Abgang Thomas Müller, Bühne weiter frei für Kylian Mbappe.

Foto: AFP/Fife

Was wird aus Trainer Hansi Flick?

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Das Ende der langen Traumreise durch Europa hat allen im Tross des FC Bayern zugesetzt. Bosse, Spieler und auch der Trainerstab um den ausgebremsten Titelsammler Hansi Flick verließen den Pariser Prinzenpark frustriert. "Direkt nach dem Spiel muss ich erstmal das Ausscheiden verdauen, das steht einem auch zu", betonte der mit Zukunftsfragen konfrontierte Flick vor der Fahrt zum Teamhotel nach dem 1:0-Sieg gegen Paris Saint-Germain.

Dieser war für den Titelverteidiger nach der 2:3-Heimniederlage in der Vorwoche zu wenig, um ins Semifinale der Champions League einzuziehen. Die Auswärtstorregel sicherte PSG die erfolgreiche Revanche für die 0:1-Endspielniederlage am 23. August des Vorjahres beim Finalturnier in Lissabon. ÖFB-Star David Alaba und die Münchner hatten damit nach Meisterschaft und DFB-Pokal das Triple perfekt gemacht. Es folgten noch die Gewinne des nationalen und europäischen Supercups sowie der Triumph bei der Klub-WM, womit die Bayern das Maximum von sechs Titeln in diesem Zeitraum erreichten.

Bayern reden von Pech

"Wir sind ausgeschieden, weil wir im Hinspiel einfach zu wenig Tore erzielt haben. Das dritte Tor war zu viel. Aber letztendlich muss man sagen, dass wir auf beide Spiele gesehen, die bessere Mannschaft gewesen sind", sagte Flick. "Man hat auch gesehen, was für eine Qualität die Mannschaft von Paris hat. Ich muss meiner Mannschaft dennoch ein Kompliment machen, auch wenn wir uns davon nichts kaufen können. Sie war sehr konzentriert und hat alles versucht. Wir müssen es so akzeptieren und von daher kann man nur als Fairer Verlierer den Parisern gratulieren."

"Die Enttäuschung ist groß. Wir haben viel Herzblut reingesteckt, aber ein Tor zu wenig erzielt", sagte Vizekapitän Thomas Müller nach einem Sieg, der sich wie eine Niederlage anfühlte. Ein 2:0 hätte zum Weiterkommen gereicht. Das Kopfballtor von Lewandowski-Vertreter Eric Maxim Choupo-Moting kurz vor der Pause langte nicht, um das Halbfinalticket gegen Manchester City oder Borussia Dortmund doch noch zu lösen. Die Hypothek des Chancenwuchers in der ersten Partie war letztlich zu groß, ebenso das personelle Handicap.

"Gerade in der wichtigsten Phase der Saison, nämlich April, Mai, haben wir Lewandowski, Gnabry, Goretzka, Süle nicht zur Verfügung", bemerkte Flick. "Spieler, die uns weitergeholfen hätten." Gegen die Besten der Welt, wie es der im Hinspiel zweimal erfolgreiche Torschütze Kylian Mbappe und der am Dienstagabend herausragende, aber an Latte, Stange und Manuel Neuer scheiternde Superstar Neymar sind, war das mitentscheidend.

Flicks Zukunft?

"Das Leben geht weiter", sagte Flick. Und vor allem gehen die Debatten um ihn weiter, um sein Spannungsverhältnis zu Sportvorstand Hasan Salihamidzic und seine womöglich schon im Sommer vorzeitig endende Bayern-Zeit. Und das in nun nochmals verschärfter Form. Das verdeutlichte ein fast fünf Minuten dauernder Flick-Monolog bei Sky.

Der Erfolgscoach deutete manches an, sprach sogar über mögliche Vorteile des Postens als deutscher Bundestrainer, der einen anderen Lebensrhythmus ermöglicht. Aber als Abschiedsrede hielt er das für fehlinterpretiert: "Das steht einem auch zu, dass man nicht 30 Minuten nach dem Spiel seine ganzen Gedanken bei sich hat und über die Zukunft sprechen will."

Einen Gesprächstermin mit dem designierten Vorstandschef Oliver Kahn zum Thema Zukunft bestätigte er nicht. Klar ist vorläufig nur eines: Flick, dessen Vertrag in München noch zwei Jahre läuft, will weiter als Trainer arbeiten, ob bei Bayern oder als Nachfolger von Joachim Löw beim Nationalteam. "Ich hänge an dem Trainerjob, und deswegen kann ich mir auch nichts anderes vorstellen als diesen Beruf", versicherte der 56-Jährige, der mit den Bayern nach dem Pokal nun auch in der Königsklasse gescheitert ist.

Das Minimalziel

Die neunte deutsche Meisterschaft en suite rief Flick auch sofort als letzten Auftrag für sich und sein Team aus. Fünf Punkte beträgt sechs Runden vor Schluss der Vorsprung auf RB Leipzig. "Jetzt schauen wir, dass wir in der Bundesliga das zu Ende bringen, die Meisterschaft holen. Das ist unser Minimalziel jetzt, mehr können wir leider diese Saison nicht mehr machen."

Neymar und der Rest des Starensembles von Paris dürfen dagegen weiter vom Finalsieg am 29. Mai in Istanbul träumen. "Jetzt hoffen wir, dass wir den Pokal holen", bekräftigte der teuerste Spieler der Welt, für den PSG vor vier Jahren 222 Millionen Euro an den FC Barcelona überwiesen hatte. Im Barca-Trikot triumphierte der Brasilianer 2015 an der Seite von Rekord-Weltfußballer Lionel Messi zum bisher einzigen Mal in Europas Königsklasse. PSG gelang dies bisher noch nie.

Alaba und Neymar

Aufgefallen ist nach dem Schlusspfiff in Paris, dass Neymar diesmal Alaba in den Arm genommen hatte. Anders als im Champions-League-Endspiel vor acht Monaten, als Bayerns Abwehrchef nach dem 1:0-Sieg der Münchner in Lissabon noch den weinenden Superstar von PSG getröstet hatte, drückte nun der Brasilianer Anerkennung und Mitgefühl aus. Manch einer fragte sich bei der emotionalen Szene sogar, ob Neymar nicht am Ende noch um Alabas Dienste für PSG warb.

Denn die Zukunft des 28-jährigen Wieners ist weiter ungeklärt. Das Spiel im Prinzenpark war das vorerst letzte Europacup-Match des ÖFB-Stars für die Bayern. Als favorisierte künftige Destinationen Alabas werden Real Madrid und der FC Barcelona gehandelt. Auch die Zukunft des 29-jährigen Neymar ist ein heiß diskutiertes Thema. Ob er in Paris bleibe oder nicht, sei "nicht einmal mehr ein Thema. Es ist offensichtlich, dass ich mich sehr wohlfühle, zu Hause fühle bei Paris Saint-Germain", betonte der Südamerikaner.

Chelseas Freude

Mit PSG ist auch Chelsea weiter. Der Einzug ins CL-Halbfinale war für die Blues und Thomas Tuchel aber nicht selbstverständlich. Daher wies der Trainer auf die Besonderheit dieses Erfolgs hin. "Wenn du in der Geschichte schaust, siehst du, dass das eine große Errungenschaft ist für alle von uns, das ist keine Normalität, dass du da ankommst. Das Halbfinale in der Champions League ist eine große Sache", betonte der Deutsche nach dem 0:1 gegen Porto, das dank des 2:0 im Hinspiel für den Aufstieg reichte.

Für die Londoner ist es der erstmalige Einzug unter die besten vier in Europas Königsklasse seit 2014, als man im Halbfinale an Atletico Madrid gescheitert war. Kein englischer Club kann aber mehr Semifinal-Teilnahmen in der Champions League (seit 1992/93) vorweisen als Chelsea mit nun acht. Den Titel gewannen die "Blues" bisher allerdings nur 2012. (APA, sid, red, 14.4.2021)

Pressestimmen:

Frankreich

L'Equipe: "Ein Jubelschrei, der aus dem Herzen kommt. PSG leidet gegen die Bayern, aber qualifiziert sich für das Halbfinale. Paris wurde durchgerüttelt, wurde verängstigt, aber hat sich befreit. Auch Paris hatte, vor allem in der ersten Halbzeit, Chancen, hat sich das Leben aber unnötig kompliziert gemacht."

Le Parisien: "Trotz 0:1 – Paris öffnet sich den Boulevard zum Champions-League-Sieg. Die knappe Niederlage gegen einen weiteren Riesen Europas bringt Paris der Verwirklichung seines Traumes näher."

Ouest France: "Paris hat es geschafft. Zum zweiten Mal in Folge stehen sie unter den besten Vier Europas. Nach Barcelona haben sie sich jetzt die Bayern geschnappt. Im Prinzenpark, wo nicht alles glatt lief in dieser Saison für PSG, hat eine knappe Niederlage gereicht. In der ersten Halbzeit waren die Pariser nicht vom Glück verfolgt."

England

The Guardian: "Die Bayern scheiden in einem der besten Europacup-Viertelfinals aller Zeiten aus. Wenn dieser schätzenswerte, wild-emotionale Sieg Paris nicht daran glauben lässt, dass sie die Champions League gewinnen können, wird es niemals der Fall sein."

The Times: "Volle Kraft voraus für den "Poch Express", wenigstens in diesem Wettbewerb."

Mirror: "Rache ist süß! Choupo-Moting trifft gegen seinen Ex-Klub, aber es reicht nicht."

BBC: "Ein Meilenstein für Pochettino – aber das Ende für Flick? Ein Ergebnis, das sich wie ein Startschuss für die Amtszeit eines Trainers anfühlt, weist alle Merkmale eines Endes für den anderen auf."

Spanien

Marca: "PSG erlegt den Champion in einer weiteren Ode an den Fußball. PSG und Bayern haben uns ein Monument des Fußballs geschenkt, das im Louvre ausgestellt sein müsste. Neuer und das Aluminium hielten den Meister bei der Vorführung von "O Rei" Neymar am Leben. Bayern starb aufopferungsvoll. Paris rächt sich für das Finale von Lissabon."

AS: "PSG setzt sich an den Tisch der Bayern. Neymar machte eines der besten Spiele seiner Karriere. Es wurde ein Duell, das in die Fußballgeschichte eingehen wird. Es wurde eine Neymar-Show. Es ist sicherlich keine Schande, wenn man so ausscheidet, Bayern wird ohne Zweifel nächste Saison zurückkommen."

Sport: "Die Pariser schmeißen ihren Henker aus dem Champions-League-Zug. PSG lebte von der Magie seiner Superstars."

El Mundo Deportivo: "Süße Niederlage für PSG, der Meister geht k.o. PSG verabschiedet sich von den Geistern vergangener Aufholjagden. Neymar war der überragende Mann auf dem Platz."