Angela Merkel geht. Aber wer kommt?

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Man möchte meinen, dass ein "Job", den es seit 60 Jahren gibt, anno 2021 einfach zu übernehmen wäre. Doch die Suche nach einem Unionskanzlerkandidaten ist völlig aus dem Ruder gelaufen.

Natürlich ist es nicht einfach, ein Zugpferd zu finden. Der Kandidat oder die Kandidatin soll bekannt, darf aber nicht verbraucht sein. Traditionen sind wichtig, um Stammwähler nicht zu vergraulen. Gleichzeitig muss man innovativ sein.

Streng genommen sind die Auserwählten keine Personen, die das Volk begeistern müssen, sondern "bloß" die Abgeordneten im Bundestag. Denn in Deutschland wird der/die Anwärter/in nicht vom Volk, sondern vom Bundestag gewählt.

"Kanzlerkandidat" ist auch kein juristischer Begriff, den man im Grundgesetz fände. "Erfunden" hat ihn die SPD, um ihren Führungsanspruch zu untermauern. Sie war vom Duell im US-Wahlkampf zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon inspiriert worden.

An Merkel gescheitert

Also wurde der Sozialdemokrat Willy Brandt 1961 der erste Kanzlerkandidat in Deutschland, verlor aber gegen Konrad Adenauer. Erst 1969 wurde Brandt Kanzler. Viele andere Sozialdemokraten kamen hingegen über den Status Kanzlerkandidat nicht hinaus. Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück, Martin Schulz: Sie alle scheiterten an Angela Merkel, die 2005 erstmals antrat.

Als Kanzlerkandidatin wohlgemerkt, nicht als Kanzlerinkandidatin. Da schwingt wohl der Schock vieler Unionsmänner mit, dass eine Frau überhaupt so weit kommen konnte.

Halbspaßig war es 2002. Mit FDP-Chef Guido Westerwelle betrat der erste Kanzlerkandidat die Bühne, der nicht von den beiden stärksten Parteien (Union, SPD) gestellt wurde. Das brachte bei der Wahl nur ein Plus von 1,2 Prozent, aber viel Häme.

Kohl 1, Strauß 0

Die größte Fehleinschätzung bezüglich einer Kanzlerkandidatur unterlief übrigens Franz Josef Strauß (CSU). Helmut Kohl werde nie Kanzler werden, ihm fehlten "die charakterlichen, geistigen und politischen Voraussetzungen", schimpfte der Bayer 1976, ein Tonband lief heimlich mit. Kohl aber wurde 1982 Kanzler und blieb 16 Jahre. Strauß schaffte es nie.

Die SPD immerhin hat schon Olaf Scholz als Kandidaten. Nebst CDU und CSU suchen in diesem Jahr erstmals auch die Grünen, machen dabei aber wenig Wind. Läuft es nicht auf Robert Habeck, sondern auf Annalena Baerbock hinaus, wäre aber auch sie nicht Kanzlerinkandidatin, sondern Kanzlerkandidatin der Grünen. (Birgit Baumann, 15.4.2021)