr abgebrüht sein, um von der Rücktrittserklärung Rudolf Anschobers nicht menschlich berührt zu sein. Mehrmals brach ihm die Stimme, als er die Belastungen der vergangenen Monate ansprach. Wie ihm die Spaltung im Land zugesetzt, wie ihn Morddrohungen, vor allem an ihm nahestehende Menschen, Energie gekostet haben. Wie er alle politischen Bemühungen, die Corona-Pandemie zu bekämpfen, durch Populismus und Parteitaktik in der Regierung gefährdet sah, wie er sich zuletzt oft allein gelassen fühlte. Wie er beschrieb, dass er einfach nicht fit genug sei für die Weiterführung seines Amtes – "weil die Pandemie keine Pause macht". Man sah, was die vergangenen 15 Monate Anschober abverlangt haben.

Was auffällig fehlte: eine Erwähnung des Koalitionspartners, gar des Bundeskanzlers selbst. Man muss davon ausgehen, dass es die ÖVP und Sebastian Kurz waren, von denen sich Anschober allein gelassen fühlte. Umso mehr, als Anschober den Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler, "meinen wunderbaren Freund", ausdrücklich nannte und auch die Unterstützung durch den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) nicht unerwähnt ließ.

Einzelkämpfer in der Koalition

Dass sich Anschober als Einzelkämpfer in der türkis-grünen Koalition sah, ist eine alarmierende Erkenntnis. Schließlich sollte man sich als Staatsbürgerin darauf verlassen können, dass in der größten Gesundheitskrise der Zweiten Republik kein Blatt zwischen den Kanzler und seinen wichtigsten Minister, den Gesundheitsminister, passt – dass Kanzler, Minister und Landeshauptleute an einem Strang ziehen, zum Wohle und für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger.

Stattdessen konnte man auch schon vor diesem Rücktritt beobachten, wie der Kanzler den Krankenstand des Gesundheitsministers nutzte, um seine Impfstrategie in Grund und Boden zu kritisieren – und so zu tun, als habe er, Kurz, als Regierungschef gar nichts mit Versäumnissen bei dieser Strategie zu tun. Dazu kam noch der anhaltende Widerstand einiger Landeshauptleute gegen die Versuche Anschobers, explodierende Infektionszahlen mit regionalen Quarantänen zu bekämpfen. Wider besseres Wissen, wider jede gesundheitspolitische Vernunft.

Türkis und Grün müssen reden

Die Frage ist nun, wie es weitergeht. ÖVP und Grüne müssen Grundsätzliches bereden: Wie wollen sie weiter miteinander arbeiten, wie in der Regierung miteinander umgehen? So kann es nicht weitergehen, hier muss Anschobers Rücktritt auch als Alarmzeichen gesehen werden. So zu tun, als wäre "bloß" die angegriffene Gesundheit des scheidenden Ministers Grund für dessen Rückzug, wäre kurzsichtig. Es knirscht im Koalitionsgefüge. Kogler und Kurz können sich nicht darüber hinwegturnen.

Anschobers konsensuale Art, Politik zu machen – eigentlich ein Asset für einen Politiker –, war vor allem in der zweiten, zunehmend aggressiven Phase dieser Pandemie ein Nachteil. Oft wirkte er zögerlich, wo er konsequent hätte auftreten sollen. Dennoch werden seine Kompromissbereitschaft und sein permanenter Versuch, Optimismus in der Krise zu verbreiten, fehlen. Sein Abgang macht die Arbeit in der Regierung mit Sicherheit nicht leichter. (Petra Stuiber, 13.4.2021)