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Der US-Finanzbetrüger Bernard Madoff ist 82-jährig im Gefängnis verstorben.

Foto: Reuters / Brendan McDermid

Lange hat der US-Investor Bernard L. Madoff als schillernde Figur in der Finanzwelt gegolten. Seine Fonds stiegen stetig im Wert. Das Who's who der Szene war bei ihm investiert. Schauspieler wie Finanzakteure. Der Schock war entsprechend groß, als sich herausgestellt hat, dass Madoff keine realen Investments getätigt hatte, sondern ein mega Schneeballsystem aufgebaut hatte. Bei so einem System werden immer neue Anleger geködert. Mit ihrem Geld bekommen Bestandskunden Dividenden, Boni beziehungsweise Rendite ausbezahlt. Solange es genug neue Kunden gibt, funktioniert das System. Kritisch wird es erst, wenn die Neukunden fehlen – oder, wie im Fall Madoff, Bestandskunden Geld abziehen wollen. Dann bricht das System in sich zusammen.

Bevor die betrügerischen Machenschaften von Madoff aufgedeckt wurden, war er ein hochangesehener Wertpapierhändler und Vorsitzender der Technologiebörse Nasdaq. Daher hatten die Menschen auch Vertrauen zu ihm. Er hatte Ansehen in der Branche – auch in der US-Börsenaufsicht SEC. Dort wurden Warnungen eines Whistleblowers bereits 1999 gemeldet – und ignoriert.

Finanzkrise

Doch im Zuge der Finanzkrise, als Geld im Finanzsystem knapp wurde und Finanzinstitute einander nicht mehr vertraut hatten, flog Madoffs Schwindel auf. Ende 2008 wurde Madoff wegen Betrugs verhaftet und am 29. Juni 2009 zu 150 Jahren Haft verurteilt. Er hatte sich in elf Anklagepunkten schuldig bekannt, darunter Betrug und Geldwäsche. Im Prozess gestand Madoff zudem, die ihm anvertrauten Summen niemals angelegt zu haben.

Der Gesamtumfang des Schadens wurde zum Zeitpunkt des Prozesses gegen Madoff auf mindestens 65 Milliarden Dollar (rund 51 Milliarden Euro) veranschlagt, die Zahl der Geschädigten auf 4.800. Weltweit waren rund drei Millionen Menschen direkt oder indirekt betroffen. Rund 300 Anwaltskanzleien und 45.000 Anwälte sollen sich zu dieser Zeit mit dem Fall befasst haben.

Viele Österreicher betroffen

Auch in Österreich gab es sehr viele Madoff-Geschädigte, die Ansprüche geltend gemacht haben. Nur aus den USA, Deutschland, Frankreich und der Schweiz kamen mehr Fälle. Hierzulande wurden die Herald-Fonds unter anderen von der ehemaligen Wiener Bank Medici (gegründet 1984) und der Bank Austria (einst Miteigentümerin von Medici) verkauft. Fondsgelder landeten bei Madoff. Österreichische Anleger verloren laut OeNB in Summe rund 350 Millionen Euro. Die Causa zog viele Zivilprozesse nach sich.

Die Medici-Gründerin Sonja Kohn war Investmentbankerin und galt als brillante Netzwerkerin, die Madoff laut "Financial Times" bereits in den 1980er-Jahren kennengelernt haben soll. Das Hauptgeschäft machte die Privatbank auch mit Fonds – mutmaßlich mehr als drei Milliarden Dollar wurden bei Madoff investiert. Bank Austria und Bank Medici zahlten schlussendlich 500 Millionen Dollar in den Madoff-Masse-Topf ein.

Die Eheleute Ruth und Bernard Madoff traten als Spender für zahlreiche wohltätige und kulturelle Einrichtungen auf und waren Mitglieder im Vorstand vieler Theater, Stiftungen und Colleges. Aufgrund dieses philanthropischen Erscheinungsbildes entschieden sich mehrere wohltätige Stiftungen, Madoff ihr Geld anzuvertrauen, wodurch ihnen zuletzt ein hoher finanzieller Schaden entstand. Madoff ist am Mittwoch im Alter von 82 Jahren verstorben.

Bescheidene Verhältnisse

Madoff wurde 1938 in Brooklyn, New York, als zweites von drei Kindern der Eheleute Sylvia Muntner und Zookan "Ralph" Madoff geboren. Seine Großeltern waren osteuropäische Juden, die laut Wikipedia Anfang des 20. Jahrhunderts in die Vereinigten Staaten eingewandert waren. Madoff wuchs in bescheidenen Verhältnissen (das Sportgeschäft seines Vaters musste Insolvenz anmelden) in Laurelton, einem gutbürgerlichen und damals vielfach von jüdischen Einwanderern bewohnten Viertel von Queens auf, wo er die öffentliche Schule und ab 1952 die Far Rockaway Highschool besuchte. Madoff heiratete seine Frau Ruth 1959. Sie hatten zwei gemeinsame Söhne: Mark (1964–2010, Suizid) und Andrew (1966–2014, Krebs).

Mit einer Ersparnis von 5.000 Dollar aus Ferienjobs als Rettungsschwimmer (im Silver Point Beach Club in Atlantic Beach, Long Island) und Installateur für Gartenbewässerungsanlagen gründete Madoff im Jahr 1960 eine Investmentfirma namens Investment Securities, die sich zunächst auf sogenannte Penny Stocks spezialisierte. Sie wies zehn Jahre später eine große Anzahl an Kunden auf, die er vornehmlich in Country Clubs der High Society, wie dem Palm Beach Country Club, gewonnen hatte. Sein Unternehmen lebte zunächst vom sogenannten Spread, der Differenz zwischen Angebots- und Nachfragepreis eines Wertpapiers. Zudem bot er früh den Computerhandel mit Wertpapieren an und konnte so häufig günstigere Kurse bieten, was wiederum für Fonds Vorteile bot.

Unklare Umstände

Das nicht ganz koschere Geschäftsgebaren dürfte in der Familie gelegen haben. Im August 1963 wurde die Zulassung von Sylvia Madoff, der Mutter von Bernard Madoff, die als "Broker Dealer" mit ihrem Unternehmen Gibraltar Securities arbeitete, von der US-Aufsicht SEC infrage gestellt. Im Jänner 1964 verzichtete die SEC auf weitere Maßnahmen im Zusammenhang mit ihren unklaren Vermögensverhältnissen, doch musste Sylvia Madoff im Gegenzug auf ihre Tätigkeit verzichten. Unklar ist, ob ihr Ehemann Ralph die Geschäfte führte, obwohl sie dafür registriert war. Inwieweit dies mit Steuerschulden des Ehepaars in Zusammenhang stand, ist ebenfalls unklar.

Madoff hatte im Februar 2020 in einem Interview mit der "Washington Post" geklagt, sterbenskrank zu sein und in der Corona-Pandemie einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung gestellt, dem jedoch nicht stattgegeben wurde. Sein Anwalt erklärte damals, Madoff leide an einer tödlichen Nierenkrankheit und habe wahrscheinlich nur noch weniger als 18 Monate zu leben. (Bettina Pfluger, 14.4.2021)