Auch wenn er bei allen öffentlichen Auftritten stets nur im Schatten der Queen stand: An einem Ort der Welt genoss Prince Philip mehr Aufmerksamkeit als seine Ehefrau. Auf der zu Vanuatu gehörenden Insel Tanna wird der Duke of Edinburgh als Gott verehrt, der über magische Kräfte verfügt. Hier, mitten im Südpazifik, wird er als die Quelle von allem Guten gesehen.

Die Insel Tanna gehört zu Vanuatu. Hier wird Prince Philip als Gott verehrt.

Einige Hundert Menschen dürfte die Prince-Philip-Bewegung umfassen, die vor allem in den Dörfern Yaohnanen und Yakel leben – mitten im dichten Wald, mehrere Stunden von der Inselhauptstadt Isangel entfernt. Trotz der Abgelegenheit erreichte die Nachricht des Todes des 99-Jährigen am vergangenen Freitag bald darauf auch die Einwohner Tannas. Am Montag hielten sie eine Trauerzeremonie für den verstorbenen Prinzen ab.

Suche nach mächtiger Frau

Die Menschen in Yaohnanen glauben, dass Prince Philip von Tanna stammt. Er soll der Sohn der Berggottheit Keraperamun sein. Die hat ihren Sitz am erloschenen Vulkan Mount Tukosmera, dem mit 1084 Metern höchsten Berg Tannas. Der Sohn Keraperamuns soll die Insel verlassen haben, um eine reiche und mächtige Frau zu heiraten.

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Albi Nagia aus Yakel zeigt den Mount Tukosmera, von dessen Berggottheit Prince Philip abstammen soll.
Foto: AP/Perry

Von Tanna sei er nach Großbritannien geschwommen. Ursprünglich dunkelhäutig wie die Inselbevölkerung, habe er seine Haut an einem Korallenriff abgeschrammt und sei so hellhäutig geworden. Eines Tages werde er wiederkehren – dann werde er Reichtum für das Dorf bringen, es gebe keine Krankheit mehr, und Bananen und Yams würden gedeihen.

Cargo-Kulte

Wann genau der Philip-Kult seinen Anfang hatte, ist unklar. Er steht jedoch in enger Verbindung mit anderen sogenannten Cargo-Kulten der Region. Auf Tanna gibt es einen Zusammenhang mit der Verehrung John Frums, die zumindest ab 1940 nachweisbar ist. Frum soll ebenfalls Sohn des Berggottes sein. Beschrieben wird er als US-Weltkriegssoldat. Er erschien auf Tanna und habe den Einwohnern Wohlstand versprochen. Dafür müssten sie zu "Kastom" zurückkehren, also zu ihren traditionellen Bräuchen ("customs"), und sich von den westlichen Einflüssen trennen.

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Albi Nagia ist einer der Anführer im Dorf Yakel.
Foto: AP/Perry

Cargo-Kulte entstanden an verschiedenen Orten Melanesiens, insbesondere während des Zweiten Weltkriegs. Die plötzlich auftauchenden Weißen transportierten allerlei brauchbare Gegenstände – Cargo – auf die Inseln. Zum Teil wurde das Material mit Fallschirmen abgeworfen. Nach dem Abzug hofften die zurückbleibenden Einheimischen, dass sie Nachschub an Cargo erhalten würden, wenn sie die Gebräuche der Fremden imitierten. So wurden ganze Flugfelder samt Tower und Leuchtfeuer aus Holz nachgebaut.

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Gedenkverantaltung für den verstorbenen Duke of Edinburgh in Yaohnanen.
Foto: Reuters

Einige Einwohner Tannas bekamen Philip nachweislich erstmals beim Besuch des britischen Königspaares in Vanuatu im Jahr 1974 zu Gesicht. Damals soll Philip einem Tannaer ein weißes Schwein geschenkt und so unwissentlich die Cargo-Prophezeiung erfüllt haben. Schon zuvor war den Tannaern der Duke of Edinburgh wohl von offiziellen Fotos in Verwaltungsräumen bekannt gewesen. Einige Jahre später informierte die Kolonialverwaltung Philip über die Existenz des Kultes und übermittelte den Wunsch nach einem Porträt. Philip schickte daraufhin ein signiertes Bild.

Keule für den Prinzen

Die Philip-Anbeter bedankten sich mit einer selbstgeschnitzten traditionellen Keule zur Schweinejagd. Philip ließ sich postwendend mit dem Geschenk ablichten und schickte seinen Anhängern das Foto, das nur für diesen Anlass angefertigt wurde und nie offizielle Verwendung fand. Die losen, doch stets respektvollen Kontakte blieben bestehen, 2007 reisten fünf Tannaer sogar nach London und wurden von Philip empfangen. Die Reise kam als Doku Meet the Natives ("Triff die Eingeborenen") ins TV, die "Natives" sind in diesem Fall selbstverständlich die Briten. Die Hoffnung auf eine Rückkehr ihres Gottes erhielt allerdings 2017 einen Dämpfer, als Philip seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit verkündete.

Die Einwohner des Dorfes Yaohnanen mit ihren Philip-Porträts. Auf dem Bild in der Mitte hält Philip die Schweinekeule, die er als Präsent erhielt.
Foto: AFP/McGarry

2018 besuchte jedoch Philips Sohn Charles Vanuatu. Mit den Verehrern seines Vaters trank er Kava, ein aus dem Rauschpfeffer hergestelltes Zeremonialgetränk. Die Kokosnuss, aus der der britische Thronfolger trank, soll seither in einem Schrein aufbewahrt werden.

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Prince Charles trinkt bei seinem Vanuatu-Besuch 2018 Kava.
Foto: Reuters/Parsons

Auch wenn Prince Charles also als längstdienender Thronfolger in der britischen Geschichte weiterhin auf seine Krönung zum König warten muss: Möglicherweise rückt er nun seinem Vater als Gott nach.

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Das Anlegen eines Grasrockes ist nicht ganz einfach.
Foto: Reuters/Parsons

Abrechnung

2018 feierten die Philipanbeter die Hochzeit seines Enkels Harry mit der US-Schauspielerin Meghan Markle. Dabei hissten sie den Union Jack und feierten ein Festmahl, bei dem sie dem Vernehmen nach zahlreiche Schweine verspeisten. Ob sie von dem Interview des Ehepaares mit der US-Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey Notiz genommen haben, ist jedoch nicht bekannt. In der Anfang März ausgestrahlten TV-Show rechneten die beiden mit der königlichen Familie ab – während Prince Philip wegen einer Herzoperation im Krankenhaus lag. Die vorgebrachten Vorwürfe sorgten weltweit für schwere Erschütterung in gossipaffinen Kreisen. Nach dem Tod Prince Philips beginnt sich bei dem Paar Reue zu regen. (Michael Vosatka, 16.4.2021)

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