Der griechische Außenminister Nikos Dendias (Mitte) während seines Besuchs in der Türkei.

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Istanbul – Nach Jahren wachsender Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland ist der griechische Außenminister Nikos Dendias am Donnerstag zu einem politischen Besuch in Ankara. Außer einem längeren Treffen mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu stand auch eine Audienz im Präsidentenpalast auf dem Plan.

Dendias ist bereits seit Mittwoch in der Türkei und hat erst einmal den griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartolomäus I. in Istanbul besucht. Nach der Eskalation im letzten Jahr, als es um ein Haar zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen türkischen und griechischen Kriegsschiffen gekommen wäre, ist der Besuch in Ankara nun ein deutliches Entspannungssignal.

Wie schwer es aber mit der Entspannung wird, zeigte gleich die abschließende Pressekonferenz der beiden Außenminister. Nachdem die Bereitschaft zum Dialog betont worden war, beschuldigte Nikos Dendias in scharfer Form die Türkei der fortgesetzten Aggression in der Ägäis. Çavuşoğlu machte daraufhin seinem Ärger Luft, es kam fast zu einem Eklat. Immerhin blieb Dendias nach der Pressekonferenz noch zu einem gemeinsamen Abendessen. Ob Çavuşoğlu die Einladung nach Athen annehmen wird, blieb zunächst offen.

Gespräche über Seerechtsabkommen

Noch vor Dendias war Anfang dieser Woche der neue libysche Interimsregierungschef Abdul Hamid Dbeiba zu einem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Ankara. Dabei ging es auch um das Seerechtsabkommen, das Erdoğan im November 2019 mit Dbeibas Vorgänger Fayez al Sarajd abgeschlossen hatte und das die jeweiligen "ausschließlichen Wirtschaftszonen" der beiden Länder samt dem Recht zur Ausbeutung der Bodenschätze unter dem Meeresboden so weit ausdehnte, dass Griechenland, Zypern und Ägypten heftig dagegen protestierten. Dieses Abkommen, auf dessen Grundlage Erdoğan dann türkische Explorationsschiffe in von Griechenland und Zypern beanspruchte Gewässer losgeschickt hatte, war der Beginn der großen Krise im östlichen Mittelmeer.

Erdoğan sagte nach dem Treffen mit Dbeiba zwar, man habe sich auf die Beibehaltung des Abkommens verständigt, gleichzeitig kündigte der neue libysche Regierungschef aber auch Gespräche mit Griechenland an. Diese Gespräche begannen nun mit dem Besuch von Dendias in Ankara. Obwohl bei den Gesprächen die unterschiedlichen Auffassungen zunächst betont wurden, werden sie wohl dennoch fortgesetzt.

Aggressiver Kurs im Mittelmeer

Die Gründe dafür sind vielfältig. Da ist einmal der Druck der EU und des neuen US-Präsidenten Joe Biden, die beide deutlich gemacht haben, dass eine Einigung im Mittelmeer Voraussetzung dafür ist, dass die Türkei mit der EU und den USA einen Neuanfang machen kann. Und den braucht Erdoğan dringend. Sein aggressiver Kurs im Mittelmeer hat ihn völlig isoliert, alle anderen Anrainerstaaten am östlichen Mittelmeer hatten sich zuletzt gegen die Türkei zusammengeschlossen. Noch wichtiger ist die desolate wirtschaftliche Situation. Erdoğan wollte durch die Erschließung von Gasfeldern unter dem Meeresboden die Abhängigkeit von Öl-und Gasimporten verringern und damit Geld sparen.

Tatsächlich hat er nur erreicht, dass fast alle westlichen Investoren das Land verlassen haben und die türkische Lira deshalb im Ausland fast nichts mehr wert ist. Damit ist die Aggression im Mittelmeer zu einem Bumerang geworden. (Jürgen Gottschlich, 15.4.2021)