Er entscheide für Wien und trage somit die Verantwortung für sein Bundesland, Landeschef Hans Peter Doskozil tue dies für das Burgenland, reagierte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) fast ein wenig verschnupft auf die Ankündigung seines Parteikollegen. Zuvor hatte das Burgenland bekanntgegeben, am kommenden Montag den Lockdown zu beenden.

Dann sollen Handel sowie körpernahe Dienstleister im Burgenland öffnen, die Schulen den Unterricht vor Ort aufnehmen. Damit schert das Burgenland aus der – von Ludwig maßgeblich vorgegebenen – gemeinsamen Strategie der Ostregion aus. Denn Wien und Niederösterreich bleiben bis 2. Mai im Shutdown. Lediglich Schülerinnen und Schüler dürfen eine Woche früher in die Präsenzlehre wechseln.

"Wir haben die politischen und gesundheitlichen Konsequenzen für unser Handeln in unseren jeweiligen Bundesländern zu tragen", twitterte Ludwig. Solange die Auslastung auf den Intensivstationen "so hoch ist, wie sie derzeit eben ist", betonte der Bürgermeister, wäre es "unverantwortbar", die Schutzmaßnahmen zurückzunehmen. Am Mittwoch zählte die Hauptstadt 223 Intensivbetten, die mit Covid-Patientinnen und -Patienten belegt waren.

Intensivstationen am Limit

Er sei sich dessen bewusst, dass die Beendigung des Lockdowns ein Risiko darstelle, sagte Doskozil. Überzeugt sei der Landeshauptmann davon, "dass wir in letzter Konsequenz nie sagen können, was richtig oder falsch ist". Die Sieben-Tage-Inzidenz stimmt in Eisenstadt positiv. Das Burgenland liegt mit 191 Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner unter dem Österreich-Schnitt von 209. Sorgen machen Doskozil aber die Spitäler. Die arbeiten am Limit. 27 der zuletzt auf 35 aufgestockten Covid-Intensivbetten waren am Mittwoch belegt. Das waren um sechs mehr als noch am Vortag.

Eisenstadt sperrt am Montag auf.
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Die planbaren Operationen, sagt Hubert Eisl, Geschäftsführer der landeseigenen Krankenanstalten-Gesellschaft, "sind um ein Drittel reduziert, um Personal für die Covid-Stationen freizubekommen". Nehme man die zweite Welle im Herbst als Vergleich, so würde man in dieser Woche den Höhepunkt auf den Intensivstationen erreichen.

Als "kühn" bezeichnete Michael Lang, Präsident der Ärztekammer Burgenland, die Öffnung. Man müsse die Spitäler im Auge behalten und bereit sein, "schlagartig die Reißleine zu ziehen", sollten die Zahlen dort steigen, sagte er der APA. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hält den Schritt des Nachbarbundeslands angesichts der sinkenden Infektionszahlen für "angebracht und verständlich". Auch die Wirtschaftskammer und der Handelsverband begrüßen die Öffnungsschritte.

Testkapazitäten werden ausgebaut

Es sei ein Fehler, sagte Doskozil, die Alternativen immer nur "im Zusperren oder Öffnen" zu sehen. Im Burgenland werde nun ein Zwischenweg beschritten: "Testen, testen, testen." Das Burgenland werde darangehen, die Corona-Testungen stark auszuweiten. "Wir wollen 300.000 Tests pro Woche durchführen." Das Bundesland zählt 295.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Zum Vergleich: Am Mittwoch meldete das Burgenland 10.424 Testungen innerhalb von 24 Stunden ein. Hochgerechnet auf eine Woche käme man auf rund 73.000 Tests – wobei am Wochenende für gewöhnlich weniger getestet wird. Der Schwerpunkt der Testungen soll künftig auf den Schulen und Betrieben liegen. Sowie darauf, Per spektiven zu eröffnen. "Nur so kann man die Bevölkerung mitnehmen", sagte Doskozil.

Der burgenländische Weg wird jedenfalls wissenschaftlich begleitet. Der Epidemiologe Hans-Peter Hutter wird die Region Neusiedl-Parndorf mit insgesamt rund 15.000 Einwohnerinnen und Einwohnern monitorisieren. "Wir haben das Ziel, zumindest 60 bis 80 Prozent der Bevölkerung in sehr kurzen Abständen zu testen." Das Projekt laufe bereits, "um einen Basiswert zu haben".

Grundlage für weitere Öffnungen

Das Projekt biete laut Hutter die Gelegenheit, "eine Öffnung abbilden zu können". Und eine faktenbasierte Grundlage für Öffnungsschritte anderswo zu haben. Hutter liefere aber auch die Entscheidungsgrundlagen, um rasch reagieren zu können. "Wenn es nicht funktioniert, muss man den Mut haben, Maßnahmen auch wieder zurückzunehmen", betonte Doskozil.

Und Niederösterreich? Hier ist die Lage trotz Rückgangs auf den Intensivstationen angespannt. Dort benötigten 127 Corona-Erkrankte am Mittwoch ein Intensivbett. (Oona Kroisleitner, Wolfgang Weisgram, 14.4.2021)