Vor Kindern liegt ein weiter Weg an Möglichkeiten.

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Traditionelle Geschlechterrollen sind bereits unter Fünfjährigen verbreitet. Das zeigt eine neue Studie der OECD, für die 4.000 Kinder aus England und Estland nach ihren Berufswünschen gefragt wurden. Die Hälfte der Buben wollte einen Job ergreifen, den üblicherweise Männer ausüben. Mädchen hatten etwas weniger stereotype Wünsche: Ein Viertel der Fünfjährigen will später in einem frauendominierten Job arbeiten.

Buben möchten vor allem Polizisten, Sportler, Feuerwehrmann und Bauarbeiter sein, wenn sie groß sind. Die meisten Mädchen wollen später Lehrerin werden, gefolgt von Tierärztin, Ärztin und Friseurin. "Fünfjährige Mädchen streben eine Karriere an, bei der sie sich um andere kümmern können", schließt die OECD daraus.

Die Grafik zeigt die Berufswünsche von Fünfjährigen.
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Naturschützerinnenkarriere

Klara, die gerade sechs Jahre alt geworden ist, macht da keine Ausnahme. Sie will Naturschützerin sein, wenn sie groß ist. "Das will ich werden, damit es den Tieren gut geht", erklärt sie ihrer Mama. Auf der von der OECD erhobenen Liste findet sich keine Naturschützerin, Tierpflegerin ist mit Platz 16 aber durchaus beliebt, bei Buben liegt der Beruf auf Platz 21.

Liam will Baumeister werden, sagt er dem STANDARD und nennt damit jenen Beruf, der auch von den Burschen in der OECD-Studie am viertöftesten genannt wurde. "Er konstruiert gerne mit Lego und Duplo", erklärt Liams Mutter. Er selbst läuft gleich zu seinem neuesten Werk: einem Kran, der größer ist als er selbst.

Grundsätzlich wählen Kinder eher jene Berufe, die sie aus Familie, Gemeinschaft oder aus Büchern, dem Fernsehern oder Filmen kennen. Das muss aber nicht der Beruf von Mama oder Papa sein. Bei der OECD-Befragung haben nur drei Prozent der Kinder den Job von Vater oder Mutter als Wunschberuf angegeben. "Eltern" wollen aber Mädchen und Buben gleichermaßen werden.

Der sozioökonomische Hintergrund spielt bei den Zielen der Fünfjährigen im Vergleich zum Geschlecht eine untergeordnete Rolle. Sieben von zehn Karrierewünschen sind bei allen Mädchen gleich – egal ob sie aus einer Familie mit hohem oder niedrigem Einkommen stammen. Der Beruf der Künstlerin, Musikerin oder Wissenschafterin findet sich allerdings nur unter den Top Ten von Mädchen aus Familien mit hohem sozioökonomischem Status. Mädchen aus sozioökonomisch schlechtergestellten Familien nennen öfter den Wunsch, Verkäuferin, Feuerwehrfrau, Königin oder Prinzessin werden zu wollen.

Traumziel Superheld

Buben aus bessergestellten Familien geben als Wunschberuf häufiger Pilot, Arzt, Koch oder Wissenschafter an. Lkw-Fahrer, Soldat und "größer oder älter" – aber auch Superheld – wollen eher Burschen aus sozioökonomisch schwächeren Familien werden.

Die Befragung zu den Karrierezielen der OECD ist im Zuge einer großen Bildungsstudie zu Fünfjährigen in England, Estland und den USA entstanden. Man wolle eine Basis für die Bildungspolitik in dieser Altersgruppe schaffen, so die OECD. Die kognitiven und sozial-emotionalen Fähigkeiten in diesem Alter hätten einen großen Einfluss auf die spätere Schulkarriere und generell den Lebensweg.

Auch in dieser Studie zeigten sich große Unterschiede zwischen Mädchen und Buben. Mädchen schnitten in den Kategorien der entstehenden Alphabetisierung sowie der Selbstregulierung und der sozial-emotionalen Fähigkeiten besser ab. Nur beim Rechnen waren Buben und Mädchen gleich gut.

Bemerkenswert: Eltern und Lehrer schätzten die Fähigkeiten von Mädchen wesentlich besser bzw. die Leistungen von Buben wesentlich schlechter ein, als sie bei den Übungen der Studie tatsächlich waren. "Es gibt hier also vielleicht einen Bias, den wir als Lehrpersonen haben, wenn wir Kinder beobachten", sagt Andreas Schleicher, Leiter der Bildungsdirektion der OECD. (Lisa Kogelnik, 15.4.2021)