6,4 Millionen Pakete verschickte Unito im Vorjahr, um sieben Prozent mehr als 2019.

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Wien – Der stationäre Handel liegt über weite Strecken flach am Boden, E-Commerce erlebt einen Höhenflug. Der Onlinehandel wurde mit dem Ausbruch der Corona-Krise systemrelevant, sagt Harald Gutschi. Ohne die Möglichkeit, via Internet einzukaufen, hätten die Österreicher wohl eine "kleine Revolution auf der Straße" angezettelt.

Gutschi ist Chef von Unito Österreich. Die Gruppe vereint als größter österreichischer Onlinehändler Marken wie Universal, Otto und Quelle und profitiert wie der große Rivale Amazon von nicht enden wollenden Lockdowns.

20 Prozent mehr Umsatz erzielte Unito im Vorjahr mit 3,8 Millionen Kunden. Zwei Drittel der in Summe 423 Millionen Euro verbuchte der Konzern mit seinen 600 Mitarbeitern in Österreich. Gutschi ist davon überzeugt, dass der Handel durch die erzwungene Schließung stationärer Geschäfte die radikalste Veränderung seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erlebte.

"Zeitreise in die Zukunft"

Die Pandemie habe die Branche in einer Zeitreise um fünf bis acht Jahre in die Zukunft katapultiert. Und er ist sich sicher, dass sich das Rad nach dem Ende der Krise nicht zurückdreht: Der Großteil der Kunden, die mit dem Onlinehandel in den vergangenen Monaten zwangsläufig vertraut wurden, bleibe ihm treu. Virtuell einzukaufen sei quer durch alle Alters- und Bevölkerungsschichten in der Stadt wie auf dem Land massentauglich geworden.

Seit Corona Arbeit, Freizeit und Konsum diktiert, wuchs der Internethandel hierzulande um 17 Prozent, geht aus Erhebungen der Statistik Austria hervor. Lebensmittel, die im Netz ein Nischenleben führen, nicht eingerechnet, erledigen die Österreicher mittlerweile rund 18 Prozent ihrer Einkäufe online, rechnet Gutschi vor. In China und Südkorea liege dieser Anteil bereits bei 50 Prozent. Bis Länder wie Österreich nachziehen, sei es nur eine Frage der Zeit.

Vertreter des stationären Handels freilich mäßigen: Der Wert einer Ware ermesse sich auch am Ort, an dem sie gekauft werde. Für alles, wozu es Sinne brauche, werde es Kunden weiterhin in reale Geschäfte ziehen. Und eng verbunden mit dem Zugpferd Gastronomie habe Einkauf als Erlebnis und Freizeitbeschäftigung noch lange nicht ausgedient.

Einkauf im Homeoffice

Online bestellt wird jedenfalls zusehends mobil. Bei Unito mache der Anteil des Umsatzes, der via Apps generiert wird, knapp ein Viertel aus. Profiteur des E-Commerce-Booms im Corona-Jahr war vor allem der Möbelhandel. Gutschi weist für diesen Geschäftszweig 66 Prozent mehr Umsätze aus, was, wie er glaubt, massive Folgen für stationäre Verkaufsflächen habe.

Markant war der Rückgang der Retouren um 28 Prozent. Quer über das gesamte Sortiment liegt die Quote der Rücksendungen bei Unito bei 29 Prozent. Konsumenten widmen ihren Online-Einkäufen offenbar mehr Zeit. Produktbeschreibungen wurden detaillierter.

Mehr Spielraum

Auch der veränderte Konsum in Zeiten des Homeoffice half dabei, teure Retouren zu reduzieren: Jogginghosen sind von Natur als toleranter als anlassbezogene Mode. Elektrogeräte treten seltener den Weg zurück zum Absender an als Schuhe.

Unwahrscheinlich ist es freilich, dass sich die Preisspirale heuer hart nach unten dreht. Rohstoffe wie Holz, Metalle und Baumwolle haben sich empfindlich verteuert. Das schmälert den Spielraum für Rabatte auch im Web. Gutschi geht von höheren Einstandspreisen in einem überschaubaren Rahmen aus.

Unito rechnet nach dem Rekordjahr 2020 mit jährlichen Umsatzzuwächsen zwischen fünf und zehn Prozent. Als Rendite peilt der Konzern mit Sitz in Graz einen Rahmen zwischen zwei und vier Prozent an. Im Vorjahr sei dieses Ziel leicht übertroffen worden.

Druck zu Gewinnmaximierung gebe es keinen, sagt Unito-Geschäftsführer Achim Güllmann. Er verweist zudem auf 40,6 Millionen Euro an Steuern und Abgaben, die Unito in den vergangenen drei Geschäftsjahren in Österreich geleistet habe. Staatshilfen nahm das Unternehmen 2020 bis auf sechs Wochen Kurzarbeit eigenen Angaben zufolge nicht in Anspruch.

Harte letzte Meile

Gutschi stellt eine Verdreifachung des Sortiments auf vier Millionen Artikel in den kommenden zwei bis drei Jahren in Aussicht. Die letzte Meile der Pakete auf dem Weg zum Kunden will er beschleunigen und klimafreundlicher gestalten. Bereits jetzt werde CO2-neutral zugestellt. Partner des Konzerns sind die Österreichische Post und die Gebrüder Weiss.

Der enorme Anstieg an Paketsendungen bringt viele Zusteller an ihre Belastungsgrenzen. Gewerkschafter klagen über Dumpinglöhne und widrige Arbeitsbedingungen. Wie hält es Unito mit jenen, die als schwächstes Glied der Kette an der Front stehen?

Gutschi nennt sie "Helden der Logistik" und verwehrt sich dagegen, von einem pauschal unterbezahlten Heer an Tagelöhnern zu sprechen. Eine Zusammenarbeit mit schwarzen Schafen, die in der Zustellung unfair agierten, schließt er für seinen eigenen Konzern aus. (Verena Kainrath, 13.4.2021)