Die Causa Wirecard ist einer der größten Finanzskandale Europas.

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Aschheim – Deutsche Sicherheitsbehörden kooperieren laut Sonderermittler Wolfgang Wieland bei der Aufklärung des Wirecard-Skandals nicht ausreichend mit dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags. Eigentlich solle er sich als "Scout" durch Akten und Dateien wühlen – "an solcher Materialfülle fehlte es hier", schreibt der vom Ausschuss eingesetzte Ermittler in seinem zehnseitigen Bericht. Viele Antworten seien geschwärzt oder wegen strafrechtlicher Ermittlungen gesperrt worden.

Wichtige Fragen seien daher ungeklärt geblieben. Trotzdem kommt Wieland etwa zu dem Ergebnis, dass das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) bei mehreren Projekten mit Wirecard zusammenarbeitete und dabei "sicher ahnungslos den Bock zum Gärtner" machte. Das BKA müsse sich die Frage gefallen lassen, "ob sie nicht als Instanz zur Bekämpfung von Geldwäsche und organisierter Kriminalität ihre Partner kritischer hätte unter die Lupe nehmen müssen".

Geheimdienstverwicklung?

Offen bleibt die Frage, ob Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der auf der Flucht ist, in die Arbeit von Geheimdiensten verwickelt war. Die Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz habe bisher keine Belege, dass Marsalek an russische Nachrichtendienste angebunden gewesen sei. "Sie sucht weiter", schreibt Wieland.

Der ehemalige Berliner Justizsenator und Grünen-Politiker will seinen Bericht am Donnerstag im Untersuchungsausschuss vortragen. Direkt danach sollen zwei ehemalige Geheimdienstkoordinatoren der deutschen Regierung aussagen. Unter anderem geht es dabei um Lobbyismus für Wirecard und ein Treffen mit Marsalek.

Wirecard-Gesetz

Die Union rechnet unterdessen im Mai mit einer Einigung im Bundestag auf Details des Wirecard-Gesetzes. "Wir wollen keinen Schnellschuss", sagte CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer am Mittwoch in Berlin. Vor der Sommerpause solle das Vorhaben aber in die Spur gesetzt werden – und damit rechtzeitig vor dem Ende der Amtszeit der großen Koalition.

Vor allem bei der Bilanzkontrolle müsse nachgeschärft werden, ergänzte der CDU-Finanzexperte Fritz Güntzler. Das zweistufige System aus der Bonner Finanzaufsicht Bafin und der als "Bilanzpolizei" bekannt gewordenen privatwirtschaftlichen DPR müsse abgeschafft werden, weil es im Fall des milliardenschweren Wirecard-Finanzskandals versagt habe. Dafür brauche es mehr Personal bei der Bafin, die künftig allein zuständig sein soll. Zudem sei unter der neuen Bafin-Führung auch eine andere Kultur mit einer kritischen Grundhaltung gegenüber großen Konzernen gefragt.

Bei der geplanten Haftungsverschärfung für Wirtschaftsprüfer, die die SPD durchsetzen will, werde die Union in der Grundrichtung mitgehen, so Hauer. Es müsse aber verhindert werden, dass die Konzentration auf dem Markt mit nur vier Hauptanbietern nicht noch stärker werde und so weniger Auswahl am Ende bestehe.

Union ortet schwere Fehler bei EY

Aus Sicht der Union haben die Wirtschaftsprüfer von EY, die jahrelang die Bilanzen von Wirecard testiert haben, schwere Fehler gemacht. Die politische Verantwortung für das "kollektive Aufsichtsversagen" wird aber dem Koalitionspartner SPD zugeschoben, insbesondere Finanzminister Olaf Scholz und seinem Staatssekretär Jörg Kukies. Beide sollen nächste Woche im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen. Es wird mit langen Befragungen gerechnet, vermutlich auch Nachtsitzungen.

Der frühere Dax-Konzern Wirecard war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrugs, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Manager des Zahlungsabwicklers sitzen in Haft oder befinden sich auf der Flucht. Die deutsche Regierung will mit dem sogenannten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG), das im Dezember vom Kabinett gebilligt wurde, der Bafin mehr Durchgriffsrechte bei Bilanzprüfungen geben und Wirtschaftsprüfer enger an die Leine nehmen.

CSU-Politiker Hans Michelbach sprach vom größten Finanzskandal in Europa. Der wirtschaftliche Schaden summiere sich auf mehr als 22 Milliarden Euro, viele Kleinanleger seien geschädigt worden. EY, Bafin und Finanzministerium hätten alle Schützenhilfe geleistet. "Man hat es Wirecard zu einfach gemacht." (APA, 14.4.2021)