Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist am Dienstag zurückgetreten. Seine Rede im Wortlaut:

ORF

"Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Es ist jetzt gut 15 Monate aus, da hab ich eine sehr schöne, herausfordernde Tätigkeit übernommen. Mein Eindruck ist ja, es sind nicht 15 Monate, sondern eher 15 Jahre. So gefühlt, was wir alles erlebt haben. Arbeiten durften. Gemeinsam erlebt haben. Gemacht haben. In diesem Haus und darüber hinaus in diesem Land habe ich diese Funktion mit einer wirklich großen Freude begonnen. Es ist eines der größten Gesundheitsministerien Europas, das wir hier haben in Österreich. Das ist gut so. Es ist nicht nur ein Gesundheitsministerium, es ist auch ein starkes, großes Sozialministerium. Ganz wichtig, in Zeiten wie diesen. Es ist auch ein starkes Konsumentenschutzministerium, ein Ministerium für eine umfassende Pflegereform. Es ist ein Ministerium für Ernährungssicherheit. Ganz wichtig. Und Sie kennen das. Mir ist das auch sehr wichtig. Es ist das Ministerium für Tierschutz.

Ja, wir haben vieles geplant, vieles in Angriff genommen. Aber wir haben mittlerweile vieles davon auch soweit vorbereitet, dass es umgesetzt werden kann. Wir haben eine umfassende Pflegereform vorbereitet, wo wir in Kürze in Umsetzung gehen können. Das wird die größte Pflegereform, die es seit Jahrzehnten in Österreich gegeben hat. Die braucht es auch dringend. Gerade in den letzten Tagen ist das wieder einmal deutlich sichtbar geworden. Ich möchte mich auch bedanken, dass gestern sehr gute Worte gefunden wurden, von einem Vertreter der Pflege. Was es braucht, um die Ausbildung zu verbessern, was es braucht, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen, was es braucht, um eine bessere Entlohnung zu schaffen. Denn wir reden viel von Intensivstationen im Augenblick. Aber über die Menschen, die es tun, die seit Monaten weit, weit über das, was eigentlich erträglich ist, hinaus tätig sind und eine unfassbar gute Arbeit leisten, sollten wir mehr reden. Über die Ärztinnen und Ärzte oder Pflegerinnen und Pfleger reden wir zu selten.

Wir haben eine umfassende Kennzeichnung für die Lebensmittel in Vorbereitung und bereits in Umsetzung. Wir haben vieles im Bereich des Tierschutzes in Vorbereitung und in Umsetzung. Und es gibt in diesem Haus nicht nur die Pandemie, sondern es gibt auch einen großen Schwerpunkt, den wir in Vorbereitung haben. Was die Gesundheitsvorsorge betrifft, die Prävention soll in Zukunft in Österreich nicht nur in den Sonntagsreden, sondern auch in der Praxis großgeschrieben sein und werden. Und wir wollen auch einen für mich sehr, sehr wichtigen Schwerpunkt umsetzen. Auch für den sind die Türen geöffnet und es ist alles vorbereitet. Das ist ein massiver Ausbau der psychosozialen Versorgung in diesem Land. Auch da haben wir gute Vorbereitungsarbeiten und bereits erste Dinge umgesetzt. Das sind Maßnahmen gegen die Altersarmut von Frauen, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit in diesem Land, gegen die es anzukämpfen gilt. Das sind die Vorhaben. Da haben wir vieles weitergebracht.

Aber nach einem Monat circa, vor rund 14 Monaten ist dann das gekommen, was unser aller Leben massiv verändert hat, nämlich die schwerste Pandemie seit 100 Jahren, die schwerste Gesundheitskrise seit Jahrzehnten. Das hat tatsächlich unser aller Leben völlig verändert. Auch mein Leben. Auch meine politische Arbeit. Selbstverständlich.

Und das Gesundheitsministerium wurde Schritt für Schritt de facto über Nacht zum Steuerungszentrum in Österreich gegen die Pandemie. Analyse, Beratung, Entwerfen von Maßnahmen, Umsetzung unter anderem durch Verordnungen und Erlässe, die Kontrolle, die Steuerung all das für Außenstehende schwer, schwer, nachvollziehbar und unvorstellbar, was da an Herausforderungen für dieses Haus, für jeden einzelnen Mitarbeiter, für jede einzelne Mitarbeiterin bedeutet hat. Und bedeutet. Was es an Verantwortung bringt, an Belastung, ja Überlastung vielfach auch. Für mich persönlich, aber auch für jeden einzelnen Mitarbeiter und für jede einzelne Mitarbeiterin. Wir sind ja zusammengewachsen in dieser Zeit. Ein Team geworden. Ja, so geht es nicht nur uns. In diesem Gesundheitsministerium in Österreich, es geht so jedem Gesundheitsministerium in der Europäischen Union und weit darüber hinaus. Es ist deswegen kein Zufall, wenn ich mir gestern angeschaut habe, meinen ersten Besuch in Brüssel beim ersten Gesundheitsminister-Rat und dass ich von den damaligen Persönlichkeiten, die Minister gewesen sind und Ministerinnen mittlerweile viele nicht mehr finde auf den aktuellen Beschreibungen, weil sie nicht mehr in dieser Funktion sind.

In Tschechien zum Beispiel. Unsere Nachbarn haben mittlerweile den vierten Gesundheitsminister, der diese Funktion im Rahmen der Pandemie in Angriff genommen hat. Ja, weder die Europäische Union noch irgendein Mitgliedsstaat waren auf die Pandemie vorbereitet. So muss man ganz selbstkritisch zur Kenntnis nehmen. Daraus muss man lernen, auch Österreich war nicht vorbereitet. Auch nicht das Gesundheitsministerium, wenn wir ganz offen sind. Wir alle wurden überrascht in dieser Situation. Ganz im Gegenteil, beim Gesundheitsministerium haben wir gemerkt, dass es von einer Vor-Vor-Regierung auch noch parteipolitische Maßnahmen gegeben hat, die dieses Haus in diesem Bereich der Krisenabwehr geschwächt haben.

Was haben wir daher gemacht? Wir haben erstens einmal das Ministerium gemeinsam in einer Teamarbeit krisenfest und zukunftssicher gemacht. Einerseits einen starken Krisenstab in diesem Haus geschaffen, der sich aus allen Sektionen de facto zusammensetzt. Auch da: Teamarbeit an der Spitze. Wir haben zweitens eine große Organisationsreform im Haus gemacht, um es tatsächlich krisenfest und zukunftssicher auch mittelfristig zu machen und weiter funktionsfähig weiter zu haben. Wir haben zweitens das Gesundheitsministerium zu einem Steuerungszentrum gemacht. Die Analyse, die Experten. Ich hatte das Vergnügen, drei Beraterstäbe zu haben, mit großartigen Fachexperten und Fachexpertinnen. Und das ist wirklich eine Besonderheit. Alle ehrenamtlich, alle unentgeltlich, alle mit einem unglaublichen Engagement. Sie haben ihre Kompetenzen eingebracht und haben es uns ermöglicht, eine faktenbasierte Arbeit zu machen, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen.

Und wir haben versucht, trotz des enormen Zeitdrucks, soweit es halt irgendwie gegangen ist, auch meinem Grundprinzip politischer Arbeit treu zu bleiben, nämlich am Dialog orientiert mit Betroffenen zu arbeiten. Betroffene, wo immer es gegangen ist und geht, mit einzubinden. Das heißt, wir haben auf dieser Basis dann die Maßnahmen erarbeitet.

Wir haben die Umsetzung in die Gänge gebracht, unter anderem durch mittlerweile 106 Verordnungen und viele, viele Erlässe. Ich habe manchmal in den letzten Tagen – ich gebe es zu – in Zeitungen geschaut und hab da gelesen. Ja, warum gibt's da nicht eine Weisung des Gesundheitsministeriums? Schnell, aber die alles verändert? Ich habe mir zum Ziel gesetzt, das möglichst einvernehmlich zu gestalten. Aus zwei Gründen. Einvernehmlich mit dem Koalitionspartner, einvernehmlich mit den Bundesländern. Warum? Die Länder sind wichtig, wo es um die Akzeptanz geht. Denn dort, wo der Streit aufbrechen würde, wenn Bund gegen Länder streiten, dann ist das die totale Verunsicherung und die totale Verwirrung für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Und das wäre in dieser Krise ganz schlecht gewesen, aus meiner Sicht. Und zweitens haben wir in der Bundesregierung auch Arbeitsregeln, die bedeuten, dass jede Verordnung gemeinsam erlassen wird, gemeinsam beschlossen wird und es ein gemeinsames Vorgehen gibt.

Dann hat dieses Steuerungszentrum namens Gesundheits- und Sozialministerium die Steuerung der Arbeit durchgeführt, die Umsetzung, und das alles unter einem enormen Zeitdruck.

Ja. Ich verrate da nicht zu viel, aber auch nicht mehr. Da sind erhebliche Mühlen entstanden, erhebliche Mühlen, um diesen Konsens zu schaffen zwischen Verantwortung auf der einen Seite und Zeitdruck auf der zweiten Seite.

Es gab durchaus auch in manchen Bereichen einen Schuss Populismus, der spürbar war, und durchaus auch Parteitaktik, die spürbar gewesen ist. Aber in Summe glaube ich, dass wir eine gute Arbeit geleistet haben. In einer Pandemie ist niemand fehlerlos, jeder macht Fehler, es ist ein tagtägliches Erlernen von Neuerungen. Es ist Neuland, das wir beschritten haben und das wir jeden Tag wieder beschreiten. Und dennoch glaube ich, dass trotz Fehler sehr, sehr vieles in Österreich richtig gemacht wurde in diesen vergangenen 14 Monaten. Denken Sie nur daran, dass dieses Land mittlerweile beinahe Weltmeister beim Testen ist. International auf Vorzeige- und Modellregion. 300.000 Testungen am Tag mittlerweile. Ja, das ist eine ziemlich tolle Entwicklung. Oder, zweitens: Ganz unterschätzt aus meiner Sicht, viel besser und viel stärker als in der öffentlichen Wahrnehmung auch kommuniziert, die Praxis des Impfens in Österreich. Wir haben mittlerweile 2,2 Millionen durchgeführte Impfungen. 2,2 Millionen! Rund 20 Prozent der Impfbaren, eigentlich ein hässliches Wort, aber es ist der Fachbegriff, ist mittlerweile zumindest einmal geimpft. Und ich muss dazusagen, auch bei der Akzeptanz durch die Bevölkerung läuft es in Österreich viel, viel besser, als das gemeinhin manchmal wahrgenommen wird.

Schauen Sie doch an Stätten, wo wir FFP2-Masken zum Beispiel vorgeschrieben haben. Das wird eingehalten, das wird umgesetzt, das wird gelebt. Die überwiegende Mehrheit in diesem Land ist vernünftig, übernimmt Verantwortung, ist Teil der Lösung und bringt dieses Land gute Schritte weiter. Aus meiner Sicht sind wir immer dann erfolgreich gewesen in diesen 15, 14 Monaten Pandemie, wenn wir Einigkeit gehabt haben und zusammengehalten haben. In der Politik. Und in der Bevölkerung. Bei der ersten Welle, wo wir wirklich auch international wahrgenommen, relativ gut durchgekommen sind, die war geprägt von Einigkeit in allen Bereichen. Bei der zweiten Welle, da hat es schon vieles an Spaltung gegeben in diesem Land. Und wir haben gerade noch rechtzeitig die Notbremse gezogen, um ganz schwierige Situationen in den Intensivstationen zu vermeiden. Es war spürbar, dass teilweise Aggressivität zugenommen hat. Bei einem kleinen Teil, auch im Bereich der Corona-Leugner, nur einem kleinen Teil, Einzelnen, hat die Aggressivität massiv zugelegt. Ich habe das daran gemerkt, dass Morddrohungen gekommen sind. Ich habe das daran gemerkt, dass ich seit November unter Polizeischutz gewesen bin. Dass auch mir nahestehende Personen bedroht wurden. Ich muss dazu sagen, das ist auch ein Lernprozess gewesen für mich. Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei der Cobra, bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dort, die das höchst professionell einfühlsam gemacht haben, trotzdem aber nicht verhindern konnten, dass es eine Quelle meiner Energie damit nicht mehr da war. Nämlich so, dass ganz unbefangene Gespräche in der U-Bahn, auf der Straße, in der Westbahn, in der ÖBB, wo auch immer das war. Das war davor für mich immer eine wirkliche Energiequelle.

Ja, und bei der dritten Welle haben wir gemerkt, dass die Interessenskonflikte immer stärker zugenommen haben. Ich habe es mehrfach gesagt. Ich habe mich da sehr oft sehr alleine gefühlt. Ich bin froh, dass es gelungen ist, mit aller Kraft dann doch noch die geplanten Eröffnungen zu stoppen. Nicht auszudenken, was jetzt wäre, wenn wir vor vier Wochen die Gastgärten geöffnet hätten und diese Öffnungsschritte, die geplant waren, zum damaligen Zeitpunkt verwirklicht hätten. Und ich bin froh darüber, dass es gelungen ist, diese sogenannte Osterruhe – Kritiker haben recht, es ist ein Lockdown, es sind gravierende Schutzmassnahmen – dass die umgesetzt wurde in Ost-Österreich. Ich möchte mich da vor allem auch bei Bürgermeister Ludwig bedanken, der da ein sensationeller Unterstützer in dieser Phase gewesen ist. Und ja gestern auch gezeigt hat, dass er diesen Weg mutig weitergehen will. ]

Ja, wir sind bei dieser Pandemie noch nicht über dem Berg. Die Lage in den Intensivstationen in Ost-Österreich ist dramatisch. Ich habe das bereits vor Wochen prognostiziert und davor gewarnt und deswegen hat es eben diese Notbremse gebraucht, damit wir diese Trendwende zu sinkenden Infektionszahlen, Neuinfektionen schaffen. Da sind wir jetzt mittlerweile auf einem guten Weg. Aber es braucht immer zwei, drei Wochen, bis eine derartige Trendumkehr bei den Infektionszahlen, auch in den Intensivstationen ankommt. Noch dazu, wo die Aufenthaltsdauer in den Intensivstationen drastisch zugenommen hat und wir mittlerweile bei fast 30 Tagen, 29 Tagen im Durchschnitt, sind.

Ich appelliere an alle, die in Zukunft Verantwortung tragen. Und ich weiß, dass das auch so gelebt wird, dass diese Pandemie auch in den nächsten Monaten nicht unterschätzt werden darf.

Ich sehe vier große Probleme. Das eine sind die Mutationen. Wir wissen nicht, wie das Virus weiter handelt, wie es sich weiterentwickelt. Das zweite Problem, das ich sehe, ist, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung nach wie vor in Österreich nicht testen geht. Da haben wir eine Baustelle an Überzeugung, an Notwendigkeit, an Maßnahmen. Ich hoffe sehr, dass es da die erforderlichen Maßnahmen bald gibt und es eine politische Einigung darauf gibt.

Wir haben mehr als ein Drittel nach unseren derzeitigen Erfahrungen, Umfragen, die nicht impfen gehen werden. Und wir haben viertens ein Phänomen, das in Österreich noch viel zu wenig Thema ist. Das Ziel dieser Woche war eigentlich gewesen, es zum Thema zu machen, sichtbar zu machen und Maßnahmen einzuleiten. Das ist Long-Covid. Das sind viele, viele, viele Betroffene, die vielfach nur leicht betroffen sind am Beginn und dann nach Monaten doch sehr, sehr gravierende Spätfolgen und Probleme haben. Britische Studien gehen von zehn Prozent der betroffenen Infizierten aus, die von Long-Covid betroffen sein werden. Und ich denke, wir müssen in der österreichischen Gesundheitspolitik dieser Gruppe in der Bevölkerung alle Möglichkeiten, die es braucht, geben, was Betreuung betrifft, was Anerkennung als Krankheit betrifft und vieles andere mehr. Und deswegen warne ich davor, dass ein Gefühl entstehen könnte, dass man dann, wenn die Risikogruppen und ältere Mitbürger und Mitbürgerinnen geimpft sind, dass man dann zu rasch öffnen könnte. Es geht um jeden einzelnen Infektionsfall, der vermieden werden muss.

Diese Pandemie hat unser aller Leben völlig verändert. Ich habe schon gesagt, auch das meine. Ich habe in diesen 14 Monaten versucht, wirklich alles zu geben. Mit aller Kraft Verantwortung übernommen und an der Begrenzung der Pandemie mitgearbeitet. Einer von vielen, aber dennoch der, der dann in diesem Haus halt die Hauptverantwortung tragen durfte. Und ich habe seit vierzehn Monaten praktisch durchgearbeitet. Es hat keinen einzigen wirklich freien, völlig entspannten Tag gegeben und ich habe mich dabei ganz offensichtlich überarbeitet.

Seit einigen wenigen Wochen fühle ich mich, bin ich nicht mehr voll fit. Mir ist teilweise die Kraft ausgegangen. Ich habe zunehmend Kreislaufprobleme vor einigen Wochen gekriegt. Steigende Blutdruckwerte, steigende Zuckerwerte, ein beginnender Tinnitus als die logischen Folgen einer Überlastungssituation. Ich habe dann vor einem Monat einen Kreislaufkollaps gehabt. Auch kein Geheimnis darüber gemacht. Denn mein Grundzugang ist immer: Für Erkrankungen braucht sich niemand zu schämen. Wichtig ist, dass wir Tabus weg bringen. Und als ich vor neun Jahren ein Burnout gehabt habe, war es für mich selbstverständlich darüber zu reden, das sichtbar machen, transparent damit umzugehen. Ich denke, das hilft auch anderen.

Nach diesem Kreislaufkollaps vor einem Monat war ich anschließend in Spitalsbehandlung. Mir haben die Ärzte Schonung geraten, aber eine gute Nachricht haben sie auch für mich gehabt, nämlich dass es keine organischen Schäden gibt, die daraus entstanden sind. Und daher habe ich es nochmal versucht, und vielleicht auch zur Klarstellung, weil da immer bei manchen Geschichten so mitschwingt, naja, er hat ja vor neun Jahren schon einmal ein Burnout gehabt: Das, was ich jetzt spüre, wo mir ein Teil der Kraft ausgegangen ist, das ist kein Burnout. Ich weiß ganz genau, wie sich ein Burnout anfühlt. Das ist etwas völlig anderes. Bei einem Burnout würde ich nicht hier stehen. Da hat man die Kraft nicht mehr dazu. Das ist, wie wenn ein Stecker rausgezogen wird das dir, was die Energiezufuhr betrifft.

Ich bin überarbeitet und ausgepowert. Das ist es. Mir ist es dann nach diesem Spitalsaufenthalt in zwei Wochen sehr gut gegangen. Hab voll gearbeitet. Dann sind die Kreislaufprobleme wiedergekommen, und der zweite Kreislaufkollaps war genau vor einer Woche. Am Morgen des vergangenen Dienstag. Und ich habe gemerkt, da muss ich jetzt für mich eine Notbremse ziehen. Und ich habe daher mit den Ärzten gesprochen, die haben mir zur Schonung und einer Auszeit geraten. Und ich denke, in jedem Beruf, auch als Gesundheitsminister, müsste dies grundsätzlich möglich sein. Aber wir sind in keiner normalen Situation. Wir haben die schwerste Pandemie seit 100 Jahren, wir haben die schwerste Gesundheitskrise seit Jahrzehnten.

Und ich bin daher in den letzten Tagen zu folgendem Entschluss gekommen: Erstens in der schwersten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten braucht die Republik einen Gesundheitsminister, der zu 100 Prozent fit ist. Das bin ich derzeit nicht. Und das werde ich, wenn ich keine Notbremse ziehe, auch in den nächsten Wochen nicht sein. Zweitens, diese Pandemie, die macht keine Pause. Und daher kann auch ein Gesundheitsminister keine Pause machen und eine Auszeit nehmen. Und drittens ein Gesundheitsminister für die Gesundheit da, ja auch für die eigene Gesundheit. Und ich kenne mich mittlerweile doch schon seit 60 Jahren. Die Zeitmenge heißt noch nichts über die Intensität, aber ich habe mich schon kennengelernt und ich weiß auf jeden Fall eines, auch wenn ich nur 50, 60, 70 Prozent Fitness habe, ich will 100 Prozent Leistung bringen. Und das geht auf die Dauer nicht. Und das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Und ganz klar formuliert: Ich will mich auch nicht kaputt machen.

Ich hab deswegen auch in Absprache mit meinen Ärzten mich dazu entschieden, meine Funktion als Minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und KonsumentInnenschutz niederzulegen.

Hab den Bundespräsident gebeten, mich mit kommenden Montag dieser Amtstätigkeit zu entbinden. Am kommenden Montag wird voraussichtlich die Angelobung meines Nachfolgers stattfinden. Bis dorthin wird der wunderbare Vizekanzler dieser Republik, so wie in den letzten Tagen praktiziert, meine Vertretung verwirklichen, wofür ich ihm herzlich danke. Ich möchte jetzt eine gute Übergabe sicherstellen. Mich in den nächsten Wochen dann ganz auf meine Gesundheit konzentrieren, wieder ganz fit werden. Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass sich das nach ein paar Wochen geschafft habe und wieder voll fit bin und alle Kraft wieder da ist.

Ich habe noch keine konkreten Pläne für die Zeit danach. Es ist wirklich dieser Entschluss, Schritt für Schritt in den letzten Tagen entstanden. Ich werde aber sicherlich, sobald ich wieder ganz fit bin, mein Wissen und meine Kompetenz aus insgesamt – mittlerweile sind es ja fast 18 Regierungsjahre – versuchen weiterzugeben auf die eine oder andere Art. Und ja, und das ist jetzt der Moment, wo es in mir wieder ein bisschen zu strahlen beginnt. Ja, irgendwann, ich betone irgendwann, das hat überhaupt keine zeitliche Planung in sich, möchte ich meinen Traum umsetzen, nach fünf Sachbüchern meinen ersten politischen Roman zu schreiben. Und vielleicht gibt's da in den Erfahrungen und Erlebnissen der letzten Wochen, Monaten, die eine oder andere Inspirationsquelle für diesen Stoff, für den sie sich dann hoffentlich interessieren.

Ja, und es bleibt mir zum Schluss nur mehr, mich zu bedanken. Erstens bei meiner wirklich großartigen Partnerin. Mit der ich in den letzten Monaten so richtig zusammengewachsen bin. Ich möchte mich bedanken bei einer hervorragenden Kabinettschefin. Und einem tollen Team. Hier im Kabinett und im ganzen Ministerium. Danke an alle. Ich möchte mich bedanken bei einer wirklich wunderbaren grünen Regierungsfraktion. Also ich hab mir das ja, ich bin da bissel Skeptiker in der Politik auch manchmal oder Realist geworden. Aber echt, ein Team von Freundinnen und Freunden zu haben, das ist große Qualität. Ganz ungewöhnlich. Und ich möchte mich bedanken beim grünen Parlamentsklub. Möchte mich vor allem aber auch beim Vizekanzler bedanken, mit dem ich in den von Werner Kogler, meinem Freund, mit dem ich in den letzten Tagen viel im Kontakt gewesen bin. Wir haben alle Schritte auch einvernehmlich besprochen. Auch die Nachfolge einvernehmlich besprochen und geklärt. Auch die Weiterentwicklung dieses Hauses miteinander diskutiert. Ja, und ich möchte mich aber ganz vor allem besonders zum Schluss bei einer Gruppe von Menschen bedanken, sowas habe ich eigentlich noch nie erlebt, so wie in den letzten 14, 15 Monaten, nämlich tausende Menschen, die auf unglaublich unterstützende, liebevolle Art diese Arbeit begleitet haben, mit täglichen Mails, Briefen, Blumen, Mehlspeisen, die sie geschickt haben. Das alles hat sehr viel Kraft gegeben, sehr lange Zeit hindurch. Vielen, vielen Dank dafür. Und Ihnen sage ich: Auf Wiedersehen."

Foto: DER STANDARD/Heribert Corn