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Die ersten Wochen nach der Geburt sollte man nicht mit dem Zusammensammeln von Dokumenten und in der Warteschleife einer Hotline verbringen, sondern mit Schlafen, Kuscheln und Kennenlernen.

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Eine Frau, eine selbstständige Steuerberaterin, wartet seit über einem Jahr auf ihr Karenzgeld. Eine andere ist von Deutschland nach Österreich gezogen und musste bereits viermal Unterlagen nachreichen, "weil sie mir nicht glauben, dass Österreich jetzt mein Lebensmittelpunkt ist". Sie warte nun seit sechs Monaten.

Eine dritte wohnt nicht mit ihrem Partner, dem Vater ihres Kindes, zusammen. Beim Antrag auf Kinderbetreuungsgeld gab das Paar an, dass sie "in einer Lebensgemeinschaft" sind. Das führte offenbar zu Verwirrung bei den Mitarbeitern der Behörde. Wie könne man ohne gemeinsamen Wohnsitz in einer Lebensgemeinschaft sein? Die Mutter musste eine Stellungnahme schreiben und erklären, dass sie keine Lebensgemeinschaft mit ihrem Partner hat. Das Kind war bei der ersten Auszahlung sechs Monate alt.

Immer wieder erreichen mich Nachrichten wie diese. Nachrichten von Eltern, vor allem von Müttern, die Probleme mit ihrem Antrag auf Karenzgeld haben. Sie urgieren, rufen zigmal an, erbringen die irrsinnigsten Nachweise, um zu belegen, dass ihnen das Geld auch wirklich zusteht. Oder sie sind plötzlich nicht mehr krankenversichert, weil ihr Antrag noch nicht bearbeitet wurde. Es sind so viele Geschichten, dass ich beschlossen habe, einige davon hier zu veröffentlichen. Sie alle zeigen: Das Ansuchen um Kinderbetreuungsgeld ist ein echter bürokratischer Kraftakt. Eine Umfrage im Freundeskreis bestätigt diesen Eindruck. Bis das Geld am Konto ist, ist es oft ein langer Weg.

Heftmappe voller Dokumente

Ganz besonders kompliziert wird es bei grenzüberschreitenden Fällen. Eine Jungmutter schildert, dass sie anfangs nichts bekommen hat, weil ihr Mann Amerikaner ist. "Der Verdacht war, ich würde auch in den USA Kinderbetreuungsgeld beziehen – als ob es dort so etwas gäbe." Wenn die Eltern eine unterschiedliche Staatsbürgerschaft haben, die Familie umgezogen ist oder einer anderswo arbeitet, schieben sich die Länder offenbar gegenseitig den schwarzen Peter zu. Und wer sich nicht völlig gläsern macht, läuft Gefahr, durch die Finger zu schauen.

Ich habe das selbst erlebt.

Wir wohnen mit unserem kleinen Sohn in Wien. Er kam im März 2020 dort zur Welt, wir sind in Wien hauptgemeldet, ich arbeite in Wien. Nur mein Partner pendelt für seine Arbeit nach Deutschland. Nachdem ich Kinderbetreuungsgeld beantragt habe, hat mich die Österreichische Gesundheitskasse aufgefordert, meinen Lebensmittelpunkt nachzuweisen. Ich sollte neben unserer Meldebestätigung auch unseren Mietvertrag, Betriebskostenabrechnungen, Stromrechnungen, Versicherungsbelege und meine Kontoauszüge der letzten sechs Monate schicken. Außerdem gefordert waren Kfz-Zulassung oder Öffi-Ticket. "Wir ersuchen Sie, falls Ihnen andere Unterlagen vorliegen, die Ihren Lebensmittelpunkt in Österreich belegen, diese ebenfalls beizulegen", hieß es in der E-Mail. Gäbe es noch ein älteres Kind, hätte ich dessen Schul- oder Kindergartenbesuch bestätigen lassen müssen.

Das alles, obwohl ich bereits nachgewiesen hatte, dass mein Sohn im Wiener St.-Josef-Spital zur Welt gekommen ist und wir sämtliche Kontrolluntersuchungen – in der Schwangerschaft und dann mit dem Baby – in Wien absolviert haben. Ich musste auch die Personalabteilung meines Unternehmens bitten, mir meinen Wiedereinstieg zu bestätigen. Es hätte ja sein können, dass ich unerlaubterweise mit meinem Neugeborenen nach Rio ausgewandert bin.

Ärgerlich und mühsam, aber ich habe alle Dokumente gesammelt. Es war eine Heftmappe, die ich zur Post gebracht habe.

Nicht mehr krankenversichert

Einige Zeit später hatte ich einen Termin beim Zahnarzt, für eine Mundhygiene. Die Rezeptionistin steckte meine E-Card in das Lesegerät und sagte: "Wir können Sie leider nicht behandeln, Sie haben nämlich keine Versicherung." Völlig aufgelöst rief ich bei der Gesundheitskasse an. Der Mitarbeiter bestätigte mir: Ich, und damit auch mein Sohn, sind seit drei Wochen nicht mehr krankenversichert. Mitgeteilt hat mir das niemand.

Wir müssten uns nun selbst versichern, hieß es – bis unser Antrag bearbeitet ist. Ich wollte wissen, wieso das bisher noch nicht geschehen ist. Schließlich hätte ich doch alle Nachweise erbracht. Von meiner Seite aus sei zwar alles erledigt, sagte man mir, aber es würden noch Dokumente von den deutschen Behörden fehlen.

Ende Juni, ich hatte in der Zwischenzeit wieder mehrmals urgiert, kam schließlich das Geld. Vor drei Monaten hat nun mein Partner Karenzgeld beantragt. Den Hauptteil zahlt in seinem Fall wohl Deutschland, aber Österreich dürfte einen Mindestbetrag gewähren. Nach der Beantragung hörten wir zunächst wochenlang nichts. Nun haben wir durch hartnäckiges Nachfragen erfahren, dass wir wieder eine Reihe an Dokumenten schicken müssen. Unter anderem gefordert sind Kontoauszüge und sein Steuerausgleich aus 2019. In diesem Jahr war mein Sohn wohlgemerkt noch nicht einmal im Bauch.

Lieber schlafen und kuscheln

Unser Glück ist, dass wir Geld gespart haben und die Monate ohne die Förderung überbrücken können. Und natürlich auch, dass wir gut genug Deutsch sprechen, um den Überblick einigermaßen zu bewahren und mit Nachdruck nachzuhaken.

Ich habe mich nicht nur einmal gefragt, wie das Menschen machen, die erst seit kurzem in Österreich leben. Die die Sprache nicht so gut beherrschen, um präzise zu verstehen, was jetzt wieder gefordert ist. Außerdem haben nicht alle Jungeltern einen finanziellen Polster. Eine Krankenschwester schrieb mir beispielsweise, dass ihr sieben Monate nach ihrem erfolglosen Antrag nunmehr das Geld ausgehe. Ihr Mann arbeite zwar, aber sein Gehalt allein reiche nicht aus, um alle Rechnungen zu bezahlen. Außerdem sei sie "eine selbstständige Frau, die von einem Mann nicht abhängig sein will", was absolut nachvollziehbar ist. Ich bin mir sicher, dass die Monate ohne Geld nicht nur diese Familie, sondern auch viele andere in eine prekäre Lage bringen. Und finanzielle Sorgen belasten bekanntermaßen das Gemüt und oft auch die Beziehung. Das wirkt sich auch auf das Kind aus.

Außerdem: Sich für eine Beihilfe, die einem per Gesetz zusteht, so ins Zeug legen zu müssen, raubt Kraft. Kraft, die man als junge Mutter, als frischgebackener Vater, eigentlich anderswo benötigt. Nämlich um den kleinen neuen Menschen liebevoll zu versorgen und zu umsorgen. Die ersten Wochen nach der Geburt sollte man nicht mit dem Zusammensammeln von Dokumenten und in der Warteschleife einer Hotline verbringen, sondern mit Schlafen, Kuscheln und Kennenlernen. (Lisa Breit, 22.4.2021)