Der Verkehr steckt klimapolitisch im Stau. Rund ein Drittel der gesamten Emissionen Österreichs fallen in dem Sektor an. Abhilfe soll die türkis-grüne Ökosteuerreform schaffen. Doch mit den bestehenden Maßnahmen und jenen, die im Regierungsprogramm diskutiert werden, könne "das Klimaziel auf keinen Fall erreicht werden", sagt der Verkehrswissenschafter Gerd Sammer.

Der emeritierte Boku-Professor hat mit Experten der Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr nun ein eigenes Konzept vorgelegt, wie Verkehrsabgaben ökologisiert werden könnten. Die Studie hat es durchaus in sich. Bisher seien ökosoziale Komponenten im Steuersystem nicht ausreichend vorhanden, heißt es in dem rund 30-seitigen Papier. Es müsse für Konsumenten attraktiver werden, möglichst fossilfreie Fahrzeuge zu erwerben oder auf Öffis umzusteigen.

Im Verkehrsbereich ist noch viel Arbeit nötig, wie auch dieses Bild verdeutlicht. Die geplante Ökosteuerreform soll die Verkehrswende einläuten.
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Auch die Lebensdauer von Autos – diese wird mit durchschnittlich 15 Jahren beziffert – müsse mitgedacht werden. Nimmt die Regierung das eigene Ziel der Klimaneutralität bis 2040 ernst, dürften so gesehen ab 2025 nur mehr fossilfreie Pkws in Betrieb gehen, erklärt Sammer.

Die Autoren schlagen eine Angleichung der Mineralölsteuer (MÖSt) von Diesel und Benzin vor sowie eine schrittweise Annäherung an das Mittel der Nachbarländer, um die Emissionen den Verursachern zuzurechnen. Zwar würde der Wegfall des Tanktourismus im Budget aufschlagen, zugleich würden laut Sammer aber auch die Kosten für den notwendigen Zertifikatszukauf sinken.

2,6 Euro pro Liter Sprit bis 2035

Darüber hinaus bringen die Studienautoren die Einführung einer Umwelt- und Klimaabgabe in Spiel, die gemeinsam mit der MÖSt eingehoben werden könne. Demnach soll der Spritpreis zwischen 2021 und 2030 jährlich um fünf Cent angehoben werden. Zwischen 2031 und 2035 soll die Steigerung 16 Cent je Jahr und Liter betragen. 2035 würde der Preis dann bei ungefähr 2,60 Euro je Liter liegen, rechnet Sammer vor.

Auch die Maut gehört aus Sicht der Experten ökologisiert. Die einfachste Variante dafür sei die Berücksichtigung der Umweltqualität der Pkws bei der Höhe des Vignettenpreises, sagt der Wissenschafter. Die aus seiner Sicht "idealere Lösung" sei eine fahrleistungsbezogene Maut, die nicht nur nach Autotyp, sondern auch Straßenart und Fahrzeit differenziere. Autofahrer würden für tatsächlich zurückgelegte Strecken zahlen – was aus Sicht des Experten eine direkte Auswirkung auf das Fahrverhalten hätte.

Die Regierung will die Öffi-Nutzung attraktiver machen.
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Damit nicht genug: Die Autoren schlagen die Einführung einer City-Maut für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern vor, die Einbeziehung der verkehrsbedingten Emissionen in den EU-Zertifikatehandel und eine weitere Anhebung der Flugticketabgabe.

Monatliche Bonuszahlung

Die so generierten Einnahmen sollen zum einen in Investitionen und in den Betrieb eines ökologischen Verkehrssystems fließen, aber auch als Mobilitätsbonus rückverteilt werden. Werden sämtliche externen Kosten im Personenverkehr internalisiert, könnte der Zuschuss nach Berechnung der Wissenschafter im Jahr 2035 auf rund 114 Euro pro Monat und Person steigen.

"Derzeit gibt es keine Kostenwahrheit im Verkehr", fasst Sammer zusammen. Ihm fehlt die Internalisierung externer Kosten. Er fordert, dass jene Verkehrsteilnehmer, die keine nachhaltigen Verkehrsmittel benützen, für den von ihnen verursachten Schaden aufkommen.

Externe Kosten

Zu den externen Kosten zählen nicht nur Schäden durch Umweltbeeinträchtigungen, sondern beispielsweise auch Unfall- und Staukosten. Sie müssten von der Allgemeinheit und nicht vom Verursacher gedeckt werden und variieren je nach Verkehrsmittel stark, sagt Sammer. Bei Pkws liegen sie demnach bei 12,8 Cent je Personenkilometer, bei der dieselbetriebenen Bahn sind es 8,4 Cent, gefolgt von Bus (3,8 Cent), Flugzeug (3,4 Cent) und der elektrischen Bahn (3,2 Cent).

Die niedrigen externen Kosten beim Fliegen begründet Sammer damit, dass dort die Zahl der Unfälle gering sei. Dennoch seien die externen Kosten aufgrund der zumeist hohen Kilometerzahl hoch: Für einen One-Way-Flug nach New York beziffert der Wissenschafter diese mit 270 Euro. Kurzstreckenflüge sind nach Einschätzung des Experten ökologisch so oder so "ein Wahnsinn".

Insgesamt müsse das Öffi-Angebot in Österreich verbessert werden, meint Sammer. Das bedeute nicht, dass jeder Ort im Waldviertel eine Anbindung im Stundentakt benötige – dort müssten andere Lösungen gesucht werden, wie etwa Fahrgemeinschaften. Ziel sei, das CO2-Ausstoßen teurer zu machen. "Es ist eine Illusion, dass man Menschen nur durch Wohlfühlmaßnahmen zu einem klimaneutralen Verhalten bewegt." (Nora Laufer, 15.4.2021)