Struktur des Corona-Spike-Proteins mit rot markierten Mutationen.

Foto: APA / Roland Schlager

Wien – Unregelmäßig, aber doch aktualisiert die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) ihren Bericht zu den Coronavirus-Mutationen in Österreich. Die jüngste Aktualisierung vom 15. April bestätigt jene Entwicklung, die von Experten vor Wochen prognostiziert wurde: Für die Kalenderwoche 14 (5. bis 11. April) gehen die Experten nach der Auswertung von bisherigen Tests und Sequenzierungen davon aus, dass die ansteckendere "britische" Mutante B.1.1.7 bereits 96,7 Prozent aller neuen positiven Tests ausmacht und den "Wildtyp" des Virus völlig verdrängt hat.

Der Anteil der Variante für diese Kalenderwoche wird sich noch weiter erhöhen, da noch nicht alle Fälle sequenziert sind. Die Stadt Wien gab bereits rund um Ostern bekannt, dass der Anteil des britischen Virustyps rund 95 Prozent beträgt, auch im Burgenland bewegte sich dieser Wert an die 100 Prozent heran.

Übersicht über den Anstieg der Virusvarianten in Österreich nach Kalenderwoche. Fast alle dieser Varianten betreffen die "britische" Mutante B.1.1.7.
Tabelle: AGES

Wildtyp ist praktisch verschwunden

Selbst in Vorarlberg, wo die Gastronomie geöffnet hat, weist der Ages-Bericht 90 Prozent für B.1.1.7 aus. Der Coronavirus-"Wildtyp" ist in Österreich praktisch verschwunden: Für die vergangene Woche wird dessen Wert vorläufig nur noch mit 3,91 Prozent angegeben. Dieser dürfte sich nach der Auswertung der Sequenzierungen noch verringern.

Die Verbreitung der unangenehmeren südafrikanischen Variante B.1.351, durch die man sich durch Impfstoffe weniger gut schützen kann, wurde in der zuletzt vollständig ausgewerteten Kalenderwoche 11 (15. bis 21. März) österreichweit mit 0,44 Prozent angegeben. Von der brasilianischen Mutante P.1 wurde in Österreich nach einem bereits bekannten Fall im März bis dato nur ein weiterer Fall bestätigt.

"Fluchtmutation" E484K nimmt zu

Etwas zur Sorge Anlass gibt, dass zuletzt immer mehr B.1.1.7-Fälle detektiert werden, die zusätzlich die Veränderung E484K aufweisen. Diese Mutation, die von Anfang an auch Teil der "brasilianischen" und der "südafrikanischen" Mutante war, sollte sich nach Möglichkeit nicht weiter verbreiten, weil sie die durch Impfungen oder durchgemachte Infektionen erworbene Immunabwehr zumindest teilweise umgehen kann. Zuletzt betrug der Anteil von B.1.1.7+E484K bereits knapp zwei Prozent.

Besonders viele Fälle traten dabei in Tirol auf, konkret im Bezirk Schwaz. Fachleute wie Andreas Bergthaler (CeMM, ÖAW) und Dorothee von Laer (Med-Uni Innsbruck) vermuteten, dass diese Häufung mit der Impfaktion zu tun haben könnte: Impfungen können einen Selektionsdruck auf das Virus ausüben, und nach dem ersten Stich konnte B.1.1.7+E484K die Immunabwehr anscheinend noch in etlichen Fällen überwinden; nach der zweiten Teilimpfung mit Biontech/Pfizer scheint das aber nicht mehr zu gelingen, wie auch ein neuer, noch nicht fachbegutachteter Preprint nahelegt.

Neue Studien zur Gefährlichkeit von B.1.1.7

Neue wissenschaftliche Befunde gibt es auch zur Gefährlichkeit von B.1.1.7. Die beiden neuen Studien (siehe verwendete Quellen) bestätigen einmal mehr, dass die "britische" Variante deutlich ansteckender ist als die ursprüngliche Standardform des Virus. Die neuen Auswertungen deuten aber darauf hin, dass B.1.1.7 an sich nicht "tödlicher" sein dürfte, wie mehrere frühere Studien behauptet haben, sondern dass die zahlreicheren Toten etwa in Großbritannien vor allem mit der höheren Infektiosität zu tun haben.

Umstritten ist allerdings, ob B.1.1.7 nicht doch mit mehr Hospitalisierungen und Aufnahmen in die Intensivstation verbunden ist, wie Stellungnahmen unabhängiger britischer Experten nahelegen. Diese Beobachtung wurde nicht nur in Großbritannien, sondern etwa auch in Dänemark gemacht und scheint durch Daten abgesichert. Und auch die hohe Zahl an CoV-Patienten in Intensivstationen in Österreich im Verhältnis zu den Infektionszahlen deutet ebenfalls darauf hin, dass B.1.1.7 im Krankheitsverlauf aggressiver sein dürfte. (David Krutzler, Klaus Taschwer, 15.4.2021)