Mückstein war einer von drei Wunschkandidaten, nach Absagen der zwei anderen hatte er den Ministerjob in der Tasche.

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Man brauche unbedingt eine Trendwende, um Triagen zu vermeiden, warnte Rudolf Anschober zu Beginn der vergangenen Woche: Wieder einmal hatte sich die Corona-Situation zugespitzt, wieder einmal war ein wichtiger Gipfel mit den Landeshauptleuten angesetzt worden. Als das Büro des Gesundheitsministers am Dienstagvormittag dann verkündete, dass dieser "krankheitsbedingt" nicht an den Gesprächen teilnehmen könne, läuteten grünintern schon die Alarmglocken. Der Öffentlichkeit versicherte man zwar rasch, es sei "nichts Gröberes", doch hinter den Kulissen begann die Arbeit an einem Plan B für das Gesundheitsministerium. Denn Anschober hatte keine Verkühlung, keine "schmerzhaften Zahnprobleme" wie Kanzler Kurz im Dezember; sondern erneut Erschöpfungssymptome, etwa Kreislaufprobleme und einen beginnenden Tinnitus.

Das Problem an der Sache war, dass dieselben Anzeichen einer Überlastung schon wenige Wochen zuvor aufgetreten waren. Anfang März hatte sich Anschober deshalb eine Woche krankgemeldet und seinen Ärzten versprochen, es ruhiger anzugehen. Diese rieten ihm, ein paar Wochen Urlaub zu nehmen: als Gesundheitsminister in einer Pandemie, der in 15 Monaten keinen einzigen ganzen Urlaubstag hatte, ein nicht umsetzbarer Ratschlag. Deshalb habe Anschober nicht lange gezaudert, sondern sei nach einer rationalen Analyse seiner Situation rasch zu einer Entscheidung gekommen, sagen Weggefährten.

Aus drei werden zwei wird einer

Das Stillschweigen Anschobers zu seiner Erkrankung heizte parallel dazu die Gerüchteküche an. Schon ab Donnerstag geisterten einige Namen durch die Medien; man blickte ins ferne Vorarlberg und vor die Haustür in Wien. Zum Wochenende hin intensivierte sich die Suche: Aus Salzburg reiste die Stadträtin Martina Berthold an. Sie gilt innerhalb der Grünen als definitiv ministerinnenfähig: Als Organisationsberaterin hätte Berthold die Expertise mitgebracht, die vielen Baustellen im Ministerium zu bearbeiten; als einstige Mitarbeiterin in der Bildungsabteilung des Landes Salzburg kennt sie Verwaltungsabläufe; dazu kommt Regierungserfahrung durch ihre Tätigkeit als Salzburger Integrationslandesrätin und Stadträtin. Im engsten Kreis der grünen Führungsspitze besprach Berthold am Wochenende ein potenzielles Engagement, winkte aber dem Vernehmen nach selbst ab: Die Sozialagenden hätte sie zwar gerne betreut, doch angesichts der Corona-Situation sei eine Fachfrau oder ein Fachmann aus der Gesundheit zu empfehlen.

Damit verkürzte sich die Liste auf zwei Namen, einer davon Sigrid Pilz. Die langjährige grüne Politikerin war 2001 bis 2012 im Wiener Gemeinderat, seither ist sie Patientenanwältin der Stadt Wien. Dass Pilz bei Grünen-Chef Werner Kogler nach wie vor ein gutes Standing hat, bewies er etwa mit ihrer Bestellung zur ORF-Stiftungsrätin im Frühjahr 2020. Doch Pilz sagte ebenfalls ab, sie wollte weiterhin als Patientenanwältin tätig sein.

Somit blieb nur mehr ein logischer Kandidat übrig: der Allgemeinmediziner Wolfgang Mückstein, der bereits bei den türkis-grünen Koalitionsverhandlungen dabei war und Anschober in den vergangenen Monaten beratend zur Seite gestanden ist. Dass ihn recht viele Grüne als ihren eigenen Hausarzt kennen – darunter auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen –, schadete seinem Standing wohl auch nicht.

Die Inszenierung wird geplant

Aus dem Rücktritt von Ulrike Lunacek, die sich im Mai 2020 verabschiedete, hatte die grüne Führung einiges gelernt: zum Beispiel dass unmittelbar nach dem Rückzug schon ein Nachfolger für das Regierungsamt präsentiert werden sollte. Deshalb wurden Anfragen zu Anschobers Zukunft so lange wie möglich abgeblockt: Am Dienstag sollte der alte Minister gehen und der neue kommen. Auch mit dem Koalitionspartner hielt man das so. Dem blieb nichts übrig, als bei Medienanfragen zu Anschober an dessen Ministerium zu verweisen, wo Journalisten auf eine Mauer des Schweigens stießen. Anrufe bei Anschober selbst landeten auf der Mailbox, auch der Kanzler erreichte den Gesundheitsminister nicht, als er ihm gute Besserung wünschen und sich erkundigen wollte.

Noch am Montag gab es für die ÖVP dasselbe Wording wie für Medien: Anschober werde am Dienstag zurückkehren. Erst am Abend verdichteten sich die Gerüchte, auch weil Abgeordnete und andere wichtige Grüne von Anschobers Rückzug informiert wurden. Offiziell teilte Grünen-Chef Kogler dem Kanzler erst am Dienstagmorgen mit, dass es zu einem Wechsel im Gesundheitsressort kommen werde. Unmut hegt man bei der ÖVP deshalb nicht: Als nach der Plagiatsaffäre Arbeitsministerin Christine Aschbacher zurücktrat und Martin Kocher folgte, behielt man diese Info auch lange für sich.

Mit Mückstein hat die ÖVP jedenfalls kein Problem – und auch die grünen Abgeordneten sind zufrieden. Zu einem ersten Kennenlernen mit dem Kanzler kam es Mittwochvormittag, den Abgeordneten stellt sich der neue Minister am frühen Abend vor. Dann folgt die Absegnung durch den Erweiterten Bundesvorstand. Offizieller Arbeitsbeginn: Montag. (Fabian Schmid, 15.4.2021)