In der OMV-Zentrale in Wien ging es zuletzt rau zu. Dort soll schon bald ein sechster Vorstand einziehen.

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Am Mittwoch tagte in der OMV der Präsidial- und Nominierungsausschuss, am Donnerstag trat um 13 Uhr der Aufsichtsrat unter Leitung von Mark Garrett zusammen. Der langjährige Chef des OMV-Kunststoff-Joint-Ventures Borealis und seine 14 Mitstreiter im Aufsichtsratskollegium hatten abgesehen von der Bestellung eines sechsten Vorstandsmitglieds für den Raffineriebereich noch weiteren brisanten Gesprächsstoff auf dem Verhandlungstisch.

Jüngste Enthüllungen zu einer Beobachtung von Greenpeace bezüglich vermeintlicher Bespitzelungsvorgänge haben im Haus für viel Unruhe gesorgt. Die Compliance-Abteilung des teilstaatlichen Öl-, Gas und Chemiekonzerns, die für die Einhaltung der festgelegten, legalen Richtlinien bei der OMV verantwortlich ist, hat die Vorwürfe untersucht und dem Aufsichtsrat dem Vernehmen nach einen zusammenfassenden Bericht vorgelegt. Grundtenor: Alles so weit korrekt.

Probleme mit Konzernvertretung

Intern ist es in Österreichs größtem Industriekonzern in den vergangenen Monaten ziemlich rund gegangen; die Turbulenzen um die Installierung der Konzernvertretung war nur die Spitze des Eisbergs. Wie berichtet war der Vorstand unter Rainer Seele zunächst dagegen, die Belegschaftsvertreter haben geklagt und das Arbeitsgericht hat ihnen in einem Versäumungsurteil auch Recht gegeben. Davor, Ende März, hatte der Vorstand seine Ansicht geändert und die Konzernvertretung anerkannt.

Vorgestern, Mittwoch, wurde dann bekannt, dass der Konzern anscheinend die Umweltschutzorganisationen Greenpeace und Fridays for Future durch internationale Spionagefirmen systematisch überwachen ließ und überwachen lässt. Greenpeace bezog sich dabei auf einen Bericht des Magazins Dossier sowie auf OMV-interne Kommunikation. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sah sich daraufhin veranlasst, in einem Brief an OMV-Chef Seele Aufklärung zu fordern.

Informationssammlung statt Spionage

In der OMV bestreitet man nicht, sich externer Firmen wie Weland sowie Thompson + Clark zu bedienen, um an Informationen über die Tätigkeit von NGOs zu kommen, die im Bereich Energie und Klimaschutz tätig sind. Den Vorwurf der Spionage oder Bespitzelung weist man strikt zurück. "Wir verschaffen uns einen Überblick über das Meinungsspektrum, auch in sozialen Medien. Bei Aufrufen zu Demonstrationen ist es beispielsweise wichtig zu wissen, ob dabei Anlagen, die in unserer Verantwortung stehen, möglicherweise gefährdet sind," sagte OMV-Sprecher Andreas Rinofner.

"Das ist nicht nur in unserem Interesse, wir sind dazu sogar verpflichtet; schließlich handelt es sich in den meisten Fällen um kritische Infrastruktur." Zudem seien es frei zugängliche Informationen, die gesammelt würden, nichts anderes.

Auch intern geht man mitunter streng vor, etwa auf der Suche, ob Interna – zum Beispiel über die Borealis-Transaktion – von Mitarbeitern nach außen getragen wurden. In dem Zusammenhang sollen im Rahmen von Compliance-Untersuchungen Computer bzw. Mails von Mitarbeitern von IT-Forensik-Experten kontrolliert worden sein. Über die Ergebnisse der forensischen Untersuchungen – angeblich hatten die Betroffenen zugestimmt – seien auch Aufsichtsratsmitglieder informiert worden, heißt es.

Auch die Mitarbeiter wurden zu den Vorwürfen befragt, die Anwälte der OMV waren dabei. Bei einem Mitarbeiter will man fündig geworden sein, er soll Informationen nach außen weitergegeben haben – was er bestreiten dürfte. Angeblich wurden auch Telefonate abgehört, wie der Kurier berichtet hat.

Datenschützer alarmiert

Nach STANDARD-Informationen interessiert sich mittlerweile auch die Datenschutzbehörde für die Vorkommnisse in der OMV. Diese wird auf eine Beschwerde von jemandem aktiv, der zuvor selbst im Unternehmen um Datenauskunft ersucht hat und gescheitert ist. Oder sie leitet von sich aus ein Prüfverfahren ein. In der OMV heißt es, man wisse bis dato nichts von einer Anfrage der Datenschutzbehörde.

Der Name des sechsten Vorstandsmitglieds für den Raffineriebereich wird voraussichtlich heute, Freitag, bekannt gegeben, falls sich der Aufsichtsrat zu einer Entscheidung durchringt. Sechs Vorstände gab es zuletzt zeitweise in den 1980er-Jahren, damals allerdings bei einer deutlich kleineren OMV.

(Günther Strobl, 16.4.2021)