Clemens Berger (links) und Theodora Bauer (Mitte) lesen aus ihren burgenländischen Amerikaromanen und reden darüber. Schauplatz ist das zurzeit amerikanische burgenländische Landesmuseum.

Foto: Grenzenlos lesen

Das schöne Lockenhaus liegt am Fuße des höchsten burgenländischen Berges. Geschriebenstein heißt er. Auf seiner Ostseite sagt man, sinngleich, Írottkő dazu. Der Normalburgenländer und die Normalburgenländerin nennen den fast 880 Meter hohen Berg – schlicht, aber korrekt – G'schriebener.

2016, vor fünf Jahren, wurde hier das Literaturfestival "Grenzenlos lesen" aus der Taufe gehoben. Das hat gut zu Lockenhaus gepasst. Vor mittlerweile vierzig Jahren hat Gidon Kremer im Bewachungsschatten der alten Templerburg schon das renommierte Kammermusikfest gegründet. Das alles und noch mehr macht Lockenhaus und den G'schriebenen zu einer empfehlenswerten Besuchsdestination.

Literarische Krowodei

Dummerweise herrscht Pandemie und also Lockdown und also Kultursperre. Und also übersiedelt das Literaturjubiläum, das sich im heuer stattfindenden 100-Jahr-Jubiläum des ganzen Landes eingerichtet hatte, in die hoffentlich virenfreie Virtualität. Diesbezüglich haben sich die Initiatoren der "Buchwelten" in Felsőpulya/Oberpullendorf Beistand geholt aus der nahen mittelburgenländischen – wie sagt man das? – Krowodei, die ja in Dolnja Pulja / Unterpullendorf schon beginnt.

Dort haben schon die nunmehr Alten die Mehrsprachigkeit gepredigt statt des einhegend-einsprachigen Schmorens im eigenen Saft. Die Jungen führen es auf ihre Weise fort. Zum Beispiel im Online-Organ des ehrwürdigen Hrvatski akademski klub, "Novi glas". Das erhebt seine antifolkloristische "neue Stimme". Und sucht überall Andockmöglichkeiten. Literatur bietet sich an.

Videokunst

Konstantin Vlasich von "Novi" glas schreibt selber geläufig zweisprachig. Nun hat er das Lesefest ins Virtuelle gehoben: "Absagen gibt es seit Eh-schon-wissen genug. Wir wollen mit technischen Möglichkeiten zeigen, wie sich Literatur und Digitales nicht im Weg stehen, sondern ineinander aufgehen. Gleichzeitig zeigen wir regionale Themen, die es so ausführlich meist nicht ins Fernsehen schaffen."

In drei jeweils abgeschlossenen, dramaturgisch gestalteten Folgen werden, verspricht Vlasich, "literarische Texte, Gespräch und Schauplatz zu einem kleinen Videokunstwerk verschmelzen".

Unsere Amerikaner

Teil eins ist ab Donnerstag hier abruf- und also anschaubar. Im Ambiente des Eisenstädter Landesmuseums, wo gerade die Ausstellung "Unsere Amerikaner" läuft, wird die pannonische Amerikawanderung zum Thema gemacht. Theodora Bauer präsentiert ihren gerühmten Auswandererroman "Chikago", Clemens Berger "Der Präsident" über die erstaunliche Lebensgeschichte des burgenländischen Doubles von Ronald Reagan.

In der zweiten Folge im Mai rückt die Literatur der burgenländischen Volksgruppe in den Rahmen des Deutschkreutzer Schlosses. Teil drei präsentiert Anfang Juni dann in Raiding junge pannonische Lyrik.

Ein jeder und eine jede aber hofft klarerweise, dass zumindest die Lyrikfolge nur noch schmuckes Beiwerk zu einer poetischen Begegnung der handfesten Art sein wird. (Wolfgang Weisgram, 14.4.2021)