Stefan Apostol (hier im Sommer 2018) sitzt einem Schöffengericht vor, das über einen 56-Jährigen richtet, der laut Anklage seine Stieftochter vergewaltigt haben soll.

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Wien – Das Gerichtsverfahren gegen Herrn S. ist streckenweise so beklemmend, dass man sich am liebsten die Ohren zuhalten möchte. Der 56-jährige muss sich vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Stefan Apostol verantworten, da ihm vorgeworfen wird, seine Stieftochter vergewaltigt und sexuell belästigt zu haben.

Schon 2014 zeigten die damals 13-Jährige und ihre fünf Jahre ältere Schwester den Mann an. Die Staatsanwaltschaft stellte die Verfahren ein – da die Ältere angeblich nicht mehr vor Gericht aussagen wollte und eine Kinderpsychologin als Sachverständige zu dem Schluss kam, die 13-Jährige leide an einer Intelligenzminderung und sei nicht glaubwürdig.

Ein Gutachten, das mittlerweile von einer anderen Sachverständigen revidiert wurde – denn Übergriffe im Jahr 2019 sie mit ihrem Handy akustisch aufgenommen und auch einige Bilder gemacht.

"Massives Alkoholproblem"

Recht eindeutiges Beweismaterial also, daher kündigt Verteidiger Sascha Flatz auch zu Beginn an: "Mein Mandant möchte sich heute schuldig bekennen." Der Jurist verweist auch darauf, dass S. seit über 30 Jahren "ein massives Alkoholproblem" habe und sich daher nicht mehr an die Vorfälle von 2014 erinnern könne.

Die Ankündigung erfüllt der Angeklagte zunächst nicht – dass er seine Stieftochter auch vergewaltigt habe, stimme nicht: "Da war nie was", beteuert er. Verteidiger Flatz bittet den Vorsitzenden darum, sich vor dem Saal nochmals mit S. besprechen zu dürfen. Nach der Rückkehr korrigiert sich der Angeklagte, bekennt sich in allen Punkten schuldig.

S. bestreitet aber, pädophil zu sein. Umso erstaunlicher dann die Aussagen eines ehemaligen Mitbewohners und einer weiteren Stieftochter, die ihn beide schwer belasten. Neben Vorkommnissen beschreiben sie auch, wie das Kind darunter gelitten hat – und ihr die Mutter nicht glaubte. Die ältere Schwester, die ihrem Vater ebenfalls vorwirft, sie vergewaltigt zu haben, hat den Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen. "Wie kann eine Mutter so blind sein?", versteht sie bis heute nicht, warum die Frau S. und nicht ihren Töchtern geglaubt habe.

Mehrere Gutachten notwendig

Apostol vertagt auf unbestimmte Zeit, da er mehrere Gutachten in Auftrag geben will. Einerseits soll untersucht worden, ob der Angeklagte so gefährlich ist, dass er in eine Anstalt eingewiesen werden muss. Bei der älteren Schwester soll geprüft werden, ob sie durch die mögliche Vergewaltigung langfristige Folgen hat, was das Strafmaß erhöhen würde. Auch beim jüngeren Opfer sollen die Folgen untersucht werden. Ein technischer Experte soll versuchen, die Tonmittschnitte von 2019 besser verständlich zu machen und zu transkribieren. Und schließlich soll beim nächsten Termin auch die leibliche Mutter der Mädchen als Zeugin geladen werden und das Video der kontradiktorischen Einvernahme der Jüngeren abgespielt werden. (Michael Möseneder, 15.4.2021)