L'Amour du pain erfreut die Wienerinnen und Wiener mit französischen Backwaren.

Foto: Heribert CORN

Es muss einen Grund für die vielen Französischlehrer und -lehrerinnen in Österreich geben. Die Wahrscheinlichkeit, damit in der weiten Welt verstanden zu werden, ist ja eher gering. Die anderen 280 Millionen Menschen, die auf "parlez-vous francais?" mit "bien-sûr" antworten, muss man erst einmal finden. Das fällt demnach als Grund weg. Womöglich bleibt als gewichtigste Rechtfertigung für ein mehrjähriges "Nous avons, vous avez" die Vielzahl der französischen Pâtisserien-Boulangerien in Wien. Glück gehabt, liebe Französischlehrerinnen – und -lehrer!

Ein wenig Französisch zu beherrschen ist angesichts der Magnitude an süßen Petitessen in den ach so hübsch arrangierten Vitrinen der wie Schwammerln aus dem Boden geschossenen französischen Viennoiserien schon von Vorteil. Aber sind es Kaffeekonditoreien, wie sie die Boomer-Generation erlebt hat? Nein, dazu fehlen die adipösen Konsumenten und Konsumentinnen, Letztere bevorzugt mit Pelzhaube behübscht, die mit ihren Gaberln den Indianerkrapfen zerlegen. Es sind vielmehr mit viel Geschmack und Fingerspitzengefühl eingerichtete, ein wenig anheimelnde Backstuben.

Oft kann man den Teigartisten beim Formen und Backen zusehen, so zum Beispiel in der entzückenden Pâtisserie-Boulangerie L'Amour du Pain in der Rue Otto Bauer 21 zu Mariahilf. Dort kann man fantastisches Schwarzbrot, außen krachende und innen elastische Baguettes und süß-flaumige Brioches dorées kaufen. Kaum gelingt es einem, nicht immédiatement ein Eclair passion citron vert zur Melange zu verzehren. Und doch empfiehlt sich Zurückhaltung.

Amour fou in der Hauptstadt: Kleine Köstlichkeiten im Marischka.
Foto: Heribert CORN

Fett im Teig

Denn nur ein paar Croissantwürfe weiter die Otto-Bauer hinunter bietet das Peti Pari seine Viennoiserien und Pâtisserien wohlfeil. Viennoiserien zeichnen sich durch einen mindestens Zehn-Prozent-Anteil an Fett im Teig aus. Hefe getrieben, sind sie die süße Brücke zwischen Pâtisserie und Gebäck. Das Peti Pari ist von modernem Design; kleine Tische innen und ein großer Gastgarten außen werden nach dem Lockdown gut besetzt sein.

Gut bestückt sind auch die Vitrinen im Motto Brot auf der Mariahilfer Straße. Hier gibt es das wunderschöne Pain couronne, ein Weizensauerteigbrot von ausgesuchter Saftigkeit – jeden Monat mit einer anderen Ingredienz verfeinert. Diese Boulangerie könnte direkt aus Paris nach Wien gezaubert worden sein. Gedrechseltes Holz, geblümte Kacheln und goldfarbene Schriftzüge machen einen Kurztrip nach Frankreich möglich. Viennoiserien, Pâtisserien und schön langsam geführte Brote erzeugen einen Konsumzwang der besonderen Art.

Besonders bezaubernd ist die Boulangerie-Pâtisserie Parémi in der City. Womöglich gibt es dort das beste Baguette der Stadt, ganz bestimmt bleibt einem und einer dort der Atem beim Betrachten der Pâtisserie-Auswahl stehen: Éclairs, Choux pralinés, Mille-feuilles, herrje, und natürlich auch Madeleines, Macarons und Entremets – und die sagenhafte Karamelltarte.

Diese schmeckt bestimmt auch Konditormeisterin Alexandra Marischka, so sie es einmal aus ihrer eigenen und nach ihr benannten Pâtisserie in Wien zwei in der Gredlergasse schafft. Dort kann man sie beim Arbeiten beobachten, während man verträumt in eine ihrer Kreationen beißt. Das Geschäft verströmt Avantgardeflair, ihre kleinen Kunstwerkserien tragen Namen wie Rêve de nuit oder Collection Paris. Hier geht es noch mehr um die Optik, um die Kunst – wiewohl Geschmack und Mundgefühl auf Augenhöhe bleiben.

Offene Münder

Und noch eines: Das Crème de la Crème in der Josefstädter Alservorstadt ist ein entzückendes kleines Café, in dem im echten Leben Frühstücke und eine kleine Mittagskarte serviert werden. Zum Mitnehmen zaubert das Team schön anzuschauende Torten wie kaum ein anderer Betrieb. Aber auch die Mousses, kleinen Dacquoises und Mille-feuilles lassen einem und einer la gueule vor Staunen offen stehen.

Alors: Es scheint schon sinnvoll, Vokabelserien wie délicieuse pâte feuilletée garnie de crème coco et d'un abricot (L'Amour du Pain) zu büffeln – und zu verinnerlichen. (Gregor Fauma, 15.4.2021)